JAPANISCHE TÖPFE
D er erfte Beginn einer Kennerfcbaft in japanifeben Töpfen
läßt ficb mit drei Namen beftreiten: Hrita, Kaga und
Satfuma. Das find Herkunftsörtlicbkeiten. Blau-Rot und
Gold auf rein weißem Grund ift Hrita, Ziegelrot mit Gold auf
dem gleichen Grund ift Kaga, und die am goldigften ftrotjende
Ware, die an Goldbrokat erinnert, auf einem elfenbeingelblichen
Grund, der eine feine Zerknitterung zeigt (Craquelé), ift das
bekannte Satfuma. Hrita und Kaga find Porzellane, Satfuma
ift bloß Steingut oder Fayence. Statt Hrita kann man auch
Imari oder Hizen tagen. Hrita beißt der Töpferort, Imari der
Verfcbiffungsbafen, und beide liegen in der Landfcbaft Hizen.
Kaga wird auch Kütani genannt, nach dem früheren Töpferei
ort, der zu dem Fürftentum Kaga gehörte. Satfuma ift eine
Provinz. □
Die beiden erfteren Hrten werden bauptfäcblicb für Europa
gemacht und find eigentlich eine fremde, importierte Induftrie,
erft vor ungefähr 200 Jahren durch die Holländer aufgekom
men. Mit ebinefifebem Porzellan ließen ficb gute Gefchäfte machen,
deshalb fuchte man auch in Japan nach dem koftbaren Porzellan-
ftein, der bei uns jetyt Kaolin beißt, nach dem ebinefifeben Berg
Kaoling, fand ihn, und zwar bei Hrita, und die Holländer freuten
ficb, daß fie nun auch von Defima aus, wo fie in halber Ge-
fangenfehaft lebten, Porzellan erfteben konnten. □
Einige Jahrzehnte früher war auch von Korea her ein kera-
mifcher Huffchwung gekommen. Um 1597 kehrte der große
Hideyosbi von feinem langen Krieg, auf dem Feftlande zur Er
oberung von ganz China, halb gefcblagen und halb fiegreich in
fein Infelreich zurück und brachte außer einigen Taufenden ein-
gefalzener Nafen und Obren getöteter Feinde als lebende Beute
koreanifebe Töpfer mit. Die Nafen und Obren wurden in Kioto
beerdigt, und ihr Grabhügel ift noch beute eine Sehenswürdig
keit. Die koreanifchen Töpfer aber feilten ihre Kunft verbreiten
und wurden deshalb ausgeteilt. Huf den Fürften von Satfuma,
der auch mit im Kriege gewefen war, kamen fiebzebn Familien,
und deren Nachkommen follen noch beute an ihrer außergewöbn-
licben Körpetlänge erkennbar fein. Von diefem Ereignis wird
gewöhnlich für das Fürftentum Satfuma |die Hra der befferen
Töpfe datiert. Hber was damals dort entftand, war noch eine
febr fcbmucklofe Ware, und das goldig ftroljende Satfuma ift erft
allemeueften Datums und wird beute mehr in Kioto und Tokio
gemacht, auch faft ausfcbließlicb für Europa. □
Was nun aber liebt der Japaner, verlangt und verfertigt er
für feinen eigenen Kunftgefchmack? Viel mehr das unfeheinbar
Intime, das ehrlich Raue und Primitive, halb noch ungefcbickt
Bauernbafte, das feinen feften Charakter bat, bis zur gefuchten
Kunftlofigkeit, alfo gerade das Gegenteil jenes glatten und glän
zend febönen, aufdringlich prahlenden Porzellans. □
Diefe Erkenntnis, die allmählich dämmerte, klar zu ftellen und
zu begründen, war das Verdienft der Vorftandfchaft des South«
Kenfington-Mufeums in London, gelegentlich der Husftetlung von
Philadelphia 1876. Durch einen Freund in Tokio wurde von
diefer Kunftbebörde den Japanern nahegelegt, fie möchten eine
typifebe Sammlung ihrer älteren Keramik nebft einer hiftorifchen
Hrbeit darüber in Philadelphia ausftellen laffen, und nach der
flusftellung follte die Sammlung durch Kauf nach London weiter
geben und Eigentum des Mufeums werden. Das gefebab, und
feitdem find wir im Befitj von Argumenten.*) □
Von diefen Argumenten das würdigfte, fowohl äftbetifch als
auch biftorifch, und überhaupt am beften geeignet einen erften
*) FRANKS, Japanese Pottery. London 1880, Preface. □
