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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

an die Gefcbmackswerte gefteigert. Wenn heute ein junges Paar 
feine Wohnung einrichtet, fo geht es an dem Lieferanten des 
Altertümlichen vorbei zu dem Vertreter des Neuen, der bei feinen 
Fabrikaten auf künftlerifche Eigenart in Formen- und Farben 
gebung hält. D 
Bei diefer Entwicklung, die fich vor unteren Augen vollzogen 
bat, konnte es nicht ausbleiben, daß die Anhänger des Alten 
und Verächter des Neuen fich beifeite gedrängt fahen, und daß 
ihre Musterkollektionen trivial, unmodern und wertlos wurden. 
Aufbalten dürfen und können fie darum aber die künftlerifche 
Bewegung nicht. Ift diefe doch nicht allein eine verheißungsvolle 
Strömung in der neueren Kunftentwicklung, fondern ebenfofebr 
ein böcbft wichtiger Faktor unferer modernen wirtfcbaftlicben 
Entfaltung. Es ift bekannt, daß die deutfcbe Kunftinduftrie auf 
der Parifer Weltausftellung 1900 und auf der Weltausftellung in 
St. Louis die Probe gut beftanden bat, und zwar haben nach 
weislich diejenigen Betriebe, bei denen Künftler mitgewirkt batten, 
die größten Erfolge erzielt, während die unkünftlerifcben Er- 
zeugniffe fich nicht zu behaupten und kein Intereffe zu erregen 
vermochten. Bei jenen Gelegenheiten bat es fich erwiefen, daß 
Deutfcbland die Anwartfchaft bat, nicht nur durch die Billigkeit 
feiner Waren, fondern auch durch die Gefcbmacksqualität feiner 
kunftinduftriellen Erzeugniffe auf dem Weltmarkt den Vorrang 
zu behaupten. Die Zeiten werden bald vorbei fein - dank unferer 
Künftler - da man im Auslande die deutfcben Waren an ihrer 
Häßlichkeit und Gefcbmacklofigkeit erkannte, und wie durch 
deutfcbe Tüchtigkeit und Fleiß das fcblimme »Billig und Schlecht« 
überwunden und von dem verdienten Lobe »Billig und Gut« 
abgelöft ift, fo wird es hoffentlich dabin kommen, daß fich das 
deutfcbe Fabrikat, auch wenn es teuer und gut ift, wie das 
englifcbe, die Weltkonkurrenz auszubalten vermag. □ 
Die unentbehrliche Vorausfetpmg hierfür ift aber eine fortge- 
fet)te impulfive Mitarbeit künftlerifcber Kräfte in der Induftrie, 
und daher ift die allfeitige und wohlbedachte Pflege des Künft- 
lerifcben auch in wirtfcbaftlicber Hinficht eine unbedingte Not- 
wendigkeit und eine unabweisbare Forderung unferer Zeit. □ 
Für ihre Perfon klagen die im kunftinduftriellen Dafeinskampf 
Unterliegenden mit vollem Recht über das »wirtfcbaftlicb dar 
niederliegende Kunftgewerbe«, aber die wahren Urfachen ihrer 
Niederlage feben fie nicht ein. Es beftätigt fich an ihnen die alte 
Erfahrung, daß der Menfcb ftets geneigt ift, die Schuld feiner 
Mißerfolge bei anderen und in allen möglichen äußeren Um- 
ftänden zu fuchen, ftatt an die eigene Bruft zu fcblagen. Welchen 
Mangel an Kenntnis und Selbfterkenntnis beweift z. B. die Be 
hauptung, daß die außerhalb des künftlerifcben Einfluffes flehen 
den Firmen »den guten Ruf des deutfcben Kunftgewerbes be 
gründet und aller Welt bewiefen« haben! Das gerade Gegenteil 
diefer klangvollen Pbrafe ift der Fall. Die Repetition der alten 
Stile, in der fich das deutfcbe Kunftgewerbe zwei Jahrzehnte er 
ging, bat die deutfcben Fabrikate, infoweit es fich um dekorative 
Geftaltung bandelte, im Auslande geradezu in Verruf gebracht. 
Eine arge Heuchelei ift es vollends, wenn die Feinde der 
künftlerifcben Bewegung tagen, daß ein »Hand-in-Hand-arbeiten 
mit den Künftlern wünfcbenswert« fei. Wozu dann der Weberuf? 
