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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

KUNST UND TECHNIK IM GEWERBE 
und ftudiert werden, nachdem früher der zu fteuernde Kurs 
beftimmt worden ift. ü 
Meine Vorfcbläge in diefer Beziehung lauten: □ 
1. Möglichfte Schonung der handfchriftlichen Individualität und 
Qualität des Schülers. Befchränkung der Tätigkeit des Lehrers 
auf ihre Entfaltung, Pflege und Ergänzung oder auf ihre not= 
wendige Heilung durch Husfcheidung des Unklaren, Uncbarak= 
teriftifchen, Unharmonifchen und Überflüffigen. □ 
2. Studium und Erweiterung der Schreibwerkzeuge und Mate= 
rialien beim Unterricht. □ 
3. Erweiterung des Schriftunterrichtsgebietes nach der orna= 
mentalen Seite bin und Entfernung der hier unnötigerweife auf« 
geftellten Grenzen. □ 
VERZIERTE GLfiSER 
ie Methode, Gläfer zu dekorieren, war in den Zeiten vor 
dem modernen Induftrialismus febr mannigfaltig. Das 
Einfcbleifen oder Gravieren mit Handräderbetrieb war 
eine der älteften Methoden, die ungeachtet der konventionellen 
Mufter viel perfönliche Freiheit und individuellen Reiz in der 
Anordnung der einfachen dekorativen Elemente und Schliffe 
als Werkzeugausdruck gewährt. Florale Motive lagen dem 
Schmuckgedanken meiftens zugrunde, das Weinblattmufter in 
rankender Anordnung war befonders beliebt, das bloße Nacb = 
gravieren ift älteften Datums. Erft fpäter kam die Mode hinzu, 
gewiffe Teile der Gravierung nacbzufchleifen, um Lichteffekte 
dem Schmuck zuzufübren und gegen Ende des XVIII. Jahr» 
bunderts wurde die Gravierung in allen Teilen nacbgefcbliffen. 
Die Mufter felbft find nicht febr zahlreich, aber viele weifen 
zahlreiche Abwandlungen auf und manche haben eine merkwürdig 
lange Herrfchaft behauptet. Nicht nur das Weinblatt bat, wie 
erwähnt, viele Formen aufzuweifen, fondern auch die Rofe, die 
von der einfachen konventionellen Form bis zu den ausge= 
arbeiteten naturaliftifchen Effekten entwickelt wurde. Auf 
anderen Weingläfern aus verfchiedenen Zeiten findet man die 
Sonnenblume, die Lilie, Vergißmeinnicht, Tulpe, Geißblatt, 
während Hopfen und Gerfte regelmäßig auf Biergläfern ange 
bracht werden. Wir finden auch Butterblumen, Bienen, Mücken, 
Schwäne und Vögel, die wabrfcbeinlicb einefehr alte Überlieferung 
find. Kleine Landfchaften, zuweilen naturaliftifch, zuweilen 
pfeudochinefifch kommen ebenfalls vor, und zwar figürliche 
Motive, Sportfzenen, Waffenftücke, Schiffe, Infcbriften, Wappen 
und Embleme. Die Gravierung wird berkömmlicherweife auf 
den Bechern angebracht, fie finden ficb aber auch im Fuße und 
felbft unterhalb des Fußes, etwa in der Form beraldifcb ge- 
geformte Rofen und Blätter. Vielleicht bat diefe feltfame An 
bringung unterhalb des Fußes etwas mit der altväterlichen 
Mode des Glaserbebens und des Haltens am Fuße anftatt am 
Stengel, wie wir es beute tun, zu fcbaffen. Zuweilen wurden 
diefe eingravierten Mufter vergoldet und reiche Effekte damit 
erzielt. Golddekorationen kommen vor, die eingebrannt find, 
indem das Gold auf der Oberfläche des Glafes aufgetragen wird, 
ohne Gravierung und leicht fixiert. Weiße Schmelzdekorationen 
waren zuzeiten febr beliebt und wurden auf zweifache Art 
bergeftellt; entweder wurde die Zeichnung ziemlich ftark auf 
gemalt oder der Schmelz beftand in einer ganz dünnen, bäutcben- 
Beifpiele von dekorierten Gläfem 
artigen Auftragung, wo die nötigen Umräßlinien und die Zeich 
nung mit einer Nadel ausgekratjt find. In vielen Fällen wurde 
die Zeichnung auf einem mit Infcbriften verfebenen Glas ein- 
gefcbliffen und die Infcbrift felbft mit dem Diamant gefcbliffen. 
In anderen Fällen wurde die ganze Zeichnung auf diefe Art 
eingraviert. Dies ift eine febr alte Methode, die feit den 
frübeften Zeiten in allen Ländern gebandhabt wurde. □ 
Leider haben die alten Kunfthandwerker, die folcbe Gläfer 
berftellten, es verfäumt, ihre Werke zu zeichnen. Es ift daher 
unmöglich, die Herfteller der alten Kunftgläfer zu identifizieren. 
Nachforfchungen haben zunäcbft nur das lokale Vorkommen 
gewiffer Methoden feftftellen können und find auf diefem Wege 
nur in vereinzelten Fällen zu den Namen der verfchollenen 
und unbekannten Herfteller gelangt. Die alten Glasgravierer, 
namentlich des berühmten XVIII. Jahrhunderts, waren nicht 
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