Das ergibt ficb aus nacbftebendem Schreiben des Fachverbandes
an die Dresdner Werkftätten: □
Berlin W., den 25. Mai 1907
Rn die Dresdner Werkftätten für Handwerkskunft
Dresden^., Blafewi^erftr. 17
Ihr an uns gerichtetes Schreiben vom 2. d. Mts. gelangte in
untere Hände und beantworten wir dasfelbe erft beute, weil
der Hrbeitsausfcbuß vorher davon Kenntnis nehmen mußte.
Der Hrbeitsausfcbuß ift der Meinung, daß Ihr Urteil durch
eine genaue Kenntnis des Mutbefiusfchen Vortrages in keiner
Weife getrübt ift, da er es andernfalls unverftändlich finden
würde, wenn Sie ficb durch die in demfelben enthaltene
Behauptung, »daß der kunftinduftrielle Produzent es bisher grund-
tätlich abtebnte, ethifche oder moralifche Ziele mit feinem Ge»
fchäfte zu verquicken« nicht in Ihrer perfönlichen Ehre beleidigt
fühlten. □
Ihre maßlofe und in beleidigendfter Form gehaltene Kritik
an der fatjungsgemäß ausgefübrten Tätigkeit des Hrbeitsaus»
fchuffes, Ihr unerhörtes Vorgeben hinter dem Rücken des Hrbeits»
ausfchuffes durch Verfendung eines Zirkulars und Sammlung
von Unterfchriften unter eine felbftverfaßte, den Hrbeitsausfcbuß
desavouierende Refolution, fowie die eigenmächtige Einreichung
einer Gegeneingabe an den Handelsminifter, in der richtigen
Weife zu brandmarken, halten wir für unter unferer Würde.
Da Ihr Verhalten von dem getarnten Hrbeitsausfcbuß einmütig
auf das fcbärffte verurteilt worden ift, und Sie fich alfo der
allgemeinen Mißliebigkeit Ihrer Berufsgenoffen gegenüber feben,
fo erwarten wir, daß Sie die Konfequenzen aus diefem Zuftand
ziehen und batdigft freiwillig Ihren Hustritt aus dem Facbver»
bande anmelden. □
Infolge Ihres Vorgehens wird der Fall »Muthefius« auf dem
Kongreß in Düffeldorf zur Verhandlung kommen, was wir fonft
im Intereffe einer leidenfchaftslofen Behandlung der Hngelegen»
heit nicht gewünfcbt hätten. Wir erachten es als felbftverftänd»
lieh, Ihnen auf dem Kongreß event. auch als Gaft Gelegenheit
zur Rechtfertigung und Begründung Ihrer Meinung zu geben.
Der Hrbeitsausfcbuß des Fachverbandes für die
wirtfcbaftlicben Intereffen des Kunftgewerbes
gez.: fl. Friedricbfen
Darauf erhielt er unter dem 30. Mai folgende Hntwort: □
Hn den Hrbeitsausfcbuß des Fachverbandes für die wirtfcbaftlicben
Intereffen des Kunftgewerbes
Berlin W., Jägerftr. 22
Ihre an uns gelangte Hufforderung vom 25. c., aus dem Fach»
verband auszutreten, deckt ficb mit dem Ihnen bereits in unferem
Schreiben vom 2. c. ausgedrückten Wunfche, nicht länger einem
Verbände anzugebören, der das Kunftgewerbe vor ganz Deutfeh»
land bloßgeftellt bat. Da Ihnen nach den Satjungen des Ver*
bandes in keiner Weife das Recht zuftebt, ein Mitglied zum
Hustritt aufzufordern, fo geben wir über diefen Teil Ihres
Schreibens zur Tagesordnung über. Wir werden den Zeitpunkt
unteres Hustrittes aus dem Fachverbande felbft beftimmen. So
febr wir daher die Loyalität Ihres Hnerbietens, uns auf dem
Düffeldorfer Kongreß als Gaft Gelegenheit zur Rechtfertigung
und Begründung unferer Haltung zu geben, anerkennen, fo
müffen wir doch diefes Hnerbieten dankend ablebnen. Wir
werden als Mitglied des Fachverbandes in Düffeldorf unteren
Standpunkt vertreten, und zwar durch unteren Ihnen von der
Leipziger Verfammlung bekannten Dr. Dobrn und unteren
Herrn Schmidt. □
Huf den übrigen Inhalt Ihres Briefes an diefer Stelle einzu»
geben, halten wir für verlorene Mühe. Die Hrt Ihres Vorgebens
gegen Gebeimrat Muthefius - wie immer man fich zu den
Einzelheiten feiner Kritik ftellen mag — bat uns bewiefen, daß
Ihnen für ein Wirken im Dienfte einer Idee jegliches Verftändnis
fehlt. Wenn Sie daher eine Kritik unteres Verhaltens in diefer
Hngelegenbeit für »unter Ihrer Würde erachten«, fo kann uns
dies nur ein Lächeln des Mitleids entlocken. Wir wünfehten, Sie
hätten Ihre Würde etwas zeitiger entdeckt. Dann hätten Sie
fich felbft eine Niederlage und dem deutfeben Kunftgewerbe eine
Befcbämung erfpart. □
Deutfche Werkftätten für Handwerkskunft
Karl Schmidt
* *
*
Damit ift die fcbriftlicbe Husfprache zwifchen dem Vorftand des
Fachverbandes und einzelnen kunftgewerblichen Firmen beendet.
