18 Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart.
zu schmücken und von Lefuel’s Architektur umschlossen zu werden.
Ein Plafondbild in fast verticaler Aufstellung wird geradezu ungeniessbar
und wenn auch Lefuel’s Sünden als Baumeister ebenso zahlreich wie
Tross sind, so würde doch seine Decorationsweise hier nicht störend
eingegriffen haben. Denn Cabanel’s Gemälde ist ganz im Geiste des
Zeitalters Ludwig’s XV. aufgefasst und verträgt eine im leichtfertigen
Putze erglänzende Einrahmung. Den Rückgang auf das vorige Jahr
hundert dem Künstler zum persönlichen Vorwurf zu machen, erscheint
vielleicht ungerecht, da diese Richtung von so vielen Künstlern und
Kunsthandwerkern in Frankreich getheilt wird, und das Rococo in un
seren Tagen eine förmliche Wiedergeburt feiert. Dass sich auch die
modernen Franzosen in demselben mit grosser Leichtigkeit bewegen
und gleichsam zu Hause fühlen, mag die Vorliebe für den Rococostil
erklären, aber er ist und bleibt dem ernsten geläuterten Kunstsinn am
wenigsten genügend und unbedingt verwerflich, wenn er es wagt, antike
Gedanken wiederznspiegeln. Cabanel’s Flora, Apoll und Amor wur
den von jedem Griechen verleugnet werden; die manierirt zierlichen
Bewegungen und koketten Formen, wie das matte Colont mahnen an
maskirte Schäfer aus einem erkünstelten Arkadien. Schlimmer aber
noch ist der Umstand, dass man in Cabanel’s Flora deutlich gewahrt,
wie wenig die Kräfte selbst hervorragender Maler für eine grosser
angelegte Composition ausreichen. Kaum die Hälfte des Raumes wusste
seine Phantasie mit Gruppen zu beleben, die unter einander organisch
verbunden sind, für die untere Hälfte half er sich mühselig mit Ful -
figuren, denen man es deutlich ansieht, wie erstorben schon sein künst
lerischer Sinn war und dass sie nur nach und nach, wie sie eben diese
oder jene leere Lücke verlangte, entstanden sind. Auch in der tech
nischen Haltung offenbaren sie die vollständige Ermüdung des Meisters.
Und doch wird von Cabanel die Energie, mit welcher er an den hohen
Aufgaben der Malerei festhält, gerühmt. Bei dieser sichtlich wachsen
den Unfähigkeit der Künstler, grössere Compositionen zu bemeistern,
ist es begreiflich, dass die französischen Künstler sich lieber der Klein
malerei zuwenden, wo ihre Vorzüge in seltenem Lichte glanzen. Diese
Vorzüge kann man mit einem Worte zusammenfassen: die französischen
Maler besitzen Schule. Scharfe, bestimmte Zeichnung, Klarheit und
Richtigkeit der Bewegungen, Vertrautheit mit den Geheimnissen der
Farbengebung trifft man bei ihnen fast ohne Ausnahme an Es giebt
keinen, dem die Technik sichtliche, unüberwundene Schwierigkeiten berei
tete, welchen die Wahl der Mittel, um eine festgestellte Aufgabe zu
verwirklichen, in Verlegenheit brächte. Von einem unsichern Rathen
und Tasten, von einem mühevollen Ringen und Kümpfen von einem
genügsamen Andeuten, so dass man das Ziel und die Absicht des Runs
lers erst errathen muss, zeigt sich nirgend eine Spur Wenn das We
sen der Malerei in der Handgeschicklichkeit und in der f ertig ei im