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J- Pechar, Dr. A. Peez.
ganz zurücktreten, da die Produktion kaum dem inländifchen Bedarfe entfprechen
konnte. Bei der in Ausficht flehenden beträchtlichen Erhöhung der Förde
rung nach Vollendung zahlreicher im Baue begriffener Mafchinenfchächte dürfte
auch jene Idee ihrer Realifirung näher gebracht werden. Zu Ende des Jahres
1873 wurden gerade im nördlichen Theile des Revieres, alfo in gröfserer Nähe
der Seeplätze, einige 30 Tiefbaufchächte abgeteuft. Es dürften aber immerhin
noch einige Jahre vergehen, bevor diefelben in volle Förderung eintreten.
Unter allen Umftänden hätte, nächft den Kohlenlagern der Vereinigten Staaten,
kein anderes Revier gröfsere Möglichkeit, dem englifchen Kohlenhandel Con-
currenz zu bieten, als Weftphalen.
Die Befchaffenheit des niederrheinifch-weftphälifchen Kohlenrevieres
und feines Produktes, die günftige geographifche Lage, die hochentwickelte
Induftrie, insbefondere die mächtige Stahl- und Eifeninduftrie, welche auf
uralter und durchaus gefunder Grundlage beruht und bis zur Verfertigung der
mannigfaltigftenFinalprodukte, wie Drahtftifte, Ketten, Klingen, Meffer, Scheeren
u. f. w. entfaltet ift, verbürgen dem niederrheinifch-weftphälifchen Kohlen
reviere eine unberechenbare Zukunft, die durch Krifen verzögert, aber nicht
dauernd zurückgehalten werden kann.
Schliefslich fei noch der Abfatzverhältniffe der Ibbenbürener, Osnabrück-
Borgloher und Mindener Kohle gedacht. Die Kohle von Ibbenbüren wird zu
337 Percent im Grubenbezirke felbft confumirt und aufserdem hauptfächlich
gebrannt in Münfter, Osnabrück, Hannover und der holländifchen Fabriksftadt
Enfchede. Die Osnabrücker und Borgloher Kohle findet ihre Abnehmer zum
weitaus gröfsten Theile in den Revieren felbft, die von der fie durchfchnei-
denden Venlo-Hamburger-Bahn erhebliche Vortheile erwarten dürfen. Die
Förderung des Mindener Beckens endlich verbleibt ganz und gar innerhalb
der Grenzen des Grubenbezirkes.
II. Das Saarbecken.
Begrenzt von der Saar, Blies und Nahe, dehnt fich jenes berühmte Stein -
kohlenbaffm aus, welches man das Revier von Saarbrücken nennt. Bemerkens
werth ift dasfelbe vor Allem feiner Ausdehnung und Mächtigkeit wegen, ja es
wird fogar von Manchen für die gröfste Kohlenanfammlung des europäifchen
Feftlandes gehalten. Auf etwa 172-671 Hektaren an die Oberfläche tretend,
nimmt es, freilich vielfach von Quarzporphyren durchbrochen und vom Roth-
liegenden überdeckt, überhaupt einen Flächenraum von mehr als 287.786 Hek
taren ein ; die Erftreckung in die Länge (von Nordoften nach Südweften) beträgt
beiläufig 98 6 Kilometer, die in die Breite 30 Kilometer.
Wie AlexandervonHumb oldt im „Kosmos“ (BandI,Seite4i9) berichtet,
geht das unterfte Kohlenflöz nordöftlich von Saarlouis bis 6132 und 6527 Meter
unter den Meeresfpiegel hinab, und von Dechen fchätzt das Gewicht der ganzen
zwifchen Saar und Blies gelagerten Kohlenmaile auf 45'4 Billionen Kilogramme mit
26 3 Billionen KilogrammenKohlenftoff. Die Gefammtmächtigkeit des produktiven
Steinkohlengebirges gibt man auf 3200 Meter an, die Zahl der übereinander
liegenden Flöze auf 170 mit 108 Metern Kohlenmächtigkeit, wovon bei 100 Flöze
von 0-63 bis 474 Meter Stärke und 79-03 Meter Totalmächtigkeit aufgefchloffen
find, und ein Flöz von 0-47 Meter Starke bezeichnet man als bauwürdig.
Bei weitem die gröfste Anzahl der Flöze findet fich in der unteren der
beiden deutlich gefchiedenen Abtheilungen des Kohlengebirges, die zugleich
auf den füdöftlichen Theil des Beckens befchränkt ift.
Jene fo aufserordentlichen Begünftigungen der Natur werden nun aber
grofsentheils wieder paralyfirt durch die im Saarbrücker Reviere als einer
Binnenmulde befonders häufigen Verwerfungen und fonftigen Unregelmäfsig-
keiten in der Lagerung, die den Abbau der Steinkohle ungemein erfchweren.