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Volltext: Die bildenden Künste der Gegenwart

Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 25 
febre u. s. w. Geringes Gefallen können die kleinlichen Formen erre 
gen, welche durch die Abhängigkeit von den Pariser mehr zierlichen 
als schönen Modellen in vielen Bildern vorherrschen. Man wird mehr 
an Prudhon als an Titian erinnert und nicht in den Kreis holder Frauen 
schlechthin, sondern in die Gesellschaft von Frauen einer bestimmten 
Classe eingeführt, welche berufsmässig mit ihren Beizen coquettiren. 
Es fehlt das Unbewusste einer vollendet schönen Natur, sonst würden 
die unruhigen Bewegungen und oft fast gewaltsam herausfordernden 
Stellungen nicht so häufig Vorkommen. Durch die Bezeichnung der 
Bilder: „Alpdrücken, Grille“ sollen die letzteren erklärt werden; kein 
vernünftiger Beschauer lässt seine Eindrücke durch Bildertitel regeln. 
Die über den Kopf verschränkten Arme, die gekniffenen Beine \md 
andere studirte Motive, die mit einer gewissen Vorliebe wiederkehren, 
lassen das rein künstlerische Interesse vermissen, welches bei Darstel 
lungen des Nackten ganz unbedingt herrschen muss. 
Wenn man dieses intensive Streben der Pariser Maler, durch vir 
tuose Farbenkünste zu glänzen, gewahrt, möchte man glauben, für jede 
andere Richtung sei hier die Theilnahme abgestorben. Und doch fin 
den auch solche Künstler, die ganz abseits von dem gewöhnlichen Wege 
wandeln, ihre Freunde. Schwerlich könnte sonst der alte Glaize so 
beharrlich seine moralisirenden Schilderungen fortsetzen. Wie er in 
der ersten Pariser Weltausstellung die Undankbarkeit der Menschen 
tadelte, die ihre besten Wohlthäter an den „Pranger“ stellt, so geisselt 
er in Wien wieder in einem wunderlichen Bilde die menschliche Thor- 
heit, welche in jeden religiösen Glauben grausame Unduldsamkeit hin- 
emschlejipt. Der jüngere Glaize bewegt sich in ähnlichen Geleisen. 
Unter dem Titel „Das erste Duell“ malt er zwei Urmenschen, welche 
um den Besitz des Weibchens kämpfen, sich gegenseitig in einen Ab- 
giund zu werfen bemüht sind, während der Kampfpreis völlig passiv 
den Ausgang des Streites erwartet. Die Moral davon ist, dass am An 
fänge des Menschengeschlechts nicht paradiesische Unschuld, sondern 
brutale Bestialität herrschte. 
Der Protest gegen die traditionellen idealen Anschauungen kann 
nicht schärfer ausgesprochen werden, als es in dem Bilde von Leon 
Glaize geschieht. Kein Wunder, dass auch in der Formenwelt der 
Idealismus schroff zurückgewiesen, die Wiedergabe der gewöhnlichen 
oft gemeinen Wirklichkeit mit all ihren zufälligen Makeln und Män 
geln (grobe, eckige Bewegungen, verschossene Kleider, sonnenverbrannte 
Gesichter, schmutzige Hände u. s. w.) als würdiger Preis künstlerischen 
Bemühens aufgestellt wird. Von dem berühmtesten und talentvollsten 
Vertreter dieser Richtung, Millet, zeigt die Wiener Ausstellung den 
vielbesprochenen Holzhacken mit dem Tode und den Säemann. Der 
bäuerische Charakter des letzteren ist mit staunenswerther Wahrheit 
erfasst, ohne dass der Künstler aber eine wärmere Empfindung äussert
	        
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