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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

TECHNIK UND KUNST IM GEWERBE 
ÜBER DHS BÜCHERBINDEN 
VON DOUGLHS COCKERELL, LONDON 
ie modernen Buchdecken kann man in zwei Klaffen eim 
teilen - gebundene Bücher und eingehängte Bücher. Man 
fagt von einem Buche: es ift »gebunden«, wenn die Bünde, 
auf welche feine Lagen geheftet find, durch die Deckel gezogen 
oder in anderer Weife feft verbunden find und der Überzug 
nachher hinzugefügt ift. »Eingehängt« nennt man ein Buch, 
wenn die Deckel zuerft überzogen wurden und fo einen Um« 
fcblag bilden, in welchen das Buch eingehängt ift. □ 
Das Bücherbinden kann wieder in zwei Hauptklaffen eingeteilt 
werden: Bände, bei welchen der Buchbinder fein Beftes tun 
konnte mit dem beften Material, im Handel als »extrabinding« 
bekannt, und Bände, bei welchen er zu einem gewiffen Korn« 
promiß mit dem Beften gezwungen war, um den Preis mäßig 
zu halten. □ 
Die Haupteigenfchaften eines guten haltbaren Bandes für ein 
normales Buch find etwa folgende: alle Lagen des Buches müffen 
genügende Befeftigung haben und deshalb alle Tafeln oder ein« 
zelne Blätter an Fälze angehängt werden, durch die hindurch 
geheftet werden kann, fo daß jedes einzelne Blatt fich regelrecht 
bis zum Rücken auffchlagen läßt. □ 
Die Lagen müffen auf fcbmiegfame Bünde geheftet und die 
Enden diefer Bünde feft mit den Deckeln verbunden werden. 
Der Rücken und die Gelenke müffen aus biegfamem Material 
beftehen, das zugleich Zwirn und Bünde fchütyt, dabei auch hilft, 
den Band zu ftärken. □ 
Ein fchöner Band kann noch viele andere Eigenfchaften haben 
in bezug auf Verfeinerung oder Ausarbeitung; wenn aber die 
oben erwähnten Eigenfchaften nicht vorhanden find, fo ift er 
ein unzulängliches Stück Arbeit. 
Die Prozeffe, die ein »extra«bound«=Buch in der Hand des 
Buchbinders durchmachen muß, find folgende: □ 
Erhält man das Buch vom Drucker ungefalzt, fo werden die 
Bogen gefalzt und kollationiert; wenn Tafeln oder einzelne 
Blätter dabei find, werden diefe mit Fälzen verfehen. Fälze 
find fcbmale Streifen guten, dünnen Papiers oder Leinen, die an 
den Rücken von Tafeln oder einzelnen Blättern befeftigt find, 
und die um das näcbfte Seitenpaar umgebogen find, fo daß der 
Heftzwirn durch fie hindurch geht. □ 
Die einfachere Methode, Tafeln anzuheften, indem man ihre 
Rückenränder an die nächfte Seite klebt, ift eine tadelbafte, da 
eine fo befeftigte Tafel wenig Halt bat und das Blatt, an welches 
fie geklebt ift, fich nicht richtig bis in den Rücken auflegen kann. 
Wenn die Bogen gefalzt und die mit Fälzen verfehenen Tafeln 
an ihre Plätje gelegt find, werden die Lagen gepreßt, um die 
Blätter zu glätten. Es befteht eine Regel, daß das Buch »folid« 
fein foll, d. h. daß die Blätter ganz feft aufeinander liegen feilen. 
