STÄDTEBAU UND STÄDTEBILDER
HLT'HfSMBURG
Fleet
Hlte Gvöninger=
ftraße
Hof
Bauernknecht=
graben 23
blühendes Geranium oder eine Fucbfia heraus. Den Hintergrund
bildet ein Querhaus mit hohem roten Dach, und darüber fcbaut
der fcböne große St. Micbaelsturm hinein. Hier ein paar fpie«
lende Kinder, da eine Hausfrau vor der Tür fixend und Kar=
toffel fchälend, da ftrickt ein Großmütterchen in altertümlicher
Kraufenhaube, eine Brille auf der Nafe. □
Ein anderer Hof, mehr ein Hofplat), fo geräumig ift er. Etwas
höhere Häufer, Fenfter für Fenfter voller Blumen. Gott weiß,
wie ficb die eine fchön gefchnit)te Rokokotür hierher verirrt bat,
fie ftammt gewiß aus einem Abbruch im Kaufherrenviertel von
vorhin. Rechts eine Tifchlerwerkftatt. An dem einen Haufe ein
Brunnen. Hoch ftreckt ficb ein Baum daneben empor, um fo
viel Licht als möglich zu erbafchen. Und da hinten — find wir
in einer Bergftadt? - da feben wir auf grüne Dächer und Scborm
fteine hinab, über die ein kleines, fchmuckes grünes Türmchen,
es ift das des alten Ratbaufes, berüberguckt. Gern läßt man
uns in eine Wohnung im zweiten Stock eintreten, wo wir, wie
ein kleines Mädchen fagt, noch beffer auf die Dächer da binum
ter feben können. Es ift nicht gerade ein Däcbermeer, das wir
erblicken, ein paar hohe Häufer rechts und links verfperren
einen weiteren Blick, fo arg hoch etwa, wie auf der Albrechts-
bürg in Meißen, fteben wir ja auch nicht - aber ein anmutiges
Bild ift’s gleichwohl. Wir blicken in zwei andere Höfe hinunter.
einer nur ein Hinterhof hinter ein paar größeren Häufern,
Wäfcbe bängt zum Trocknen, allerlei Gerät ftebt herum, auch
hier ein hoher, grüner Baum — der andere ein langer Wobnbof
mit niederen Häufern, fpielenden Kindern. Im Hintergrund
höhere Häufer, alte und neue, daneben das Türmchen des alten
Ratbaufes. □
Enge Straßen und Höfe haben wir durchfcbritten - eine Straßen^
biegung, und erftaunt bleiben wir fteben — da plötjlicb, rechts
und links zwar noch einfache Häufer, wie wir fie eben fahen,
aber geradeaus zwei vornehme Häufer mitten drin, eins davon
ein wahres Palais, erinnernd an fürftliche Schlöffer. Es muß
ein Meifter erften Ranges fein, der’s gebaut bat. Schöne große
Pilafter mit prächtigen Kapitalen erbeben fich bis zum breiten
Dacbgefims, über dem ein einfacher Giebel fich erbebt. Über
den Fenftern des erften Stockes gekreuzte Palmzweige, daneben,
in den Pilaftern angebracht, eine Reihe antikifierender Büften.
Im Erdgefchoß ein Portal derart, wie wir’s in Katbarinenftraße
und Grimm gefeben. Aber dabin ift fein Glanz, Läden find
ins Erdgefchoß gebrochen, oben find kleinere Mietswobnungen,
verwahrloft, fcbmutjig grau ift der äußere Gefamtanblick. —
Kein fo gemütliches Bild wie die alten kleinbürgerlichen Straßen,
auch nicht fo ftolz, wie trotj aller Zeitänderungen die alten
Patrizierbäufer, vielmehr ein wahrhaft wehmütiges Bild: Sic
164