HAUSBAU
Mi
Das Haus mit den zwei Giebeln ift bübfcb anzufeben. Die flnord»
nung der Fenfter ift eine feine Hrcbitekturftudie für ein Stadthaus
abgelcnkt durch die aufdringli
chen Schilder an den Platjwänden
ringsum, gar nicht bemerkt. Jetjt
ift es auch zu erkennen, mit wel
chem Takt die Erbauer den Brun
nen im Verhältnis zu den um
liegenden Gebäudenbehandelten.
FUles fchließt fich zu einer Einheit
zufammen und jedes einzelne be
hält feine volle künftlerifche Gel
tung. Die Schilder haben die ganze
großempfundene Einträchtigkeit
zunichte gemacht. Sie haben, in
dem fie fich beharrlich dem Huge
aufdrängen, unfere ganze Huf-
merkfamkeit von der maßvollen,
fchlichten Größe abgelenkt und an
allem Sehenswerten vorbeigelei
tet. Die Menge ift auf diefe Hrt
kunftblind geworden. □
Eine folcheRadikalkur, die künft-
lerifcb ficher gerechtfertigt ift,
wäre in unferen praktifchen Ta
gen allerdings nicht durchführ
bar. Wo einft der Patrizier wohn
te, oder vor den Toren der
betreßte Lakai ftand, lärmt beute
das Getriebe des Gefchäftsver-
kehrs. Der Kaufmann braucht
Firmenfcbilder. Für ihn ift die
Das Harvardhaus in Stratford»on»Hvon mit fcböner Fenfteranlage
und Details von großer Schönheit für ein Stadthaus
Pracht an den Toren und die einfame Schönheit der Haus
front ein febr überflüffiges und daher befchwerliches Ding. Die
Kunft, die wir daran bewundern, ift für ihn ein abgetaner Be
griff. So gut es gebt, behilft man fich. Man behängt Tore und
Mauern, ohne Rückficht auf ihren Wert als Kunftdenkmat, und
führt den kläglichen Zuftand herbei, der vielfach als eine Not
wendigkeit unferer Zeit erklärt wird. □
Es ift eine fehr anfechtbare Meinung, daß diefes Scbilder-
unwefen eine Notwendigkeit des heutigen Handels fei. □
DIE SCHÖNHEIT DES STHDTHHUSES
D ie Eigenfcbaften eines Volkes find an feinen Käufern ficht-
bar. Wenig fcbmeichelbaft für diefe Eigenfcbaften ift der
große Teil der ftädtifeben Hausarchitektur. Maske. Und
wie von der Maske könnte man fagen, febade, daß fie kein Ge
hirn bat. □
Die Schaffung eines Stadthaufes fetjt einen viel größeren
geiftigen Hufwand voraus, als das Landhaus, das nur in febr
geringem Maße auf des Nachbars Meinungen oder Rechte Rück
ficht zu nehmen braucht und fich mit großer Freiheit entwickeln
kann. Hber die Tatfacbe, daß ein Stadthaus über ein gemeffenes
Grundftück von febr kleinen Dimenfionen, gewöhnlich nicht mehr
als 25 Fuß Front, verfügt, ift entmutigend. Die hoben Grund-
preife und die Bauvorfchriften tun ein übriges. Das Landhaus
ift im Prinzip als künftlerifcb gelöft zu betrachten. Im Stadthaus
find nur febwaebe Hnfätje vorhanden, hier find die Schwierigkeiten
zu groß. Es ift manches beffer geworden in den lebten Jahren,
aber diefe Befferungen find äußerlicher Natur und haben wenig
zu bedeuten. Im bürgerlichen Stadthaus finden wir keine Vor-
gängerfebaft aus unferer Zeit. Wir wenden daher gern den
Blick in die altbeimifcbe Bauweife, die künftlerifcb Hilfe und
Anregung bieten foll. Es kann nicht geleugnet werden, daß die
Kunftmöglicbkeiten im Landhaus auf den Wink des englifcben
Landhaufes gefunden worden find. Wäre es nicht vorteilhaft, auch
den Wink des englifcben Stadthaufes zu beachten? Das Cbelsea-
Haus, das der berühmte Maler WHISTLER bewohnte, ift ein
Vorbild für die Möglichkeiten im Stadtbaufe. Wie bekannt, ift
Cbelsea nur ein Londoner Diftrikt, und ein dortiges Haus mußte
den ftädtifeben Erforderniffen entfpreeben. Hber Wbiftlers Haus
ift, trotjdem es diefen Erforderniffen entfpriebt, nicht nur reizvoll
in der Erfcbeinung, fondern zugleich febr vorteilhaft unterfebieden
von allen Käufern an der Cbeyne Walk, wo fo manche große
und hervorragende Leute gewohnt haben. Das Erdgefchoß des
Kaufes zeigt den natürlichen weichen, blaßroten Backftein, wie
er überall in England vorkommt. Das erfte Obergefchoß ftellt
ein breites Band mit grauem Rauhbewurf dar, von keinerlei
Malerei oder Verzierung unterbrochen, und das zweite Ober
gefchoß befteht wieder aus Backftein, der bis an das Dach gebt.
Ein Teil des erften Obergefcboffes tritt bis auf die Straßenflucht
heraus, wo fich das Htelier befindet, und läßt oberhalb einen
Miniatur-Dachgarten vor der zurücktretenden übrigen Front des
Kaufes entftehen, wie aus der obigen Abbildung bervorgebt.
Die Fenfterrabmen und die Flügel find weiß geftrichen. Das
Tor mit den zwei Fenftern Oberlicht ift mit getriebenem Kupfer
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