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Volltext: Die bildenden Künste der Gegenwart

Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 5 
scheint die Wahl des Ausstellungsortes, seine mehr westliehe oder öst 
liche Lage auf die Betheiligung der verschiedenen nationalen Kunst 
schulen einen entscheidenden Einfluss zu üben. Die Wiener Weltaus 
stellung straft diese Meinung keineswegs Lügen. Wenn auch die fran 
zösische Kunst durch eine überraschend grosse Zahl von Werken ver 
treten ist, so bewahrt doch die deutsch-österreichische Gruppe das 
entschiedenste Uebergewieht, nicht so sehr in Bezug auf die absolute 
Zahl der ausgestellten Werke, als in Hinsicht der Steigerung derTheil- 
nahme. Die Summe der französischen Werke ist gegen 1867 etwas 
gestiegen, gegen 1855 aber namhaft gefallen. Die Summe der deut 
schen Werke hat sich gegen 1867 beinahe verdoppelt, jene der öster 
reichischen hat sogar das Fünffache erreicht. Die folgende Tabelle mag 
das Maass der Betheiligung deutlich machen: 
Gesammt- Frankreich Deutschland Oesterreich- Italien England 
summe Ungarn 
1867: 3973 1043 555 193 301 563 
1873: 6060 1573 1026 1079 625 203 
Die einzelnen Ausstellungen unterschieden sich von einander nicht 
allein durch die äussere Zusammensetzung, jede derselben besass noch 
eine besondere Bedeutung für das Kunstleben der Gegenwart und trug 
eine eigenthümliche Signatur. Auf der ersten Pariser Ausstellung feier 
ten die Helden der alten französischen Schule Ingres und Delacroix, 
von welchen der eine bis auf David zurückweist, der andere vorzugs 
weise jene Anschauungsweise vertritt, welche in der Restaurations 
periode ihren Ursprung nahm, ihren höchsten Triumph. Selbst bei ihren 
Landsleuten gewannen sie erst jetzt unbestrittene Popularität und weit 
tönenden Ruhm. Neben ihnen traten alle französischen Künstler weit 
zurück, zu ihnen schien das jüngere Geschlecht mit unbegrenzter Be 
wunderung emporzublicken. Um so grösser war die Ueberraschung, 
welche die zweite Pariser Weltausstellung (1867) darbot. Alle die 
Männer, welche den Ruhm der französischen Kunst begründet hatten 
und als die wahren Meister anerkannt waren, hatten bereits das Leben 
verlassen. Ingres und Delacroix, Delaroche und Vernet zählten 
zu den Todten. Eine neue Reihe von Künstlern trat in den Vorder 
grund. Es waren aber nicht allein andere Träger der französischen 
Kunst, die wir erblickten, es war auch eine ganz neue Welt, die sich 
vor unseren Augen aufthat, eine vollständig veränderte Kunstrichtung, 
welche uns entgegentrat. 
Meissonier, Cabanel, Gerome und Theodor Rousseau nah 
men jetzt den Platz ein, welcher zwölf Jahre zuvor einem Ingres oder 
Delacroix eingeräumt worden war. Also die feinste Kleinmalerei, 
welche die Charaktere nur mit der Pinselspitze aufträgt, für die Schil 
derung menschlichen Stilllebens die beste Kraft besitzt, die Verherr-
	        
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