Um dies zu erlangen, werden die Lagen gewöhnlich einem 
außerordentlichen Drucke unterworfen in einer Mafchine wie 
eine Mangel, einer fogenannten Walze, oder in einer mächtigen 
bydraulicben Preffe. Dies genügt für die meiften modernen 
Bücher, die auf ein cbarakterlofes Mafchinenpapier gedruckt find; 
aber für Bücher, die auf gutes Papier mit einer intereffanten 
Oberfläche gedruckt find, in welches die Type ein wenig ein« 
finken kann und dabei das hinterläßt, was der Drucker »Schatten« 
nennt, ift folch fcharfer Druck verhängnisvoll. Er nimmt alle 
Charakter aus dem Werke und läßt ein febönes Stück Druck« 
arbeit ausfeben wie ein leblofes Fakfimile. Die Blätter eines 
Buches müffen mäßig feft aufeinander liegen, um Staub und 
Feuchtigkeit auszufcbließen, und ein gewiffer Druck ift nötig; 
für die »extra« gebundenen Werke aber ift es nicht wünfehens« 
wert, das Buch zu einem fteinartigen Blocke zufammenzu» 
quetfehen. □ 
War ein Buch vorher brofehiert oder gebunden, fo muß ge 
wöhnlich noch vielerlei an den Lagen getan werden, ehe fie in 
die Preffe kommen können. Es muß kollationiert und irgend 
welche Defekte notiert werden. Die Lagen müffen auseinander 
genommen und der alte Leim vom Rücken abgekratzt werden. 
Trotj der größten Verficht werden hierbei wabrfcbeinlicb einige 
der Blätter am Rücken zerriffen werden, und wenn das Buch 
geheftet war, wird der Rücken jedes Blätterpaares eine Reibe 
von Löchern enthalten. Waren Tafeln »vorgeklebt«, fo müffen 
fie von den Blättern abgenommen werden, an welche fie be 
feftigt find. Ehe die Lagen für die Preffe fertig find, müffen 
alle zerriffenen Blätter, Efelsobren und fcblecbten Stellen aus« 
gebeffert werden, es ift dies eine langwierige und koftfpielige 
Befchäftigung, und falls es fich um ein neu berausgegebenes 
Buch bandelt, ift es oft billiger und ftets beffer, ein neues, un 
gebundenes Exemplar beim Buchhändler zu erftehen, als Zeit 
und Geld damit zu vergeuden, den Schaden zu reparieren, den 
der vorhergehende Buchbinder angerichtet bat. □ 
Manche Bücher werden in einzelnen Blättern berausgegeben, 
die dadurch zufammengebalten werden, daß man ihre Ränder 
im Rücken mit einer Gummilöfung überzieht, welche in ein 
oder zwei Jahren ihre Klebrigkeit verliert und die Blätter aus 
einanderfallen läßt. Ehe fie gebunden werden können, müffen 
fie an Fälzen zu Lagen vereinigt werden. Die einfachere und 
gewöhnlichere Methode beftebt darin, daß man die einzel 
nen Blätter zu Lagen »umnadelt« und durch die Umnadelung 
heftet. Diefe Methode ift unzulänglich, da das Umftecben von 
dem Spatium am Rücken der Blätter zuviel wegnimmt und fie 
bindert, fich frei aufzulegen; in einigen Fällen jedoch, wo das 
»an Fälze hängen« zu koftfpielig fein würde, muß man zum 
Umftechen feine Zuflucht nehmen. □ 
Sind die Blätter eines alten, wertvollen Buches befleckt, fo 
müffen fie gewafeben werden. Auf das Verfahren des Aus« 
befferns und Wafchens kann ich hier nicht eingeben, aber ganz 
allgemein mag gefagt fein, daß es, wenn das Papier eines alten 
Buches nur leicht verfärbt ift, beffer ift, es fo zu laffen und nur 
folche Blätter zu wafchen, auf denen dunkle und verunftaltende 
Flecke find. Gewöhnliche Schreibtinte kann aus gutem Papier 
leicht ausgewafeben werden, und es ift manchmal ratfam, die 
geiftlofen Notizen zu entfernen, die manche Leute auf den Rand 
feböner Bücher febreiben. Ein großes Intereffe liegt manchmal 
in den Namen und Ex-libris früherer Befitjer und anderen Zeichen, 
die einen Wink für die individuelle Gefchicbte eines Buches 
geben; diefe zu entfernen, um das Buch gut ausfebend zu machen, 
wäre febr verkehrt. □ 
Ift das Papier eines alten Buches weich wie Löfchpapier, fo ift 
dies ein Zeichen, daß die Leimung verdorben ift, wabrfcheinlich 
durch Dampf. In folcben Fällen ift es unbedingt notwendig, daß 
die Blätter neu geleimt werden; andernfalls zerfallen fie in 
Stücke. Der beiße Leim ift nicht nur beilfam für das Papier, 
fondern er entfernt auch noch eine gute Anzahl Flecken, und 
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