an die Gefcbmackswerte gefteigert. Wenn heute ein junges Paar
feine Wohnung einrichtet, fo geht es an dem Lieferanten des
Altertümlichen vorbei zu dem Vertreter des Neuen, der bei feinen
Fabrikaten auf künftlerifche Eigenart in Formen- und Farben
gebung hält. D
Bei diefer Entwicklung, die fich vor unteren Augen vollzogen
bat, konnte es nicht ausbleiben, daß die Anhänger des Alten
und Verächter des Neuen fich beifeite gedrängt fahen, und daß
ihre Musterkollektionen trivial, unmodern und wertlos wurden.
Aufbalten dürfen und können fie darum aber die künftlerifche
Bewegung nicht. Ift diefe doch nicht allein eine verheißungsvolle
Strömung in der neueren Kunftentwicklung, fondern ebenfofebr
ein böcbft wichtiger Faktor unferer modernen wirtfcbaftlicben
Entfaltung. Es ift bekannt, daß die deutfcbe Kunftinduftrie auf
der Parifer Weltausftellung 1900 und auf der Weltausftellung in
St. Louis die Probe gut beftanden bat, und zwar haben nach
weislich diejenigen Betriebe, bei denen Künftler mitgewirkt batten,
die größten Erfolge erzielt, während die unkünftlerifcben Er-
zeugniffe fich nicht zu behaupten und kein Intereffe zu erregen
vermochten. Bei jenen Gelegenheiten bat es fich erwiefen, daß
Deutfcbland die Anwartfchaft bat, nicht nur durch die Billigkeit
feiner Waren, fondern auch durch die Gefcbmacksqualität feiner
kunftinduftriellen Erzeugniffe auf dem Weltmarkt den Vorrang
zu behaupten. Die Zeiten werden bald vorbei fein - dank unferer
Künftler - da man im Auslande die deutfcben Waren an ihrer
Häßlichkeit und Gefcbmacklofigkeit erkannte, und wie durch
deutfcbe Tüchtigkeit und Fleiß das fcblimme »Billig und Schlecht«
überwunden und von dem verdienten Lobe »Billig und Gut«
abgelöft ift, fo wird es hoffentlich dabin kommen, daß fich das
deutfcbe Fabrikat, auch wenn es teuer und gut ift, wie das
englifcbe, die Weltkonkurrenz auszubalten vermag. □
Die unentbehrliche Vorausfetpmg hierfür ift aber eine fortge-
fet)te impulfive Mitarbeit künftlerifcber Kräfte in der Induftrie,
und daher ift die allfeitige und wohlbedachte Pflege des Künft-
lerifcben auch in wirtfcbaftlicber Hinficht eine unbedingte Not-
wendigkeit und eine unabweisbare Forderung unferer Zeit. □
Für ihre Perfon klagen die im kunftinduftriellen Dafeinskampf
Unterliegenden mit vollem Recht über das »wirtfcbaftlicb dar
niederliegende Kunftgewerbe«, aber die wahren Urfachen ihrer
Niederlage feben fie nicht ein. Es beftätigt fich an ihnen die alte
Erfahrung, daß der Menfcb ftets geneigt ift, die Schuld feiner
Mißerfolge bei anderen und in allen möglichen äußeren Um-
ftänden zu fuchen, ftatt an die eigene Bruft zu fcblagen. Welchen
Mangel an Kenntnis und Selbfterkenntnis beweift z. B. die Be
hauptung, daß die außerhalb des künftlerifcben Einfluffes flehen
den Firmen »den guten Ruf des deutfcben Kunftgewerbes be
gründet und aller Welt bewiefen« haben! Das gerade Gegenteil
diefer klangvollen Pbrafe ift der Fall. Die Repetition der alten
Stile, in der fich das deutfcbe Kunftgewerbe zwei Jahrzehnte er
ging, bat die deutfcben Fabrikate, infoweit es fich um dekorative
Geftaltung bandelte, im Auslande geradezu in Verruf gebracht.
Eine arge Heuchelei ift es vollends, wenn die Feinde der
künftlerifcben Bewegung tagen, daß ein »Hand-in-Hand-arbeiten
mit den Künftlern wünfcbenswert« fei. Wozu dann der Weberuf?
