TECHNIK UND KUNST IM GEWERBE
das Rauchen fcbmeckte nicht mehr, der Wein und ein Kirfch auch
nicht, alle Töpferleiden begannen fich auf einmal zu regen und
eines fchönen Tages hatte der fUtmeifter feinen lebten Atemzug
getan. Seine Frau, die treue Pflegerin und Mitarbeiterin, weinte
fehr um den nun nach dem Töpferhain abgerufenen Gatten.
St. Goar bat ihm dort gewiß nicht den geringften Fiat} angewiefen.
Meifter Benz ift aber nicht der Einzige, welcher mißtrauifcb
auf das moderne Wollen in der ganzen Keramik fab. Es find,
man darf wohl kecklicb behaupten neun Zehntel fämtlicher
Meifter, die fich geradezu feindfelig gegen alle Neuerungen auf
lehnen, denen nur die Belehrung helfen kann, welche Sache und
Pflicht der verfchiedenen Regierungen jener Länder ift, wo diefes
Kunftbandwerk feinen Sit) bat. Man foll den Meiftern aber nicht,
wie es bisher meift gefebab, Profefforen in Zylinder, Gebrock
und Seidenbandfcbuben auf den Hals fcbicken und jene ehrlich
guten Seelen noch febeuer machen. Könnten diefe mit ebemifeben
Wiffenfchaften und anderem zufammengeklaubten, unpraktifeben
Zeug vollgepfropften Herren Hpoftel bei ihrem Werdegang das
mitleidige, verfcbmitjte Töpferlächeln fehen, das ihnen als Dank
für den Aufwand an Wiffenfchaft nachgefandt wird, wahrlich
fie würden — und wenn es fie in ihrem Profefforendünkel noch
fo fchwer ankäme — vor den Spiegel flehen und innerlich recht
fehr erröten, denn äußerlich find fie ja dazu nicht mehr imftande.
Dort würden fie am Ende den ganzen angepuderten Zauber
ihrer keramifeben Wiffenfchaft ehrlich abftreicben, und ihrem
Brotherrn offen gefteben: wir haben Sie getäufcht, denn wir find
nur Laien diefer febönen Kunft, wir follten felbft noch lernen,
aber es gebt nicht, denn wir tragen Zylinder, Gebrock und Lack-
ftiefel; haben Sie Nachficht mit uns! □
Ja, wenn die Ehrlichkeit an folcben Stellen derartige Fortfehritte
machen würde, dann »Glück zu!« der edlen Töpferei. Aber es
wird noch viel Waffer den Rhein, auch den Neckar und die
feböne Ifar binunterfließen, bis für das Töpfer bandwerk diefe
Glanzperiode eintritt. • □
ECHTFfiRBEREI
bgleicb die heutige Färbereitecbnik febr wohl in der Lage ift, allen
Anforderungen in bezug auf Echtheit in der Farbe, foweit diefeüber-
haupt erreicht werden kann, zu entfprechen, fo hat fich doch in neuerer
Zeit auf einem Spezialgebiete, nämlich dem der Dekorationsftoffe, viel
fach gezeigt, daß die Echtheit der Färbung außerordentlich viel zu
wünfehen übrig läßt. Vor allem find es die von modernen Künftlem
beliebten Farbennüancen, welche fich häufig als fehr vergänglich er
weitern Die Enttäufchung, welche bei Anwendung derartiger Stoffe
hervorgerufen wird, ift nicht allein eine künftlerifche, indem die vom
Künftler beabfichtigte Farbenharmonie zerftört wird, fondem fie ift auch
eine wirtfcbaftlicbe, indem zum Teil koftbare Stoffe einem rafchen Ver-
fchleiß anbeimgegeben werden. □
Der Grund, weshalb gerade moderne Dekorationsftoffe häufig an
Echtheit der Farbe zu wünfeben übrig laffen, liegt zum Teil darin, daß
die Färbereiinduftrie den Wünfeben der Befteller nach ganz beftimmten
Farbennüancen Rechnung trägt, ohne auf die etwa vorhandenen Ge
fahren der Nicbtecbtbeit aufmerkfam zu machen, zum Teil aber auch
darin, daß die Qualitätsbegriffe des Publikums für Dekorationsftoffe
bei weitem nicht fo febarf ausgebildet find, als zum Beifpiel bei Kleider
ftoffen, insbefondete bei Herrenkleiderftoffen. Herrenkleiderftoffe der
beften Art find faft ganz lichtecht gefärbt. Die verantwortliche Perfönlicb-
keit dafür ift der Schneider, welcher feine Kundfcbaft verlieren würde,
wenn ein von ihm geliefertes Kleidungsftück ausginge. Er erzwingt
daher lichtechte Stoffe von der Induftrie. □
In den Dekorationsftoffen fehlt eine derart verantwortliche Perfönlicb-
keit, da die Ausftattung der Wohnung nicht in derfelben Weife organifiert
ift, wie die Verforgung mit Kleidern. Insbefondere find die mit Auf
gaben der Innenarchitektur betrauten Künftler der Induftrie gegenüber
machtlos, da fie in deren Betrieb nicht mit Nachdruck eingreifen können.
