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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 8
dessen Leben lind Wirken schildert, und dessen einzelne
Werke genau beschreibt.
Die Periode von Utamaros Manierismus dauerte auch
nicht lange, beiläufig ein Jahrzehnt, dann war der künst
lerische Fieberrausch erloschen und mit ihm Utamaros
Lebenskraft.
Als Beispiel dieser Periode bringe ich ein Bild
(Fig. 2), das zu der Serie gehört, welche Dr. Kurth in dem
Werke über Utamaro unter Nr. 417 »Seiro niwaka bi-jin
awase«, das heißt, Sammlung schöner Frauen beim
Niwaka-Feste (eine Art von Karnevalfeier im Yoshiwara-
vicrtcl) anführt.
Fig. 2. Utamaro.
Die Zahl der Blätter ist unbestimmt. Dr. Kurth be
schreibt drei Blätter, unseres wäre ein viertesBlatt.
Das Blatt stellt eine Szene aus dem Drama »Oshie kusa
voshiwara susume mit der Oiran Hinatsuru aus dem
Hause I'shi-zia« vor. Das Drama wurde wahrscheinlich
während des Niwaka-Festes im Yoshiwaraviertel aufge
führt. Die Handlung dieses Dramas zu schildern, bin ich
jedoch nicht in der Lage, auch fehlt mir noch der Name
der zweiten Frauengestalt. Die Lesung ist hier schwer,
da die Inschrift etwas beschädigt ist. Vielleicht gelingt
dies einem der Leser des Artikels.
Man beachte auf diesem Bilde nur die langen,
schmalen Köpfe auf den dünnen Hälsen, die zarte, nervöse
Hand und die kleinen Augen wie den übermäßig kleinen
Mund, und man wird mir recht geben.
Das unter Nr. 1 von mir veröffentlichte Blatt dürfte
auch zu dem von Dr. Kurth in seinem Werke »Utamaro«
unter Nr. 168 erwähnten Triptychon gehören. Es heißt
daselbst wörtlich: »168, Kollektion Goncourt Nr. 1375
beschreibt das mit dem vorigen sicher verwandte Trip
tychon: »Herstellung von Drucken.« (»Frauen befeuchten
das Papier mit der Bürste und lassen es auf einer Leine
trocknen. Andere glätten das Holz mit Klöpfelschlägen,
schneiden die Bilder hinein, oder schärfen die Geräte
dazu. Andere endlich prüfen die Holzschnitte, die soeben
abgezogen sind.« Es ist bemerkenswert, daß auf diesem
Triptychon ausschließlich Frauen tätig sind.)
Zur näheren Erläuterung betreffs des Hinweises auf
| die vorige Nummer füge ich bei, daß Dr. Kurth daselbst
j bringt: »Yedo mei ban nishiki-yc tagayashi,« das heißt,
die Pflege der berühmten Brokatbilderdrucke in Yedo.
Er beschreibt dabei zwei Blätter, welche den Verkauf
der Holzschnitte und das Kontor des Verlegers Tsuruya
in Yedo darstellen.
Da das von Dr. Kurth unter Nr. 168 erwähnte Trip
tychon nur im allgemeinen von Goncourt be
schrieben erscheint, so will ich zur Ergänzung auf diese
Darstellung näher eingehen. Zu bemerken ist hier, rechts
oben am Blatte, ein längliches Schild, worauf der Titel
des Blattes geschrieben steht. Er lautet: »Yedo mei
budsu nishikiye kosaku,« das heißt, Yedos Sehenswürdig
keiten, die Brokatbildererzeugung. Daneben links steht
die Legende: »Hangishi tshokoku shite nawashino yori
honden-e utzushi uyuruzu,« das heißt, die Holz-
schneiderin überträgt das Bild vom Original auf das Holz
durch Schnitzen.
Damit ist den Laien gesagt, was das Bild dar-
stellen soll.
Ferner sehen wir am Bilde im Vordergründe ein
Mädchen hockend, das auf einem eckigen Schleifsteine,
welcher in einem mit Wasser gefüllten Bottich steht,
ein Messer schleift. Hinter ihr rechts sitzt in derselben
Stellung ein zweites Mädchen, welches in die Holzplatte
die feinen Umrißlinien durch die aufgeklebte Original
zeichnung hineinschneidet. Hinter ihr befindet sich ein
drittes Mädchen mit aufgelöstem Haar, das mit Meißel
und Schlägel arbeitet. Es verrichtet offenbar die gröbere
Arbeit. Nachdem das zweite Mädchen die feinen Umrisse
in das Holz hineingeschnitten hat, meißelt es das Ueber-
fliissige, mit sorgfältiger Beachtung der eingeschnittenen
Randlinien, hinweg. Am Boden liegen noch verschiedene
Holzplatten, und unter dem niedrigen Arbeitstischchen
des zweiten Mädchens steht eine Schale, wahrscheinlich
mit einer öligen Flüssigkeit, die zum Befeuchten des
Messers dienen soll. Auf dem Tischchen liegen noch zwei
Messer und an der Wand hängt eine Landschaft.