Und warum haben denn die »Kunftgewerbetreibenden«, die fich
als die Übergangenen gebärden, fich nicht mit Künftlern ver
bündet und die Dresdner Ausftellung befcbickt? Den Verfucb
haben fie ficherlicb nicht gemacht. Denn wer Gelegenheit bat,
hinter die Kuliffen zu blicken, weiß, welche Not die Künftler
haben, bei Ausftellungsunternebmungen Fabrikanten für die
Ausführung ihrer Entwürfe zu gewinnen, und man muß wahr
lich den Firmen, die für die Ausftellung nach Künftlerentwürfen
gearbeitet haben, Dank wiffen für ihre weitblickende Mitwirkung,
die ihnen übrigens felbft zugute kommen wird - was die
»Kunftgewerbetreibenden« wohl ahnen. □
Anfprucb auf allfeitigen Dank haben nicht minder die Behör
den und Körperfchaften, die das Zuftandekommen der Dresdner
Ausftellung bewirkt und gefördert haben, und die mit weitem
Blick erkannten, daß die künftlerifcben Gefichtspunkte bei diefem
Unternehmen die leitenden fein mußten. Es wäre auch nicht
abzufeben, was bei einer Kunftgewerbeausftellung ohne künft
lerifche Gefichtspunkte hätte berauskommen follen. □
Daß es die denkbar engberzigften Gefchäftsintereffen waren,
die die befchwerdefübrenden Firmen zu ihrem Vorgehen be=
ftimmten, gebt aus den Scblußfä^en hervor, in denen fie - fich
felbft kompromittierend - gegen die fegensreiche Arbeit unferer
Kunftgewerbefcbulen und der Lebrkurfe zu Felde ziehen. Die
Herren wünfcben gar nicht, daß ihre Lehrlinge, Gehilfen und
Zeichner weitergebildet werden! Sie wollen fie unter Druck
halten, in kurzfichtiger Verblendung glaubend, um fo die Arbeits
kraft ihrer Angeftellten am nu^bringendften auszubeuten. Bil
dung ift ihnen vom Übel, am meiften die künftlerifche. □
Das Rad der Zeit wird über diefe Feinde unferer Kultur
langfam, ftill und lieber binweggeben. □
Krefeld, den 18. Auguft 1906 D R - DENEKEN
MÖBELFHBRIKHNT HERMANN HELLWIG, MEISSEN,
SCHREIBT:
An das Direktorium der III. Deutfcben Kunftgewerbeausftellung,
Dresden 1906 Dresden
Im Befitj Ihrer werten Eingabe erwidere ich Ihnen höflich:
Die kunftgewerblicben Firmen, die gegen die Ausftellungsleitung
Widerfprucb erhoben haben, begründen ihre Gegenbeftrebungen
vor allem damit, den Beweis ihrer (eigenen) künftlerifcben Be
fähigung erbracht zu haben. Von eigener künftlerifcber Befähi
gung und von eigenem Können diefer Firmen kann nicht die
Rede fein; denn was fie ihre eigene künftlerifche Befähigung
nennen, ift lediglich die gefcbickte Ausnü^ung von Künftlern,
deren Namen fie jahrzehntelang unterdrückt haben und unter
dem Firmenftempel noch verbergen. Wenn die Ausftellungs
leitung nun endlich einmal in Erkenntnis der Mißftände den
Künftlern das Wort gibt, fo kann ich ein folcbes Vorgeben nur
billigen. □
Dem Wunfcbe der Kunftgewerbetreibenden, daß die Ausführung
von Privataufträgen an Lebrwerkftätten unterlagt wird, fchließe
ich mich an und zeichne □
hochachtungsvoll
(gez.) HERMANN HELLWIG, Möbelfabrikant
P. S. Mir perfönlich bekannte namhafte Kunftinduftrielle, die
fich an Ihrer Ausftellung nicht beteiligten, haben ihre Unterfcbrift
zu der Proteftfchrift nicht gegeben, weil fie auch meine oben
angeführte Anficht teilen. □
BERNHARD GÖBEL, TISCHLERMEISTER, FREIBERG i. S.,
SCHREIBT:
An das Direktorium der III. Deutfcben Kunftgewerbeausftellung,
Dresden 1906 Dresden
Die III. Deutfcbe Kunftgewerbeausftellung in ihrer ganzen Art
und Weife zeigt einen gewaltigen Fortfehritt des deutfcben Kunft-
bandwerks, des Kunftgewerbes und vor allen Dingen der deutfcben
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