16 Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart.
Composition wirken erfreulich. Als Beispiel mögen nur Blanchard’s
Seiltänzer, Bourgeois’ Schlangenbeschwörer, Sanson’s Tcünzer ge
nannt sein. Unter den Bildhauern, die noch an der Antike festhalten,
sind namentlich hervorzuheben: Perraud: die Kindheit des Bacchus,
Hiolle: Arion auf dem Delphin, Millet: Ariadne, und Barrias: der
Schwur des Spartacus. Besonders in dem letztem Werke ist der dank
bare Effect, der in der engsten Verbindung scharfer Contraste liegt (ein
frischer Jünglingskörper und ein Leichnam, eine energische Lebenskraft
und ein gebrochenes Dasein) vollständig ausgebeutet. Aufmerksamkeit
veidient noch die Richtung, welche Paul Dubois in seinem Johannes
der Täufer und seinem florentinischen Sänger eingeschlagen hat. Wie
Andere von der Antike ausgehen, so fusst Dubois auf der Renaissance
des 15. Jahrhunderts. Die herberen Formen, die grössere Bewegtheit,
die energischere Naturwahrheit derselben sind sein Ideal, welches er
namentlich in dem florentinischen Sänger mit Erfolg wiedergiebt. Man
kann diesen Versuch, auf die Renaissance zurückzugehen, nur loben,
denn hier allein zeigt sich ein Ausweg aus der Verwirrung heraus,
der unsere Sculptur und die französische zumeist verfallen ist und
welche, wenn nicht wieder bald eine feste Richtschnur gewonnen wird,
die Kunst mit völliger Anarchie bedroht. Die bedenklichen Seiten der
französischen Sculptur sind auch auf der Wiener Ausstellung stark
hervorgetreten, die Mehrzahl der ausgestellten Werke gehört zwar dem
vorigen Jahrzehnte an und ist bereits von früheren Pariser Ausstellungen
bekannt; doch dürften die Bedenken die Gegenwart nicht weniger
treffen als die Zeit vor dem Kriege. Selbst von der französischen Kritik
ist darüber Klage geführt worden, dass die Bildhauer dem Reizenden
den Vorzug vor dem Schönen geben und aus diesem Grunde die halb
entwickelten Körperformen, wie sie für den Uebergang aus dem
Knaben- und Mädchenalter in das Männliche und Jungfräuliche charak
teristisch sind, mit Vorliebe behandeln. Dadurch kommt in die Plastik
ein Zug sinnlichen Raffinements, der an das Widerliche streift. Auch die
Jagd auf bizarre und seltsame Motive muss unter den Zeichen des
ungesunden Zustandes der französischen Plastik aufgezählt werden,
wie sich dieselbe zum Beispiel in Hebert’s Gruppe der Verlobten (der
Tod ein Mädchen umarmend) ausspricht. Schlimmer als diese aus Ge
dankenlosigkeit entsprungene Sucht grob Auffallendes darzustellen,
die vorläufig doch nur vereinzelt auftaucht, ist die immer mehr herr
schende Neigung durch technische Virtuosität zu glänzen. Es über
schreitet das Maass des plastisch Zulässigen, wie Delaplanche die
Weichheit der Haut bei nackten Figuren wiedergiebt, wie Carpeaux
in seinen Köpfen auf malerischen Schein ausgeht, wie von anderen
Künstlern durch die Zusammensetzung ihrer Statuen und Büsten aus
verschiedenem Material grelle Effecte erzielt werden. Was soll man
vollends dazu sagen, dass der allerdings stets über Gebühr geschätzte