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Volltext: Die bildenden Künste der Gegenwart

14 Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 
und dem religiösen Kunstideale in der schroffsten Weise, wie denn über 
haupt die jüngsten Leistungen auf diesem Felde sich auch als die 
schwächsten offenbaren. Es muss in der Richtung des französischen 
oder (bei der Centralisation der Oultur in Frankreich richtiger gesagt) 
des Pariser Lebens liegen, dass die verschwenderische Liberalität der 
Regierung und der Municipalität, welche Paris in eine Stadt der Denk 
mäler verwandeln wollte, den erwarteten Erfolg nicht hatte. Denn 
auch in der monumentalen Architektur der letzten Jahrzehnte vermisst 
man die einfache Grösse, die lautere Hingabe des Künstlers an das 
Bauideal, die lebendige Wiedergabe desselben. Entweder kommen die 
Architekten über die trockene Reproduction des angewendeten Baustiles 
nicht hinaus, wie die Anhänger der classischen Architektur und der 
Gothik, oder sie erdrücken die organischen Formen durch eine üppige, 
aber selten lebensfrische Decoration. Natürlich sind jene Werke am 
besten ausgefallen, in welchen das decorative Element ein berechtigtes 
Uebcrgewicht besitzt, die Privatbauten im Stil des 17. und 18. Jahr 
hunderts. Gerade in dieser Richtung ist die französische Kunst auf 
der Weltausstellung gar nicht vertreten. Wenn wir von den Bauplänen 
in der Specialausstellung der Stadt Paris absehen, lernen wir die Thä- 
tigkeit französischer Architekten fast ausschliesslich im Gebiete der 
Decoration und Restauration kennen. 
Die Restauration des römischen Forums zur Zeit des Augustus, 
des Tempels der ungeflügelten Nike in Athen, des Amphitheaters und 
Theaters von Arles, des Augustustempels in Viennö, des Amphitheaters 
in Nimes, dann aus der Periode des Mittelalters die Wiederherstellung 
der Stadt Careassone, des Papstpalastes in Avignon, der Kirchen in 
Noyon, Toulouse, Montmajour, Perigueux u. s. w. hat, wie die Ausstel 
lung beweist, die Phantasie der französischen Architekten eingehend 
beschäftigt und eine Reihe interessanter Lösungsversuche hervorgerufen. 
Die Richtigkeit der Lösung „kann man in einzelnen Fällen bezweifeln, 
aber es spricht für die gute Erziehung der französischen Architekten, 
dass sie nicht nur die Fähigkeit, sondern auch die Lust besitzen, sich 
in solche Aufgaben zu vertiefen. Die Selbstentsagung, die dazu gehört, 
sich in eine fremde Gedankenwelt hineinzuleben, kann nur durch reife 
künstlerische Bildung erworben werden, wie auch nur die letztere die 
Freiheit der Formenbehandlung verschafft, welche zu einer gelungenen 
Restauration erforderlich ist. Damit steht nicht in Widerspruch, dass 
die selbstständig geschaffenen Bauwerke der modernen französischen 
Schule die Formen theils nur schematisch wiedergeben, theils von der 
Ornamentik sich überwuchern lassen. Bei Originalschöpfungen kommen 
noch andere Factoren in Betracht, als die Formenkenntniss und über 
dies herrscht ein grosser Unterschied, ob dem Künstler, wie bei Re 
staurationsplänen, eine feste Grundlage gegeben ist, welche seiner Phan 
tasie ein unverrückbares Ziel setzt, und sie in bestimmte Grenzen bannt,
	        
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