Was die Farbengebung anbelangt, so ist das messer
schleifende Mädchen mit einem, irn lichten Tone ge
haltenen grünlich-blauen Kleide (Kimono) bekleidet,
darüber ist ein roter Gürtel (Obi) gebunden. Das Kleid
hat einen schwarzen Kragen, worunter ein violettes,
weißgemustertes Unterkleid hervorsieht. Die Holz
schneiderin hinter ihr hat ein braunes Kleid, ebenfalls
mit schwarzem Kragen, darunter ein violettes Unterkleid
und einen schwarzen, gelbgemusterten Gürtel. Das
dritte Mädchen, mit dem Schlägel in der Hand, trägt ein
kobaltblaues, weißgestreiftes Kleid und einen roten, gelb
gemusterten Gürtel. Bei allen dreien ragt bei den weiten
Aermeln das unterste, also dritte, hemdartige rote Ge
wand (suban) hervor. Der Hintergrund ist lichtbrauner
Ocker.
Wir lernen durch diese Darstellung die Arbeit des
japanischen Xylographen kennen, sehen, welcher Instru
mente er sich bedient und wie er seine Arbeit verteilt.
Ganz richtig weist Dr. Kurth darauf hin, daß es be
merkenswert ist, daß bei dieser Darstellung ausschließ
lich Frauen tätig sind. Es ist dies aber nur bezeichnend
für Utamaro, den großen Frauenfreund, auf den ich in
meinem nächsten Aufsatze noch zurückkommen will.
Nr. 8
internationale Sammler-Zeitung.
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Morgans Kunstsammlungen.
Von Adolf Donath (Berlin).
Mit Pierpont Morgan, der dieser Tage in Rom
starb, verliert der Kunstmark seinen größten Förderer
und seinen — gefährlichsten Gegner. Fr ist es gewesen,
der die »amerikanische Gefahr« beschwor, die flutartig
über Museen und Sammlerwelt hereinbrach und mit
ihren ungezählten Millionen alle am Golde gemessene ;
große Kunst verschlang. Aber Pierpont Morgan hat
zweifellos auch mit seinen Millionen eine Kulturtat voll
bracht, indem er Großes und Bedeutendes, um das sich j
Amerika vielleicht nie gekümmert hätte, für sein Land
gewann und dann schließlich durch sein Verketten von j
Kunst und Geld doch wieder das Kulturbewußtsein der i
Europäer gestärkt hat. Europas Opfermut entriß ihm
manches »Opfer«. Holbeins »Königin Christine« oder
V e 1 a s q u e z’ »Venus und Cupido« wären für die Na
tional üalery in London verloren gegangen, wenn die j
Engländer sich nicht zusammengetan und die 2 Millionen
für Holbein und die 1,200.000 Mark für Velasquez ge
zeichnet hätten.
Pierpont Morgan ist der temperamentvollste unter
den neuen Sammlern gewesen, und kein Parvenü des j
Kunstmarktes, sondern einer, dem das Sammeln im Blute [
saß. Sein Vater hatte ihm stattliche und wertvolle Kunst- j
schätze hinterlassen, die Mr. Pierpont eifrig studierte
und mit Hilfe der Kenner sicher und stark auszubauen
suchte. Und daß er für manche Gebiete des Sammler
wesens sogar eine nicht gewöhnliche Kennerschaft be
saß, beweist seine systematisch angelegte Kollektion von
alten Handschriften und Drucken.
Den umfangreichsten 'Feil seiner Sammlungen bildet
die des alten Kunstgewerbes. Hier hat Morgan
im Laufe von knapp zwei Jahrzehnten dank seinen |
Riesenmitteln Stücke von allererstem Rang zusammen- ^
gebracht. In keiner Privatsammlung der Welt steht eine j
so erlesene Serie alter Liinusiner E m a i 1 s — man kennt
sie schon aus dem Londoner Kensington-Museum, wo sie
bis zum Dezember 1912 mit dem größten Teil des übrigen
Morganschcn Kunstgewerbes ausgestellt waren — keine
Privatsammlung enthält eine so köstliche Kollektion von
Majoliken, Gläsern, Goldschmiedearbeiten. Und viele
Hauptstücke dieser und anderer Abteilungen stammen
aus Berliner Privatbesitz. Sein altdeutsches Silber hat
Morgan von Geheimrat Eugen Qutmann erworben,
viele von seinen italienischen Renaissancearbeiten, wie
die Skulpturen und etliche Kleinbronzen, stammen aus
der Sammlung Oskar Hainauer, deren wissenschaft
liche Bedeutung in Bodes Katalog gewürdigt wird, seine
seltensten Uhren aus der Berliner Sammlung M a r f e 1 s.
