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Volltext: Die bildenden Künste der Gegenwart

Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 
Oft führt auch der Besitz grösserer geistiger Bildung zu einer Täuschung 
über dasMaass gewonnener Fachtüchtigkeit und verleitet zu dem Glauben, 
dass jene die letztere ersetze, ihr Ungenügen verdecken kann. Es ist 
bezeichnend, dass viele unserer Maler ein wissenschaftliches Interesse 
an der Kunst nehmen, dass dagegen über ihre geringe Lust und auch 
geringe Befähigung, in das Kunstgewerbe belebend und fördernd ein 
zugreifen, nicht selten Klage geführt wird. Die deutsche Kunstindustrie 
hat auf der Wiener Ausstellung keine glänzende Bolle gespielt, sie 
wurde auf vielen Gebieten geschlagen, und zeigte nirgend eine kräftige 
Initiative, einen sicheren Fortschritt, ein klares Ziel. Die Schuld 
daran trägt zu nicht geringem Theile die gewöhnliche Künstlererzie 
hung. Sie lässt eine weite Kluft zwischen Kunst und Handwerk be 
stehen. Das Vorherrschen allgemeiner ästhetischer Bildung in unseren 
Künstlerkreisen erschwert dem jungen Manne, der von der technischen 
Arbeit kommt, den Eintritt in dieselbe, der Mangel an technischer 
Schule verhindert die Künstler, sich einen erfolgreichen Wirkungskreis 
auf dem Gebiete der Industrie zu erobern. Dieser den Abhub der 
Künstlerschaft zuzuführen, kann natürlich Niemand wünschen, damit 
wäre auch der Industrie nicht geholfen. Es waltet aber doch zwischen 
dem tüchtigen Kunsthandwerker und dem vollendeten Künstler ein 
wichtiger Unterschied. Stände es so bei uns, dass die artistische Er 
ziehung Beiden in höherem Maasse gemeinsam wäre, als es meistens 
bisher der Fall ist, so würde später keine so bedenklich schroffe Kluft 
entstehen, die beiden Kreise sich naturgemäss freundlich gegen einander 
öffnen. Die Eigenthümlichkeiten unserer Künstlererziehung werden 
übrigens, seit die coloristische Dichtung in der Malerei so grossen Beifall 
findet, auch in Bezug auf diese als Mängel empfunden. Man tröstet 
sich und sucht Abhilfe in doppelter Weise. 
Man betont den „geistigen Gehalt“, welcher die deutschen Kunst 
werke auszeichne, oder sucht durch Anlehnung an fremde Meister, durch 
die Aneignung eines praktischen Lehrganges den bestehenden Mängeln 
abzuhelfen. Daher stammt der häufige Besuch Pariser Ateliers, das 
Studium und die Nachahmung der französischen Malerei. In einigen 
Jahren wird man wahrscheinlich die Frage aufwerfen, ob eine Kunst 
richtung, die doch schliesslich nur erborgt ist, auf dauernden Werth 
Anspruch erheben könne, und ob es nicht rathsam sei, jene Kunst weise 
am eifrigsten zu pflegen, welche mit unserer Natur, unserer Anschauung 
und unseren Ueberlieferungen überein stimmt, unabhängig von der Fremde 
aus heimischen Wurzeln entwickelt werden kann. Vorläufig, ist die 
Strömung noch zu stark, als dass man sie mit Erfolg stauen könnte. 
Wir müssen den Ausgang ruhig abwarten, an der Zuversicht uns stär 
kend, dass der jetzt mit einer gewissen Hast und Ueberstürzung einge- 
schlagencWeg doch auch Gewinn für unsere Kunst abwerfen, insbeson 
dere die Summe der Ausdrucksmittel vermehren werde. Einen nicht 
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