MAK

Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

TECHNIK UND KUNST IM GEWERBE 
das Rauchen fcbmeckte nicht mehr, der Wein und ein Kirfch auch 
nicht, alle Töpferleiden begannen fich auf einmal zu regen und 
eines fchönen Tages hatte der fUtmeifter feinen lebten Atemzug 
getan. Seine Frau, die treue Pflegerin und Mitarbeiterin, weinte 
fehr um den nun nach dem Töpferhain abgerufenen Gatten. 
St. Goar bat ihm dort gewiß nicht den geringften Fiat} angewiefen. 
Meifter Benz ift aber nicht der Einzige, welcher mißtrauifcb 
auf das moderne Wollen in der ganzen Keramik fab. Es find, 
man darf wohl kecklicb behaupten neun Zehntel fämtlicher 
Meifter, die fich geradezu feindfelig gegen alle Neuerungen auf 
lehnen, denen nur die Belehrung helfen kann, welche Sache und 
Pflicht der verfchiedenen Regierungen jener Länder ift, wo diefes 
Kunftbandwerk feinen Sit) bat. Man foll den Meiftern aber nicht, 
wie es bisher meift gefebab, Profefforen in Zylinder, Gebrock 
und Seidenbandfcbuben auf den Hals fcbicken und jene ehrlich 
guten Seelen noch febeuer machen. Könnten diefe mit ebemifeben 
Wiffenfchaften und anderem zufammengeklaubten, unpraktifeben 
Zeug vollgepfropften Herren Hpoftel bei ihrem Werdegang das 
mitleidige, verfcbmitjte Töpferlächeln fehen, das ihnen als Dank 
für den Aufwand an Wiffenfchaft nachgefandt wird, wahrlich 
fie würden — und wenn es fie in ihrem Profefforendünkel noch 
fo fchwer ankäme — vor den Spiegel flehen und innerlich recht 
fehr erröten, denn äußerlich find fie ja dazu nicht mehr imftande. 
Dort würden fie am Ende den ganzen angepuderten Zauber 
ihrer keramifeben Wiffenfchaft ehrlich abftreicben, und ihrem 
Brotherrn offen gefteben: wir haben Sie getäufcht, denn wir find 
nur Laien diefer febönen Kunft, wir follten felbft noch lernen, 
aber es gebt nicht, denn wir tragen Zylinder, Gebrock und Lack- 
ftiefel; haben Sie Nachficht mit uns! □ 
Ja, wenn die Ehrlichkeit an folcben Stellen derartige Fortfehritte 
machen würde, dann »Glück zu!« der edlen Töpferei. Aber es 
wird noch viel Waffer den Rhein, auch den Neckar und die 
feböne Ifar binunterfließen, bis für das Töpfer bandwerk diefe 
Glanzperiode eintritt. • □ 
ECHTFfiRBEREI 
bgleicb die heutige Färbereitecbnik febr wohl in der Lage ift, allen 
Anforderungen in bezug auf Echtheit in der Farbe, foweit diefeüber- 
haupt erreicht werden kann, zu entfprechen, fo hat fich doch in neuerer 
Zeit auf einem Spezialgebiete, nämlich dem der Dekorationsftoffe, viel 
fach gezeigt, daß die Echtheit der Färbung außerordentlich viel zu 
wünfehen übrig läßt. Vor allem find es die von modernen Künftlem 
beliebten Farbennüancen, welche fich häufig als fehr vergänglich er 
weitern Die Enttäufchung, welche bei Anwendung derartiger Stoffe 
hervorgerufen wird, ift nicht allein eine künftlerifche, indem die vom 
Künftler beabfichtigte Farbenharmonie zerftört wird, fondem fie ift auch 
eine wirtfcbaftlicbe, indem zum Teil koftbare Stoffe einem rafchen Ver- 
fchleiß anbeimgegeben werden. □ 
Der Grund, weshalb gerade moderne Dekorationsftoffe häufig an 
Echtheit der Farbe zu wünfeben übrig laffen, liegt zum Teil darin, daß 
die Färbereiinduftrie den Wünfeben der Befteller nach ganz beftimmten 
Farbennüancen Rechnung trägt, ohne auf die etwa vorhandenen Ge 
fahren der Nicbtecbtbeit aufmerkfam zu machen, zum Teil aber auch 
darin, daß die Qualitätsbegriffe des Publikums für Dekorationsftoffe 
bei weitem nicht fo febarf ausgebildet find, als zum Beifpiel bei Kleider 
ftoffen, insbefondete bei Herrenkleiderftoffen. Herrenkleiderftoffe der 
beften Art find faft ganz lichtecht gefärbt. Die verantwortliche Perfönlicb- 
keit dafür ift der Schneider, welcher feine Kundfcbaft verlieren würde, 
wenn ein von ihm geliefertes Kleidungsftück ausginge. Er erzwingt 
daher lichtechte Stoffe von der Induftrie. □ 
In den Dekorationsftoffen fehlt eine derart verantwortliche Perfönlicb- 
keit, da die Ausftattung der Wohnung nicht in derfelben Weife organifiert 
ift, wie die Verforgung mit Kleidern. Insbefondere find die mit Auf 
gaben der Innenarchitektur betrauten Künftler der Induftrie gegenüber 
machtlos, da fie in deren Betrieb nicht mit Nachdruck eingreifen können. 
