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Volltext: Die bildenden Künste der Gegenwart

Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 27 
sehenden Naturauffassung — Wiedergabe eng geschlossener Räume mit 
seltenen Durchblicken, ausschliessliche Betonung des Licht- und Farben 
spieles — liegt, so erscheint sie doch gegenwärtig beinahe gänzlich 
ausgebeutet und eben deshalb für das jüngere Geschlecht weniger ver 
lockend. Uebrigens drängt die decorative Richtung in den anderen 
Zweigen der Kunst nothwendig dazu, dass auch die Landschaftsmalerei 
dieselbe ergreife. Möge nur der neue Weg nicht die Sehnsucht nach 
dem alten verlassenen Pfade wecken, wie in der Porträtmalerei, die 
offenbar in falsche Bahnen sich zu verlieren droht. Neben den ener 
gisch im alten Stile behandelten Werken des auch als Kupferstecher 
verdienten Gaillard und neben den solid gearbeiteten Bildnissen, 
welche Fräulein Jacque mart ausstellte und von welchen einzelne, z. B. 
die Porträts des Exministers Duruy und des Marschall Canrobert, 
auch die strengste Prüfung trefflich bestehen, fallen die mit Carolus 
Duran bezeichneten Bildnisse dem Beschauer sofort in das Auge. Sie 
stellen in Lebensgrösse drei Modedamen vor und haben dem Künstler 
in Paris einen nicht geringen Ruf verschafft. Am besten kann man 
sie als Toiletteporträts charakterisiren. Die Hauptsache ist dem Künst 
ler offenbar die elegante Robe, über deren treffliche Wiedergabe gewiss 
jede Putzmacherin in Entzücken geräth. Die schreienden Modefarben 
bereiten dem Künstler keine Schwierigkeiten. Er erhöht die letzteren 
noch, indem er z. B. eine Dame mit blauem Unterkleide und lila Ueber- 
wurf auf einen grünen Boden stellt. Diese Schwierigkeiten durch eine 
virtuose Farbengebung überwinden, ist seine Hauptaufgabe, so sehr, 
dass daneben die Köpfe allen Charakter, und die Carnation, die sich der 
Gewandfarbe unterordnet, alle Wahrheit verlieren. Man möchte wohl 
fragen: Haben denn die holländischen Porträtmaler ganz umsonst gelebt 
und lässt sich die Geistlosigkeit wirklich noch weiter treiben? 
Man verlässt die französische Abtheilung mit einem sehr gemisch 
ten Gefühle. Es wäre thöricht, zu leugnen, dass die französische Ma 
lerei noch immer eine dominirende Stellung in der europäischen Kunst 
(England ausgenommen) einnimmt und dass sie diese Stellung durch 
eine Reihe trefflicher Eigenschaften verdient. Die tüchtige Schule wird 
beinahe bei keinem einzigen Maler vermisst. Die Schule verdirbt aber 
die Individualität nicht. Im Gegentheil, nirgends wird die Specialität 
so weit ausgebildet, nirgends des Künstlers eigene Natur und selbst 
ständige Richtung so wenig beschränkt, wie in Paris. Ihm ist Alles 
erlaubt, vorausgesetzt, dass er sein Werk effectvoll auszuführen versteht. 
Darin liegt aber die bedenklichste Seite der modernen französischen 
Kunst. Indem sie die malerische Durchführung als Hauptziel sich 
setzt, appellirt sie ausschliesslich an die Feinschmecker in der Kunst 
und trennt sich von dem Volksthume ab. Wohl hat sie einzelne Züge 
modischer Bildung in sich aufgenommen, aber abgesehen davon, dass 
es nicht die besten Seiten derselben sind, die sie vertritt, wie z. B. die
	        
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