30 Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart.
ander erblickt. Als Decorationsarbeiten üben sie nur in einer bestimm
ten Umgebung ihre volle Wirkung, und jedes dieser Bilder verlangt
überdies eine andere Umgebung. Erst wenn die Tapeten des kleinen
Salons oder Boudoirs, die Portieren, die Vorhänge nach Farbe und
Muster übereinstimmen, auch die Meubel gut gewählt und geordnet sind,
gewinnen die Bilder von Stevens ihren hauptsächlichen Reiz und die
Kunst des Malers ihren vollen Werth. Ob eine Kunstweise aber hohe
Achtung verdient, die freiwillig auf jeden geistigen Gehalt verzichtet,
und sich begnügt, als Augenkitzel zu dienen, steht dahin. Eine chi
nesische emaillirte Platte an die Stelle eines Bildes von Stevens ge
setzt, würde nicht immer gleich als Verwechslung bemerkt werden.
Die Vertretung der belgischen Altmeister: Wappers, de Keyser,
de Biefve, Gallait ist in der Wiener Ausstellung gar dürftig ausge
fallen. Dem Ruhme Gallait’s insbesondere wäre es zuträglich gewesen,
wenn sein Papstportrait und seine beiden allegorischen Bilder: Krieg
und Frieden unsichtbar geblieben wären. Ein so trübseliger Rückgang
künstlerischer Kraft ist nur selten erblickt worden. Aus dem jüngeren
belgischen Malergeschlechte ragt E. Wauters allein hervor. Maria
von Burgund vor den Schöffen von Gent und der wahnsinnige Hugo
van der Goes, die beiden von ihm ausgestellten Bilder, zeigen eine
solide Technik und eine ernst-würdige Auffassung, die bei der sonst viel
fach herrschenden Trivialität doppelt erfreulich wirkt.
Die holländische Abtheilung, ausschliesslich aus Gemälden
bestehend, giebt zu geringeren Enttäuschungen Anlass, weil man ihr
mit keinen grossen Erwartungen entgegensieht. Die künstlerische
Production ist hier überhaupt seit langer Zeit in Abnahme begriffen,
was sie allein kräftigen könnte, die feste Anlehnung an die altheimi
schen Muster, findet sich mrr spärlich vor. Einzelne Landschaften
vonBilders zeigen vom Studium des Delft’sehen Jan van der Meer,
die Farben in den Bildern H. Ten Kate’s, besonders sein Gelb und
Roth, sind zuweilen so gemischt, dass sie ein ähnliches Aussehen wie
auf alten Gemälden empfangen. Von tieferen und weiteren Einwir
kungen ist sonst wenig zu verspüren. Vollständigen Werth besitzen
die Archikteturbilder von C. Springer in Amsterdam und Verveer
im Haag. Interesse erregen die auch im Farbentone ernst, fast düster
gehaltenen Schildenfngen von Israels, insbesondere das unter dem
etwas gespreizten Titel: Durch Finsterniss zum Licht ausgestellte Bild,
welches das Begräbniss des Familienvaters und die Trauer und den
Trost der an der Wiege sitzenden, weinenden Wittwe darstellt. Auch Me-
lanchthon’s Predigt von II. A. van Trigt zeigt von gutem Talente. Im
Ganzen und Grossen offenbaren die Proben holländischer Kunst kein
ausdrucksvolles, irgendwie bedeutsames Wesen.
Bei der Erwägung der Schicksale unserer Kunst in den letzten
Jahrzehnten kommt man unwillkürlich zu dem Glauben, dass ähnlich