Die Aufträge, die fie zu erteilen haben, find meiftens zu klein, um einen 
nachhaltigen Einfluß auf fie ausüben zu können. Es fehlt eine Stelle, 
an der die Intereffen der Innenkünftler in der genügenden Weife auch 
dann gewahrt werden, wenn es fich um Quantitäten bandelt, die für 
die Induftrie nicht in Betracht kommen. □ 
An der Königlichen Färbereifcbule in Krefeld wird der Ecbtfärbung 
febon feit Jahren eine ganz befondere Aufmerkfamkeit zugewendet und 
der Sinn der Schüler für die Wichtigkeit der Anwendung echter Farben 
geweckt. Als Übungsbeifpiele find fortlaufend kleine Färbeaufträge 
für folcbe Arbeiten, bei denen es auf möglicbft lichtechte Färbung an 
kommt, ausgefübrt worden, fo zum Beifpiel für die Gobelinmanufaktur 
von W. Ziefcb & Co. in Berlin, für die Krefelder Teppicbfabrik, fowie 
für viele Künftler und Herfteller von feineren textilen Arbeiten. Da 
neben bat die Direktion diefer Schule bereitwilligft ihren Rat zur Ver 
fügung geftellt, wenn es fich darum bandelt, ein maßgebendes Urteil 
über die Beftändigkeit einer Farbe zu erhalten. □ 
Es befteht die Abficbt, diefen Zweig der Tätigkeit der Schule etwas 
weiter auszubauen und die Anftalt dadurch noch mehr in den Dienft 
der Öffentlichkeit zu ftellen, als es bisher febon der Fall war. Der 
Staat und die Stadt haben ficb erboten, die Mittel für eine Erweiterung 
aufzubringen, falls zunäcbft ein gewiffer Stammbetrag aus privaten 
Quellen für die Einrichtung zur Verfügung geftellt wird. Auch fernerhin 
foll die Tätigkeit der Schule ficb nicht auf folcbe größeren Poften be 
ziehen, die für die Färbereiinduftrie ein genügendes Intereffe bieten, 
fie wird vielmehr, nachdem fie ihren Rat zur Verfügung geftellt bat, 
das Färben folcber Poften an private Färbereien vermitteln. □ 
Der Verein für Deutfcbes Kunftgewerbe in Berlin feblägt vor, daß 
zum Zwecke der Aufbringung der von den Behörden vorausgefetjten 
Mittel ein Verein für Echtfärberei gegründet werde, der alle in der 
Angelegenheit intereffierten Kreife in ficb vereinigt. Um die Mitglieder 
über die Fortentwicklung der Echtfärberei ftändig auf dem Laufenden 
zu erhalten, follen vierteljährliche Mitteilungen berausgegeben werden, 
mit deren Redaktion der Verein für Deutfehes Kunftgewerbe in Berlin 
betraut werden foll. D 
Die Gründung eines folcben Vereins bat vor allem den Zweck, den 
Gedanken der Ecbtfärberei in weitere Kteife zu tragen und dadurch 
die Qualität der Färbungen zu beben. Da es beute vielfach vorkommt, 
daß minderwertige und billige Färbungen auf wertvolle Stoffe an 
gewendet werden, weil die Konkurrenz auf äußerfte Verbilligung bin 
drängt, fo liegt hier ein Fall vor, daß gute Robftoffe durch einen ent 
wertenden Vollendungsprozeß vorzeitig der Benutjung entzogen werden 
und fo ein beträchtliches Nationalvermögen vergeudet wird. Ift der 
öffentliche Sinn erft auf diefen Zuftand bingelenkt, fo wird das Publikum 
gern bereit fein, für echt gefärbte Stoffe einen höheren Preis zu zahlen 
als für unecht gefärbte. Es wird fich der Begriff einer befonderen Art 
von Qualitätsfärbung berausbilden, und die Induftrie wird in der Lage 
fein, dafür, daß fie der Echtfärbung befondere Aufmerkfamkeit widmet, 
einen Gegenwert zu erhalten. Es liegt alfo nicht nur im Intereffe der 
Abnehmer, fondern auch im Intereffe der Induftrie felbft, den Sinn für 
echte Färbung zu wecken und zu fördern. □ 
Mit dem Erfatje der beute vielfach unechten Färbung durch echte 
wird aber nur ein weiterer und gewiß nicht unwichtiger Schritt getan 
werden in dem großen Gefundungsprozeffe, dem unfer heutiges Kunft 
gewerbe unterliegt, und der ficb trot) aller im Vordergründe flehenden 
Stil- und Formenbeftrebungen immer deutlicher zu erkennen gibt als 
eine Steigerung der inneren Gediegenheit. HERMANN MUTHESIUS. 
183
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.