fiebt eine Klaffe von jungen Leuten, die die alten Zeiten und
Sitten befpötteln, ohne daß fie imftande gewefen wären, ficb
über vulgäre Nachäfferei und fcbale, fkeptifdie Gemeinplätje zu
erbeben. Was ift aus den bezaubernden und vornehmen Hn=
lagen geworden, die ihnen ihre Väter vererbt haben müffen?
Kt es nicht möglich, daß das Befte diefer Eigenfchaften ficb in
bloßen Ehrgeiz verwandelt haben kann, in einen fo übermädv
tigen Ehrgeiz, daß er den Charakter erfcböpft, ihm alle Kraft
und altes Gleichgewicht geraubt bat. □
Fiber auf jene Vergangenheit, die eine jüngere Generation
jetjt gering zu fcbätjen vorgibt, wird Japan dereinft fo zurück-
blicken, wie wir auf die altgriecbifcbe Kultur. Es wird zu der
fcbmerzlicben Erkenntnis gelangen, daß es die Fähigkeit zu ein-
fadier Lebensfreude eingebüßt hat, wird den Verluft des gött
lichen Vertrautfeins mit der Natur beklagen und der wunder-
famen Kunft nacbtrauern, die fie widerfpiegelte. Es wird ihm
dann klar werden, wieviel leuchtender und fcböner die Welt
damals war, - es wird vielen Dingen nachtrauern, - der alt-
väterifchen Geduld und Selbftverleugnung, - der alten Höflich
keit, - der tiefmenfcblicben Poefie des alten Glaubens. Es wird
ficb auch über vieles wundern, doch mit leifer Wehmut — am
meiften vielleicht über die Geflehter der alten Götter, weil ihr
Lächeln einft das Spiegelbild ihres eigenen Lächelns war. □
IZUMO ift das eigenartigfte Buch LFIFCFiDIO HEHRN 3 . Ein felt-
fam neuer Ton klingt an, der in den anderen, früheren Büchern
nicht zu vernehmen war. Eine leife Klage, die in der großen
Begeifterung über Japans Vorzüge um fo bedeutfamer ift. Huch
die feböne Nationalkultur, die HEHRN in fo beredten Worten
fcbildert, fcheint im Sinken und die Frage bleibt ungelöft, ob
der edle Kern für das moderne Japan gerettet wird. Die Kluft
zwifeben der modernen Bildung in Japan und der febönen
alten Nationalkultur, die noch in den Provinzen vorhanden ift,
fcheint groß. □
GLOBTROTTERS THGEBUCHBLHTTER
In den obigen Büchern find die Dinge mehr vom Standpunkt
des Orients angefeben, allerdings mit den verfeinerten und
empfänglichen Sinnen einer mehr oder weniger dichterifcben
Kraft. Es ift nicht ganz unintereffant, in diefem Zufammenhang
auch den Gegenfat) zu kennen. Ich meine die THGEBUCH„
BLHTTER HUS SIBIRIEN, JHPHN, HINTERINDIEN, HUSTRH-
LIEN, CHINH, KOREH, von MHX HUBER, verlegt bei Scbultbeß &
Co. in Zürich. Eine gleicbfam biofkopifche Darftellung von Reife
eindrücken, wie fie fleh europäifchen Hugen darbieten, die un
gefähr wie der Kodak funktionieren, aufnehmend, was an der
Oberfläche liegt, zutreffend und doch verzeichnend, pbotograpbifcb
getreu, und dennod) unzulänglich, wie alles bloß pbotograpbifcbe.
So urteilt Max Huber beifpielsweife über die Japaner:
»Die meiften Reifenden in Japan find voll Bewunderung für
Land und Leute. Hnders lauten aber im allgemeinen, ja faft
ausnahmslos die Urteile, welche die in Japan niedergelaffenen
Europäer und Hmerikaner über das japanifebe Volk fällen;
namentlich die Kaufleute üben oft eine geradezu vernichtende
Kritik an ihren eingeborenen Klienten und Hngeftellten. Diejenigen
Europäer, die als Diplomaten, Gelehrte oder Künftler mit den
höheren Ständen in Berührung kommen, oder die auf Reifen oder
auf Grund eingehender Kenntnis der Sprache mit dem von den
neuen Strömungen noch wenig oder nicht berührten Volk ver
kehren, gelangen in der Regel zu einer bedeutend günftigeren, oft
faft idealen Huffaffung von den Japanern. Diefe Leute find es,
welche durch Literatur und Preffe bauptfäcblicb die Huffaffung
Europas und Hmerikas über Japan bilden helfen und deshalb
die Veranlagung find, daß die Japaner nach Hnficbt vieler Japan
reifenden falfcb beurteilt und in ihrer nationalen Eitelkeit noch
beftärkt werden. Da aber die japanifebe Kaufmannfcbaft für die
Europäer den wiebtigften Teil des japanifchen Volkes bildet,
dürften folgende, vielleicht in einzelnen Punkten nicht ganz un
befangene Urteile von in Yokohama lange angefeffenen Kauf
leuten verfebiedenfter Nationalität von Intereffe fein. □
Die Japaner bewundern nie etwas an Europa oder drücken
dies wenigftens nie aus, während fie von den Europäern in
der Regel verbätfcbelt, vergöttert und ftets überfcbätjt werden.