Und man weiß auch, daß Pierpont Morgan wiederholt
auf den großen Berliner Kunstauktionen vertreten war.
In den denkwürdigen Auktionen Lanna bei Lcpke zahlte
für ihn Jacques Seligmann in Paris manchen Rekord -
preis.
Morgans Bronzen, die wir zum Teil in Paris ge
sehen haben, stellen einen ebenso unvergleichlichen
Kunstbesitz dar wie seine Handschriften, Drucke, Emails
u. s. w. Und auch seine Gemäldesammlung steht an der
Spitze der hervorragendsten Privatgalerien der Welt,
wenn auch ihr Besitz an R e m b r a n d t s nicht den der
amerikanischen Sammlungen Altmann, Widcner, Heve-
meier erreicht. Aber Morgans Italienerkollektion, in der
Raffaels Madonna di St. Antonio das Glanzstück ist
— er hat hiefür 2 Millionen Mark gezahlt — steht einzig
da. Ebenso bilden seine Holländer Hals, Vermeer,
Pieter de Hooch und Hobbema sind hier qualitativ und
quantitativ am stärksten vertreten — eine Sammlung von
unerreichter Schönheit.
Schließlich befindet sich in Privatbesitz kaum eine
Engländer - Sammlung, die so erstklassige Quali
täten aufzeigt, wie die Morgansche. G a i n s boroughs
Herzogin von Devonshirc, Lawrences Miß
Farreri, Reynolds Lady Demle sind die Haupt
werke dieser englischen Großmeister des achtzehnten
Jahrhunderts.
Die Sammlung Dr. Oertel.
Von Theodor Demmler (München).
Die Sammlung Oertel erhält ihren Charakter
durch die Ausschließlichkeit, mit der der Besitzer sich
jahrelang den Werken der deutschen Plastik, vornehm
lich der süddeutschen Altarbildnerei, zugewendet hat.
Sein Sammelgebiet umfaßte vor allem Ober- und Nieder -
bayern, Schwaben und den Oberrhein. Daß dabei die
Stücke stark überwiegen, die zwischen 1480 und 1530
entstanden sind, versteht sich von selbst. Ueberraschend
ist nur die Fülle von bodenständiger Eigenart und
quellender Schaffensfreude auf einem stofflich, zeitlich
und örtlich so eng begrenzten Gebiet. Aber nicht bloß
von der Entstehungszeit dieser Schöpfungen gewinnt
man ein ungeahnt reiches und deutliches Bild, auch der
Wandel des Interesses für diesen Zweig unserer heimat
lichen Kunst spiegelt sich in dem Zustand der Figuren:
die naive Freude des 18. Jahrhunderts, das den alten
Statuen so oft das Gewand neuer, dem eigenen Ge
schmack entsprechender Farbe aufnötigt, die Nüchtern
heit des frühen neunzehnten, das sie verstümmelt und ver
schleudert, die historische Stimmung des späteren, das
sie ergänzen und stilgerecht erneuern will und in wohl
gemeintem Eifer fast ebenso oft unersetzliche Werte
vernichtet und der Geist unserer Tage, der mit ein
dringenderem Verständnis der künstlerischen Absicht
des Schöpfers nachspürt, von dem ursprünglichen Zu
stand soviel wie möglich zu retten sucht, und je länger
je mehr den Resten deutscher Holzbildnerei denselben
Schutz vor unbefugten Eingriffen sichern möchte, den
der antike Torso längst genießt. Es ist ein Glück für die
Sammlung Oertel, daß sie ihre Entstehung dieser letzten
Periode verdankt, und daß mit wenigen Ausnahmen die
| Stücke nicht älteren Sammlungen entnommen, sondern,
an der Quelle erworben sind. So fehlen jene auf den
| Liebhabergeschmack zurechtgestutzten, jene allzu stark
i »zusammengestimmten« Figuren fast ganz. Die Er-
| neuerungen, die der Katalog verzeichnet, sind fast durch-