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Volltext: Die bildenden Künste der Gegenwart

Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 29 
stimmt. Von Leys’ bestem Schüler, dem Holländer Alma Tadema, hat 
die Wiener Ausstellung keine Proben vorgeführt. Alma Tadema hat 
die archaistische Kunstrichtung noch weiter entwickelt und mit unleug 
barer Gewandtheit und reifem Farbensinne namentlich das antike Leben, 
so wie es in Wirklichkeit war, zu schildern unternommen. Immer liegt in 
dieser doppelten Flucht aus der Gegenwart, da nicht nur der Inhalt, son 
dern auch die Formen aus der Vergangenheit geschöpft werden, eine 
Resignation, ein Unglaube an die künstlerische Kraft unseres Lebens, 
welche auf keine gesunde Entwickelung der Kunst schliessen lässt. 
Perioden, in welchen Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein herrscht, 
haben stets das Recht für sich in Anspruch genommen, den fernliegen 
den Inhalt künstlerischer Darstellungen durch Einkleidung in die Formen 
und Farben der Gegenwart sich nahe zu bringen. Auch die Italiener, 
als sie im 15. Jahrhundert auf die Antike als Formenideal zurückgin 
gen , thaten es in dem guten Glauben, dass ihr Volksthum die Römer 
mit einschliesse. 
Hauptvertreter der französischen Richtung in der belgischen Kunst 
sind die beiden in Paris ganz und gar eingebürgerten Maler: Wil 
lems und Stevens. Ueber den ersteren kann man sich kurz dahin 
fassen, dass er hinter dem Vorgesetzten Muster, den sogenannten hol 
ländischen Stoffmalern, unendlich weit zurückbleibt, und seine in Seide 
und Atlas gekleideten Frauen durchaus nicht den Ausdruck behagli 
cher, genussreicher Existenz besitzen, wie die Gestalten Terburg’s oder 
Nets cher’s. Es sind meistens nur Ladenmädchen, die elegante Roben 
probeweise angezogen haben. Grösseres Interesse weckt Alfred 
Stevens. Er hat, in der Sprache der Pariser Ateliers zu reden, eine 
Specialität ausgebildet und sich dadurch das Recht auf Anerkennung 
erworben. Aus der Pariser Frauenwelt greift er das eine und andere 
Modell auf, versetzt es in einen eleganten Salon, und lässt es lesen, 
schreiben, stricken, vor dem Spiegel stehen oder auch mit einer zweiten 
Person ein leises Gespräch führen. Den unbedeutenden Vorgang durch 
einen pikanten Bildertitel anziehender zu gestalten, überlässt er geist 
reichen Freunden. Er selbst lacht wahrscheinlich darüber, dass er in 
seinen kleinen Bildern einen „Frühlingsstrahl“ oder „verlorene Illusio 
nen“ oder „eine erste Genugthuung“ u. s. w. geschildert haben soll. 
Auf den Inhalt legt er nicht das geringste Gewicht; ihn interessirt 
allein das Problem, ob es möglich sei, ein ganzes Bild auf einen ein 
zigen Farbenton zu stimmen, denselben soweit zu nuanciren, ohne zu 
Contrastfen die Zuflucht zu nehmen, dass die Darstellung nicht allein 
durch die Harmonie, sondern auch durch die Wahrheit des Colorits 
das Auge erfreue. Abgesehen davon, dass wir häufig einen hässlichen 
Kleiderschnitt und einen gemeinen Kopftypus in Kauf nehmen müssen, 
erscheinen diese Farbenkünste wohl gelungeu. Freilich wird der Ein 
druck gar sehr geschwächt, wenn man viele Stevens-Bilder neben ein-
	        
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