Die Aufträge, die fie zu erteilen haben, find meiftens zu klein, um einen
nachhaltigen Einfluß auf fie ausüben zu können. Es fehlt eine Stelle,
an der die Intereffen der Innenkünftler in der genügenden Weife auch
dann gewahrt werden, wenn es fich um Quantitäten bandelt, die für
die Induftrie nicht in Betracht kommen. □
An der Königlichen Färbereifcbule in Krefeld wird der Ecbtfärbung
febon feit Jahren eine ganz befondere Aufmerkfamkeit zugewendet und
der Sinn der Schüler für die Wichtigkeit der Anwendung echter Farben
geweckt. Als Übungsbeifpiele find fortlaufend kleine Färbeaufträge
für folcbe Arbeiten, bei denen es auf möglicbft lichtechte Färbung an
kommt, ausgefübrt worden, fo zum Beifpiel für die Gobelinmanufaktur
von W. Ziefcb & Co. in Berlin, für die Krefelder Teppicbfabrik, fowie
für viele Künftler und Herfteller von feineren textilen Arbeiten. Da
neben bat die Direktion diefer Schule bereitwilligft ihren Rat zur Ver
fügung geftellt, wenn es fich darum bandelt, ein maßgebendes Urteil
über die Beftändigkeit einer Farbe zu erhalten. □
Es befteht die Abficbt, diefen Zweig der Tätigkeit der Schule etwas
weiter auszubauen und die Anftalt dadurch noch mehr in den Dienft
der Öffentlichkeit zu ftellen, als es bisher febon der Fall war. Der
Staat und die Stadt haben ficb erboten, die Mittel für eine Erweiterung
aufzubringen, falls zunäcbft ein gewiffer Stammbetrag aus privaten
Quellen für die Einrichtung zur Verfügung geftellt wird. Auch fernerhin
foll die Tätigkeit der Schule ficb nicht auf folcbe größeren Poften be
ziehen, die für die Färbereiinduftrie ein genügendes Intereffe bieten,
fie wird vielmehr, nachdem fie ihren Rat zur Verfügung geftellt bat,
das Färben folcber Poften an private Färbereien vermitteln. □
Der Verein für Deutfcbes Kunftgewerbe in Berlin feblägt vor, daß
zum Zwecke der Aufbringung der von den Behörden vorausgefetjten
Mittel ein Verein für Echtfärberei gegründet werde, der alle in der
Angelegenheit intereffierten Kreife in ficb vereinigt. Um die Mitglieder
über die Fortentwicklung der Echtfärberei ftändig auf dem Laufenden
zu erhalten, follen vierteljährliche Mitteilungen berausgegeben werden,
mit deren Redaktion der Verein für Deutfehes Kunftgewerbe in Berlin
betraut werden foll. D
Die Gründung eines folcben Vereins bat vor allem den Zweck, den
Gedanken der Ecbtfärberei in weitere Kteife zu tragen und dadurch
die Qualität der Färbungen zu beben. Da es beute vielfach vorkommt,
daß minderwertige und billige Färbungen auf wertvolle Stoffe an
gewendet werden, weil die Konkurrenz auf äußerfte Verbilligung bin
drängt, fo liegt hier ein Fall vor, daß gute Robftoffe durch einen ent
wertenden Vollendungsprozeß vorzeitig der Benutjung entzogen werden
und fo ein beträchtliches Nationalvermögen vergeudet wird. Ift der
öffentliche Sinn erft auf diefen Zuftand bingelenkt, fo wird das Publikum
gern bereit fein, für echt gefärbte Stoffe einen höheren Preis zu zahlen
als für unecht gefärbte. Es wird fich der Begriff einer befonderen Art
von Qualitätsfärbung berausbilden, und die Induftrie wird in der Lage
fein, dafür, daß fie der Echtfärbung befondere Aufmerkfamkeit widmet,
einen Gegenwert zu erhalten. Es liegt alfo nicht nur im Intereffe der
Abnehmer, fondern auch im Intereffe der Induftrie felbft, den Sinn für
echte Färbung zu wecken und zu fördern. □
Mit dem Erfatje der beute vielfach unechten Färbung durch echte
wird aber nur ein weiterer und gewiß nicht unwichtiger Schritt getan
werden in dem großen Gefundungsprozeffe, dem unfer heutiges Kunft
gewerbe unterliegt, und der ficb trot) aller im Vordergründe flehenden
Stil- und Formenbeftrebungen immer deutlicher zu erkennen gibt als
eine Steigerung der inneren Gediegenheit. HERMANN MUTHESIUS.
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