Nun folgt auf dem Düffeldorfer Kongreß am 14. Juni die münd»
liehe. Wie immer man zu den neuen Beftrebungen im Kunft»
gewerbe fteben mag, das Urteil der Dresdener Werkftätten für
Handwerkskunft, am Schluß des lebten Schreibens, wird auch
von andern geteilt werden: »Wir wünfehten, Sie hätten Ihre Würde
etwas zeitiger entdeckt. Dann hätten Sie fich felbft eine Nieder»
läge und dem deutfeben Kunftgewerbe eine Befcbämung erfpart.«
Hber es febeint, als ob der Vorftand des Fachverbandes durd^
feinen Proteft doch auch etwas Gutes febafft. Die Grundfätje kunft»
gewerblicher Produktion werden nur in voller Öffentlichkeit
verhandelt werden, jedermann fühlt, daß hier Fragen zu ent-
febeäden find, die für eine künftige Kultur, für die Geltung und
Würde deutfeber Hrbeit von weitgehender Bedeutung find. Das
Hnfeben eines Standes wird nicht, wie der Fachverband ver»
meint, durch Proteftrefolutionen gewahrt, nicht dadurch, daß
man eine öffentliche Kritik, und fei fie noch fo febarf, verhindern
will. Das zeugt nur von geringem Selbftvertrauen an die eigene
Leiftungsfäbigkeit. Das öffentliche Hnfeben eines Standes wird
lediglich beftimmt durch die Güte der geleifteten Hrbeit, durch
die hohe Huffaffung von den fittlicben Verpflichtungen des Ein»
zelnen gegenüber feinem Beruf. Wenn fich in diefem Sinne auf
dem Düffeldorfer Kongreß die Geifter febeiden, dann hat der
Vorftand des Fachverbandes trotj allem ein gutes Werk voll»
bracht. Bei den Hustretenden wird die Qualität, nicht die Quan»
tität entfeheiden! Sie wird auch lebten Endes liegen! □
Der Vorftand des Facbverbandes batte geglaubt, feinen Mit»
gliedern einige Stellen aus dem Vortrag von Muthefius mitteilen
zu müffen. Wir aber haben den ganzen Vortrag abgedruckt.
Ein jeder möge danach urteilen und entfeheiden. Und wie fein
Urteil ausfällt, fo ftellt er ficb felbft ein Zeugnis. Entweder fetjt
er fick an die Lifte der Wenigen, die für eine Steigerung der
gewerblichen Hrbeit und eine neue deutfche gewerbliche Einbeits»
kultur zielbewußt arbeiten, oder er gefeilt fich zu den Vielen,
die nie in der Welt etwas Befferes machen, als mitzulaufen,
wohin die Wenigen führen. □
Den Führern aber im neuen deutfeben Kunftgewerbe feien
einige Worte aus dem Vortrag von Muthefius als dauerndes
Merkzeichen hier aufgezeichnet: □
NUR DER STELLT GEDIEGENHEITSHNSPRÜCHE, DESSEN
CHHRHKTEREIGENSCHHFTEN DHHIN ENTWICKELT SIND.
DIE GEDIEGENHEIT IST NICHTS HNDERES HLS DIE HUSSERE
KUNDGEBUNG DER INNEREN WAHRHAFTIGKEIT. □
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