Und warum haben denn die »Kunftgewerbetreibenden«, die fich 
als die Übergangenen gebärden, fich nicht mit Künftlern ver 
bündet und die Dresdner Ausftellung befcbickt? Den Verfucb 
haben fie ficherlicb nicht gemacht. Denn wer Gelegenheit bat, 
hinter die Kuliffen zu blicken, weiß, welche Not die Künftler 
haben, bei Ausftellungsunternebmungen Fabrikanten für die 
Ausführung ihrer Entwürfe zu gewinnen, und man muß wahr 
lich den Firmen, die für die Ausftellung nach Künftlerentwürfen 
gearbeitet haben, Dank wiffen für ihre weitblickende Mitwirkung, 
die ihnen übrigens felbft zugute kommen wird - was die 
»Kunftgewerbetreibenden« wohl ahnen. □ 
Anfprucb auf allfeitigen Dank haben nicht minder die Behör 
den und Körperfchaften, die das Zuftandekommen der Dresdner 
Ausftellung bewirkt und gefördert haben, und die mit weitem 
Blick erkannten, daß die künftlerifcben Gefichtspunkte bei diefem 
Unternehmen die leitenden fein mußten. Es wäre auch nicht 
abzufeben, was bei einer Kunftgewerbeausftellung ohne künft 
lerifche Gefichtspunkte hätte berauskommen follen. □ 
Daß es die denkbar engberzigften Gefchäftsintereffen waren, 
die die befchwerdefübrenden Firmen zu ihrem Vorgehen be= 
ftimmten, gebt aus den Scblußfä^en hervor, in denen fie - fich 
felbft kompromittierend - gegen die fegensreiche Arbeit unferer 
Kunftgewerbefcbulen und der Lebrkurfe zu Felde ziehen. Die 
Herren wünfcben gar nicht, daß ihre Lehrlinge, Gehilfen und 
Zeichner weitergebildet werden! Sie wollen fie unter Druck 
halten, in kurzfichtiger Verblendung glaubend, um fo die Arbeits 
kraft ihrer Angeftellten am nu^bringendften auszubeuten. Bil 
dung ift ihnen vom Übel, am meiften die künftlerifche. □ 
Das Rad der Zeit wird über diefe Feinde unferer Kultur 
langfam, ftill und lieber binweggeben. □ 
Krefeld, den 18. Auguft 1906 D R - DENEKEN 
MÖBELFHBRIKHNT HERMANN HELLWIG, MEISSEN, 
SCHREIBT: 
An das Direktorium der III. Deutfcben Kunftgewerbeausftellung, 
Dresden 1906 Dresden 
Im Befitj Ihrer werten Eingabe erwidere ich Ihnen höflich: 
Die kunftgewerblicben Firmen, die gegen die Ausftellungsleitung 
Widerfprucb erhoben haben, begründen ihre Gegenbeftrebungen 
vor allem damit, den Beweis ihrer (eigenen) künftlerifcben Be 
fähigung erbracht zu haben. Von eigener künftlerifcber Befähi 
gung und von eigenem Können diefer Firmen kann nicht die 
Rede fein; denn was fie ihre eigene künftlerifche Befähigung 
nennen, ift lediglich die gefcbickte Ausnü^ung von Künftlern, 
deren Namen fie jahrzehntelang unterdrückt haben und unter 
dem Firmenftempel noch verbergen. Wenn die Ausftellungs 
leitung nun endlich einmal in Erkenntnis der Mißftände den 
Künftlern das Wort gibt, fo kann ich ein folcbes Vorgeben nur 
billigen. □ 
Dem Wunfcbe der Kunftgewerbetreibenden, daß die Ausführung 
von Privataufträgen an Lebrwerkftätten unterlagt wird, fchließe 
ich mich an und zeichne □ 
hochachtungsvoll 
(gez.) HERMANN HELLWIG, Möbelfabrikant 
P. S. Mir perfönlich bekannte namhafte Kunftinduftrielle, die 
fich an Ihrer Ausftellung nicht beteiligten, haben ihre Unterfcbrift 
zu der Proteftfchrift nicht gegeben, weil fie auch meine oben 
angeführte Anficht teilen. □ 
BERNHARD GÖBEL, TISCHLERMEISTER, FREIBERG i. S., 
SCHREIBT: 
An das Direktorium der III. Deutfcben Kunftgewerbeausftellung, 
Dresden 1906 Dresden 
Die III. Deutfcbe Kunftgewerbeausftellung in ihrer ganzen Art 
und Weife zeigt einen gewaltigen Fortfehritt des deutfcben Kunft- 
bandwerks, des Kunftgewerbes und vor allen Dingen der deutfcben 
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