Im allgemeinen fehlt den Japanern das Verftändnis für die vom
Weften übernommenen Dinge, fo z. B. für Mafcbinen. Durchaus
nicht ungebildete Japaner fragen oft: gibt es in Europa Eifen-
babnen? Solche naive Fragen find ebarakteriftifeb. Die Japaner
wollen immer alles beffer wiffen und fueben immer, ficb
fo fchnell als möglich der europäifchen Lehrer zu entledigen.
Sie haben nicht die Geduld, etwas gründlich zu lernen, z. B.
haben fie Lokomotiven importiert, aber nicht ordentlich fahren
gelernt, und fo richten fie ihr Material rafcb zugrunde. Sie
fuchen ftets die europäifebe Mithilfe zu verleugnen. Huf Ma
fcbinen z. B. werden oft europäifebe Firmenfcbilder entfernt oder
an von europäifchen Hrcbitekten errichteten Gebäuden Tafeln
angebracht, welche das Verdienft irgend einem Japaner zu»
febreiben. Die europäifebe Kultur bat Japan urfprünglicb nur
angenommen, um die fremden Barbaren defto beffer wieder
abfcbütteln zu können, eine Huffaffung, die beute wieder viele
cbinefifche Patrioten für China vertreten. □
Es ift auch durchaus nicht ausgefcbloffen, daß eine allgemeine
Fremden- und Cbriftenbetje entftünde, wenn Japan in einen für
die Japaner verhängnisvollen Krieg mit einer oder mehreren
europäifchen Mächten verwickelt würde. Hllerdings würde die
Regierung die Europäer in Scbutj nehmen wollen; aber es wäre
wohl möglich, daß fie hierzu gegenüber einem wilden Hufflackern
des Chauvinismus nicht imftande wäre. Die 250 Jahre, während
welcher Japan faft bermetifcb gegen den Weften abgefcbloffen
war, haben im Volk Spuren hochmütigen Nationalftolzes und
Fremdenbaffes zurückgelaffen. Hllerdings ift diefe Hntipatbie
gegen die Europäer im Hbnehmen, und die Regierung empfiehlt
den Untertanen freundliche Gefinnungen gegen die Fremden.
Gleichwohl bat der Unterricht in den ftaatlichen Schulen die
Tendenz, das Nationalgefübl der Japanar unmäßig zu fteigern,
denn im Zufammenbrucb der alten Überlieferung fucht man
wenigftens die traditionelle Loyalität gegen Thron und Vater
land intakt aufrecht zu halten. □
Sehr gereizt ift man in Yokohama über die neuen Verträge,
welche nach dem Vorgang Englands feit 1896 alle europäifchen
Staaten, fowie Nordamerika mit Japan gefchloffen haben. Huf
Grund diefer ift im Jahre 1899 an Stelle der früheren Exterri
torialität der Fremden deren unbedingte Unterordnung unter
die japanifebe Staatsgewalt getreten. Damit ift allerdings nur
das eingefübrt worden, was auf Grund der Niederlaffungs- und
Handelsverträge in ganz Europa und Hmerika Brauch ift; aber
die Fremden haben nur böcbft ungern auf ihre Privilegien mit
Bezug auf Steuern, Hutonomie in ihren Settlements ufw. fowie
auf ihre Konfulargerichte verzichtet. □
Bis jetjt bat man allerdings noch wenig gemerkt von den
Folgen der Unterftellung der Europäer unter japanifebe Juris
diktion, da - wenigftens in den erften Jahren - die Regierung
keinen Hnlaß zu Proteften geben will. Die japanifchen Richter
entbehren genügender Bildung zurzeit, es ift auch ganz un
möglich, daß fie ficb jetjt febon dem gänzlich fremden Recht an
paffen konnten, denn die Zivilprozeßordnung ift beifpielsweife
fcblecbtbin eine Kopie der deutfehen. Die Kaufleute verfueben
das Hußerfte, um die Führung von Prozeffen gegen Japaner
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