44 Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart.
aus dem römischen, Volksleben in den weitesten Kreisen beliebt sind.
Noch in den letzten Jahren siedelten mehrere hervorragende Künstler
wie Lenbach, v.Angeli, nach Wien über. In welchem Grade ihr und
Makart’s Wirken auf die Wiener Kunst Einfluss üben wird, lässt sich
noch nicht bestimmen, zumal die ökonomischen Erschütterungen, welche
Wien im Frühling 1873 erduldet hat, den Boden der Wiener Kunst
nicht unwesentlich verändern dürften. Die Mannigfaltigkeit des öster
reichischen Kunstlebens wird nicht allein durch die verschiedenartigen
Strömungen, die neben und nach einander herrschten — man entdeckt
noch Nachzügler der älteren akademischen Richtung, Romantiker, wie
Steinle, begegnet den Nachwirkungen Rahl’s, stösst auf Schüler
Piloty’s —, sondern auch durch die zahlreichen nationalen Besonder
heiten, die Oesterreich beherbergt, bedingt. Zu einer nationalen For
mensprache ist freilich keiner der nichtdeutschen Stämme Oesterreichs
gekommen, am wenigsten der magyarische Stamm, dessen berühmtester
Vertreter in der Kunst, M. Munkäcsy, in seinen jüngsten Bildern
(Nachtschwärmer, die butternde Alte) ganz und gar dem französischen
Einflüsse unterliegt und offenbar bemüht ist, Ribot’s aus schwarzen
und weissen Tönen gemischtes Colorit nach Ungarn zu verpflanzen.
Zumeist bemühen sich die nichtdeutschen Maler in Oesterreich durch
die Wahl der Gegenstände, durch sogenannte patriotische Stoffe und
durch die Aufnahme ethnographisch interessanter Typen ihre nationale
Selbstständigkeit zu bekunden. Die grösste Bedeutung unter ihnen
nimmt der Pole Matejko in Anspruch. Sein kräftiger Farbensinn
kommt namentlich in der Malerei reicher Prunkgewänder zur Geltung'
sein scharfes Auge befähigt ihn, die charakteristischen Racenunter-
schiede treu wiederzugeben, er verfügt überdies über ein gut geübtes
Compositionstalent und weiss grosse Flächen mit Leichtigkeit mit Fi
guren zu füllen. An den fremdartigen Gegenständen der Darstellung
liegt es, dass wir seine Bilder meist nur mit Neugierde betrachten. Die
politische Unbedeutendheit der kleinen Stämme zeigt diesen ihre Vergan
genheit in hellem Lichte erglänzend und verleitet sie den historischen
Ereignissen ihrer Heimath an und für sich eine künstlerische Brauch
barkeit beizulegen, während historische Ereignisse doch nur dann
künstlerisch verwerthbar sind, wenn auch allgemein menschliche Empfin
dungen in ihnen erklingen.
Zur Begründung nationaler Kunstschulen reicht vorläufig die
Kraft der slavischen Völker nicht aus, sie entbehren einer geschlosse
nen Bildung, welche auf den Formensinn anregend wirkt und eine
eigenthümliche Kunstanschauung schafft. Das Gleiche gilt von den
übrigen Nebenländern des Kunstreiches, von den skandinavischen Län
dern und der Schweiz. Eine Reihe tüchtiger Kräfte ist hier überall
thätig. Wir heben aus der schwedischen Künstlergenossenschnft her
vor die Genremaler: Fagerlin, Jernberg, Nordenberg, die