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Volltext: Die bildenden Künste der Gegenwart

20 Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 
eine Zeit, wo man, auch in Frankreich, auf die selbstständige Bedeutung 
des dargestellten Gegenstandes ein grosses Gewicht legte, wo der Künst 
ler sich gern seiner Gedankentiefe , seines poetischen Sinnes rühmte, 
den höchsten Interessen des Volkes freudig huldigte und auch auf die 
Vorstellungen des letzteren eindringlich zu wirken bemüht war. Die 
Gefahr lag nahe, dass die Aufgaben der Malerei verschoben wurden 
und dieselbe sich verleiten Hess, Kreise zu betreten, in welchen ihre 
eigenthümlichste Natur zu keiner rechten Geltung gelangen konnte. 
Beispiele anzuführen, wie wenig diese Gefahr vermieden wurde, ist 
wohl nicht nöthig, da sie gewiss jedem Beobachter gegenwärtig sind. 
Später trat eine Reaction ein und wie das in solchen Fällen gewöhn 
lich zu geschehen pflegt, es wurde von vielen Künstlern der Gegenstand 
der Darstellung eben so sehr unterschätzt, als er früher über Gebühr 
betont worden war. Alles, was man von ihm verlangt, ist dass er dem 
Maler gestattet, seine Fachtüchtigkeit zu bewähren. Man muss die 
ser Meinung soweit beipflichten, als in keinem Werke der bildenden 
Kunst ein Ueberschuss des Inhaltes vorhanden sein soll, welcher in den 
äusseren Formen nicht durchscheint, eine selbstständige Geltung für sich 
in Anspruch nimmt; man darf aber auf der andern Seite sich nicht 
verhehlen, dass der ganze Streit eigentlich nur in Ateliergesprächen 
und in literarischen Kunstschilderungen sich zu einem Principienkampfe 
verschärft, in der Kunstpraxis aber in Wahrheit heute wie immer das 
gemalt wird , was die Beschauer gern sehen und wozu den Künstler 
seine persönliche Bildung, die meistens mit dem Culturzustande seines 
Volkes und seiner Zeit zusammenfällt, befähigt. Den schlagendsten 
Beweis dafür giebt gerade die französische Malerei, in welcher sich 
die Stimmungen der modernen französischen Cultur und die wenig 
stens in Paris beliebten Ideenkreise treu und deutlich wiederspiegeln. 
Die Abwesenheit des sogenannten historischen Genres in der neue 
sten französischen Kunst kann nicht auffallend erscheinen, wenn man 
sich erinnert, dass der Bau der gegenwärtigen politischen und socialen 
Zustände grossentheils auf den Trümmern des alten Frankreichs errich 
tet wurde und ein gewaltsamer Bruch mit der Tradition die moderne 
Geschichte des Landes einleitete. Das Volksleben jenseits der Revolu 
tion ist der Masse der Gebildeten aus dem Gedächtnisse verschwunden, 
in welchem nur die Ereignisse der letzten achtzig Jahre soweit fest 
haften, dass sie auch die Phantasie anregen. Maler, deren Bildung in 
der Restaurationsperiode wurzelt, versuchten wohl auch für Scenen aus der 
altern heimischen Geschichte ein künstlerisches Interesse zu wecken. 
Seit dem Niedergange der romantischen Schule verlor sich die Theil- 
nahme dafür beinahe vollständig. Nur die französische Revolution und 
Napoleon’sSiegesfahrten behielten längere Zeit einen grossem Reiz für 
die Phantasie. Aber auch diesen Kreis der Darstellung dürften die 
politischen Verhältnisse immer mehr zurückdrängen. Dass bei der
	        
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