Begriff zu geben, ift ein kleines, braunes Töpfchen von gedrungen
ovaler Form mit einem feinen Elfenbeindeckel, das den Namen
Seto führt. Es fiebt zwar auf den erften Blick ganz gewöhn
lich aus. Aber allmählich lernt man es febätjen in feiner fcblicbten
Einfachheit unter dem warmen Braun der Glafur, die faft noch
zu fließen febeint und die mit einem erftarrenden Rand kurz
über dem Boden fteben blieb, und je öfter man es lieht, defto
beffer gefällt es dem Auge, was ja immer das ficberfte Merkmal
einer wahren Schönheit ift. Seto ift ein größeres Dorf, das zur
Provinz Owari gehört, wo diefe Ware zuerft entftand. □
In die neu entdeckte Richtung drängten nun auch die Euro
päer, die davon erfahren batten, und die Japaner mit fdmellem
Verftändnis entfpracben gefällig ihrem Bedürfnis. Neben dem
Maffenporzellan erfcheinen jetjt übernaive Gebilde, die auch
wieder nicht ohne Reiz find, düfter graue und fcbwärzlicbe Töpfe,
nicht viel größer als eine Taffe, aber formlos, dick und febwer,
durch deren Maffe ein langer Sprung gebt, und diefer Sprung
ift ausgekittet mit einem glänzenden Faden Gold. Man wird
an verfebiedene Kontrafte erinnert, an Goldadern in rauhem
Geftein, an einen Scha^ zwifchen dunklem Scbmut} oder auch
an plombierte Zähne, und auch diefes ift bochjapanifch. Solche
düftere, fchwärzliche Ware wird gewöhnlich unter dem Namen
Raku verkauft. Raku bedeutet »Vergnügen« und war als ein
verliehener Stempel eine Huszeichnung des Hideyosbi für einen
Töpfer, der den Anfang hierzu erfand, aber noch ohne Gold
plombierung. □
Die köftlicbe Eigenart der Japaner ift bereits eine Vergangen
heit, und was die Zukunft bringen wird, ift ziemlich wabrfchein-
lich unerfreulich. Sie grinft fchon febr verheißungsvoll in weit
ausfpäbender Eklektik. Schon tauchen ägyptifebe Formen auf
mit mefopotamifch myftifcben Muftern und ausgefuchter Farben-
robeit, ein fcbwülftig graufamer Übergefchmack in hochmoderner
Gehirnerweichung. Das fchöne Land des Sonnenaufgangs ift
glücklich europäifcb durchgeiftigt und rettungslos verzivilifiert.
Wie aber foll man ficb jetjt noch durchfinden, wenn man rück-
ftändig ehrlich fein will? Nur die Entfagung und Befcbeidenbeit
laffen hier einen Troft erwarten. Man verzichte deshalb auf
die große, alles umfaffende Kennerfcbaft, die überhaupt nur in
Paris oder London erreichbar wäre, und befchränke lieh auf
Teile. Und auch im Kleinften fuebe man nur das eigene Wohl
gefallen. Nur wenn man aufrichtig gegen ficb felbft ift, kann
man ficb einige Freuden bereiten. □
Niemals aber befrage man die Wiffenfchaft der Händler. Denn
diefe Edlen verftehen noch weniger, müffen aber febwaljen. Es
febeint unter ihnen Naturen zu geben, denen die Wahrheit ein
giftiges Gas ift, und das Lügen Lebensbedürfnis. M. B.
ALTE HANDSCHRIFTEN« UND BÜCHERSCHÄTZE
UND IHRE BEWERTUNG
ines der größten deutfeben fluktionsinftitute, C. G. Boemer in Leipzig,
veranftaltete kürzlich eine Verfteigerung von flutograpben, das beißt
eigenhändige Schreiben bekannter Perfönlicbkeiten. Dabei wurden er
zielt unter anderm für Briefe von Luther 2200 bis 3150 Mark, folcbe von
Melancbtbon 200 bis 1050 Mark, für einen Brief Calvins 1900 Mark, Kaifer
Karls V. 1300 Mark, ferner für Briefe deutfeber Dichter, wie folcbe von
Goethe 170 bis 2805 Mark, Heine 110 bis 400 Mark, Kleift 96 bis 1500 Mark,
Leffing 710 bis 3400 Mark, Schiller 510 bis 595 Mark. Für das Manufkript
Mozarts berühmtem Klavierkonzert in C-dur, Partitur, Kochel Nr. 467,
wurde 12500 Mark bezahlt, während eine Anzahl Briefe von Richard
Wagner zu 54 Mark bis 2500 Mark verkauft wurden. □
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