Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 13
Zusammengerafften zu nehmen und ein übersichtliches Bild von dem
Zustande und der Entwickelung der französischen Kunst auf derselben
zu entfalten. In der Specialausstellung der Stadt Paris wird
uns, durch Zeichnungen, Skizzen und Photographien vertreten, die
monumentale Kunst der französischen Hauptstadt, so weit sie in den
letzten Jahrzehnten gepflegt wurde, vor die Augen gebracht. Und
diese Pflege war reicher als man gewöhnlich glaubt. Ausser den
Plänen für Kirchen, Theater, Markthallen, Schulen Und Gefängnisse
liegen Proben der Sculpturen und Malereien vor, mit welchen die öffent
lichen Gebäude, profane und kirchliche, in überreicher Zahl geschmückt
wurden. Fast alle diese Werke sind den weiteren Kreisen unbekannt
und werden bei dem Urtheil über die französische Kunst selten ange
zogen. Hebt die öffentliche Meinung ein so grosses Unrecht, wenn sie
den Charakter der französischen Malerei vollständig zu begreifen glaubt
auch ohne die Werke der monumentalen Malerei in Betracht zu nehmen?
Thatsache ist es, dass die letzteren die allgemeine Aufmerksamkeit
ungleich weniger in Anspruch nehmen, als die Salonbilder. Daraus den
Schluss zu ziehen, die monumentale Malerei sei in Frankreich weniger
gepflegt und gefördert worden, wäre ein grober Irrthum. Selbst in
Deutschland sind im Laufe der letzten vierzig Jahre nicht so viele
Wandgemälde geschaffen worden, wie in Frankreich. Die Pariser
Kirchen sind mit denselben gefüllt und eben so häufig blicken sie uns
von den Decken der öffentlichen Paläste entgegen. Die Madelaine und
Notre-dame de Lorette, St. Sulpiee und Severin, St. Germain des Pres
und St. Eustache und alle die modernen Vorstadtkirchen in Belleville,
Clignancourt u. s. w. glänzen im farbigen Schmucke. Der überwiegenden
Zahl der Kirchenbilder merkt man aber alsbald den officiellen Ursprung
an; den Künstlern genügt es, den empfangenen Auftrag in anständiger
Weise zu erfüllen, ohne dass sie mit dem Herzen bei der Sache wären
und ohne dass sie verleugneten, wie fremd ihnen die Beschäftigung mit
der religiösen Kunst geworden sei. Von hervorragender Bedeutung ist
der einzige Hippolyte Flandrin, dessen Wandgemälde in St. Germain
des Pres und insbesondere in St. Vincent de Paul den Ehrenplatz in
der modernen kirchlichen Malerei einnehmen. Was sonst an kirchlichen
Wandgemälden von Schülern Ingres’, welchen selbstverständlich der
grösste Antheil an denselben zufiel, geschaffen wurde, besitzt fast ohne
Ausnahme einen bedenklichen akademischen Zug, eine kühle, nüchterne
Auffassung, eine tödtlich langweilige Correctheit der F ormen. Man
findet keine Fehler, aber entdeckt auch keine Vorzüge. Als Beispiel
mögen die Wandgemälde von Cornu und Piehon in St. Severin
dienen. Die Naturalisten und Coloristen, welche in den letzten Jahr
zehnten gleichfalls diesem Kunstkreise sich zuwendeten, wie z. B. Cou
ture, sündigen freilich nicht durch kalte Nüchternheit, enthüllen aber
den Widerspruch zwischen den persönlichen Anschauungen der Künstler