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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

HAUSBAU 
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Das Haus mit den zwei Giebeln ift bübfcb anzufeben. Die flnord» 
nung der Fenfter ift eine feine Hrcbitekturftudie für ein Stadthaus 
abgelcnkt durch die aufdringli 
chen Schilder an den Platjwänden 
ringsum, gar nicht bemerkt. Jetjt 
ift es auch zu erkennen, mit wel 
chem Takt die Erbauer den Brun 
nen im Verhältnis zu den um 
liegenden Gebäudenbehandelten. 
FUles fchließt fich zu einer Einheit 
zufammen und jedes einzelne be 
hält feine volle künftlerifche Gel 
tung. Die Schilder haben die ganze 
großempfundene Einträchtigkeit 
zunichte gemacht. Sie haben, in 
dem fie fich beharrlich dem Huge 
aufdrängen, unfere ganze Huf- 
merkfamkeit von der maßvollen, 
fchlichten Größe abgelenkt und an 
allem Sehenswerten vorbeigelei 
tet. Die Menge ift auf diefe Hrt 
kunftblind geworden. □ 
Eine folcheRadikalkur, die künft- 
lerifcb ficher gerechtfertigt ift, 
wäre in unferen praktifchen Ta 
gen allerdings nicht durchführ 
bar. Wo einft der Patrizier wohn 
te, oder vor den Toren der 
betreßte Lakai ftand, lärmt beute 
das Getriebe des Gefchäftsver- 
kehrs. Der Kaufmann braucht 
Firmenfcbilder. Für ihn ift die 
Das Harvardhaus in Stratford»on»Hvon mit fcböner Fenfteranlage 
und Details von großer Schönheit für ein Stadthaus 
Pracht an den Toren und die einfame Schönheit der Haus 
front ein febr überflüffiges und daher befchwerliches Ding. Die 
Kunft, die wir daran bewundern, ift für ihn ein abgetaner Be 
griff. So gut es gebt, behilft man fich. Man behängt Tore und 
Mauern, ohne Rückficht auf ihren Wert als Kunftdenkmat, und 
führt den kläglichen Zuftand herbei, der vielfach als eine Not 
wendigkeit unferer Zeit erklärt wird. □ 
Es ift eine fehr anfechtbare Meinung, daß diefes Scbilder- 
unwefen eine Notwendigkeit des heutigen Handels fei. □ 
DIE SCHÖNHEIT DES STHDTHHUSES 
D ie Eigenfcbaften eines Volkes find an feinen Käufern ficht- 
bar. Wenig fcbmeichelbaft für diefe Eigenfcbaften ift der 
große Teil der ftädtifeben Hausarchitektur. Maske. Und 
wie von der Maske könnte man fagen, febade, daß fie kein Ge 
hirn bat. □ 
Die Schaffung eines Stadthaufes fetjt einen viel größeren 
geiftigen Hufwand voraus, als das Landhaus, das nur in febr 
geringem Maße auf des Nachbars Meinungen oder Rechte Rück 
ficht zu nehmen braucht und fich mit großer Freiheit entwickeln 
kann. Hber die Tatfacbe, daß ein Stadthaus über ein gemeffenes 
Grundftück von febr kleinen Dimenfionen, gewöhnlich nicht mehr 
als 25 Fuß Front, verfügt, ift entmutigend. Die hoben Grund- 
preife und die Bauvorfchriften tun ein übriges. Das Landhaus 
ift im Prinzip als künftlerifcb gelöft zu betrachten. Im Stadthaus 
find nur febwaebe Hnfätje vorhanden, hier find die Schwierigkeiten 
zu groß. Es ift manches beffer geworden in den lebten Jahren, 
aber diefe Befferungen find äußerlicher Natur und haben wenig 
zu bedeuten. Im bürgerlichen Stadthaus finden wir keine Vor- 
gängerfebaft aus unferer Zeit. Wir wenden daher gern den 
Blick in die altbeimifcbe Bauweife, die künftlerifcb Hilfe und 
Anregung bieten foll. Es kann nicht geleugnet werden, daß die 
Kunftmöglicbkeiten im Landhaus auf den Wink des englifcben 
Landhaufes gefunden worden find. Wäre es nicht vorteilhaft, auch 
den Wink des englifcben Stadthaufes zu beachten? Das Cbelsea- 
Haus, das der berühmte Maler WHISTLER bewohnte, ift ein 
Vorbild für die Möglichkeiten im Stadtbaufe. Wie bekannt, ift 
Cbelsea nur ein Londoner Diftrikt, und ein dortiges Haus mußte 
den ftädtifeben Erforderniffen entfpreeben. Hber Wbiftlers Haus 
ift, trotjdem es diefen Erforderniffen entfpriebt, nicht nur reizvoll 
in der Erfcbeinung, fondern zugleich febr vorteilhaft unterfebieden 
von allen Käufern an der Cbeyne Walk, wo fo manche große 
und hervorragende Leute gewohnt haben. Das Erdgefchoß des 
Kaufes zeigt den natürlichen weichen, blaßroten Backftein, wie 
er überall in England vorkommt. Das erfte Obergefchoß ftellt 
ein breites Band mit grauem Rauhbewurf dar, von keinerlei 
Malerei oder Verzierung unterbrochen, und das zweite Ober 
gefchoß befteht wieder aus Backftein, der bis an das Dach gebt. 
Ein Teil des erften Obergefcboffes tritt bis auf die Straßenflucht 
heraus, wo fich das Htelier befindet, und läßt oberhalb einen 
Miniatur-Dachgarten vor der zurücktretenden übrigen Front des 
Kaufes entftehen, wie aus der obigen Abbildung bervorgebt. 
Die Fenfterrabmen und die Flügel find weiß geftrichen. Das 
Tor mit den zwei Fenftern Oberlicht ift mit getriebenem Kupfer 
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