TECHNIK UND KUNST IM GEWERBE
ÜBER DHS BÜCHERBINDEN
VON DOUGLHS COCKERELL, LONDON
ie modernen Buchdecken kann man in zwei Klaffen eim
teilen - gebundene Bücher und eingehängte Bücher. Man
fagt von einem Buche: es ift »gebunden«, wenn die Bünde,
auf welche feine Lagen geheftet find, durch die Deckel gezogen
oder in anderer Weife feft verbunden find und der Überzug
nachher hinzugefügt ift. »Eingehängt« nennt man ein Buch,
wenn die Deckel zuerft überzogen wurden und fo einen Um«
fcblag bilden, in welchen das Buch eingehängt ift. □
Das Bücherbinden kann wieder in zwei Hauptklaffen eingeteilt
werden: Bände, bei welchen der Buchbinder fein Beftes tun
konnte mit dem beften Material, im Handel als »extrabinding«
bekannt, und Bände, bei welchen er zu einem gewiffen Korn«
promiß mit dem Beften gezwungen war, um den Preis mäßig
zu halten. □
Die Haupteigenfchaften eines guten haltbaren Bandes für ein
normales Buch find etwa folgende: alle Lagen des Buches müffen
genügende Befeftigung haben und deshalb alle Tafeln oder ein«
zelne Blätter an Fälze angehängt werden, durch die hindurch
geheftet werden kann, fo daß jedes einzelne Blatt fich regelrecht
bis zum Rücken auffchlagen läßt. □
Die Lagen müffen auf fcbmiegfame Bünde geheftet und die
Enden diefer Bünde feft mit den Deckeln verbunden werden.
Der Rücken und die Gelenke müffen aus biegfamem Material
beftehen, das zugleich Zwirn und Bünde fchütyt, dabei auch hilft,
den Band zu ftärken. □
Ein fchöner Band kann noch viele andere Eigenfchaften haben
in bezug auf Verfeinerung oder Ausarbeitung; wenn aber die
oben erwähnten Eigenfchaften nicht vorhanden find, fo ift er
ein unzulängliches Stück Arbeit.
Die Prozeffe, die ein »extra«bound«=Buch in der Hand des
Buchbinders durchmachen muß, find folgende: □
Erhält man das Buch vom Drucker ungefalzt, fo werden die
Bogen gefalzt und kollationiert; wenn Tafeln oder einzelne
Blätter dabei find, werden diefe mit Fälzen verfehen. Fälze
find fcbmale Streifen guten, dünnen Papiers oder Leinen, die an
den Rücken von Tafeln oder einzelnen Blättern befeftigt find,
und die um das näcbfte Seitenpaar umgebogen find, fo daß der
Heftzwirn durch fie hindurch geht. □
Die einfachere Methode, Tafeln anzuheften, indem man ihre
Rückenränder an die nächfte Seite klebt, ift eine tadelbafte, da
eine fo befeftigte Tafel wenig Halt bat und das Blatt, an welches
fie geklebt ift, fich nicht richtig bis in den Rücken auflegen kann.
Wenn die Bogen gefalzt und die mit Fälzen verfehenen Tafeln
an ihre Plätje gelegt find, werden die Lagen gepreßt, um die
Blätter zu glätten. Es befteht eine Regel, daß das Buch »folid«
fein foll, d. h. daß die Blätter ganz feft aufeinander liegen feilen.
Um dies zu erlangen, werden die Lagen gewöhnlich einem
außerordentlichen Drucke unterworfen in einer Mafchine wie
eine Mangel, einer fogenannten Walze, oder in einer mächtigen
bydraulicben Preffe. Dies genügt für die meiften modernen
Bücher, die auf ein cbarakterlofes Mafchinenpapier gedruckt find;
aber für Bücher, die auf gutes Papier mit einer intereffanten
Oberfläche gedruckt find, in welches die Type ein wenig ein«
finken kann und dabei das hinterläßt, was der Drucker »Schatten«
nennt, ift folch fcharfer Druck verhängnisvoll. Er nimmt alle
Charakter aus dem Werke und läßt ein febönes Stück Druck«
arbeit ausfeben wie ein leblofes Fakfimile. Die Blätter eines
Buches müffen mäßig feft aufeinander liegen, um Staub und
Feuchtigkeit auszufcbließen, und ein gewiffer Druck ift nötig;
für die »extra« gebundenen Werke aber ift es nicht wünfehens«
wert, das Buch zu einem fteinartigen Blocke zufammenzu»
quetfehen. □
War ein Buch vorher brofehiert oder gebunden, fo muß ge
wöhnlich noch vielerlei an den Lagen getan werden, ehe fie in
die Preffe kommen können. Es muß kollationiert und irgend
welche Defekte notiert werden. Die Lagen müffen auseinander
genommen und der alte Leim vom Rücken abgekratzt werden.
Trotj der größten Verficht werden hierbei wabrfcbeinlicb einige
der Blätter am Rücken zerriffen werden, und wenn das Buch
geheftet war, wird der Rücken jedes Blätterpaares eine Reibe
von Löchern enthalten. Waren Tafeln »vorgeklebt«, fo müffen
fie von den Blättern abgenommen werden, an welche fie be
feftigt find. Ehe die Lagen für die Preffe fertig find, müffen
alle zerriffenen Blätter, Efelsobren und fcblecbten Stellen aus«
gebeffert werden, es ift dies eine langwierige und koftfpielige
Befchäftigung, und falls es fich um ein neu berausgegebenes
Buch bandelt, ift es oft billiger und ftets beffer, ein neues, un
gebundenes Exemplar beim Buchhändler zu erftehen, als Zeit
und Geld damit zu vergeuden, den Schaden zu reparieren, den
der vorhergehende Buchbinder angerichtet bat. □
Manche Bücher werden in einzelnen Blättern berausgegeben,
die dadurch zufammengebalten werden, daß man ihre Ränder
im Rücken mit einer Gummilöfung überzieht, welche in ein
oder zwei Jahren ihre Klebrigkeit verliert und die Blätter aus
einanderfallen läßt. Ehe fie gebunden werden können, müffen
fie an Fälzen zu Lagen vereinigt werden. Die einfachere und
gewöhnlichere Methode beftebt darin, daß man die einzel
nen Blätter zu Lagen »umnadelt« und durch die Umnadelung
heftet. Diefe Methode ift unzulänglich, da das Umftecben von
dem Spatium am Rücken der Blätter zuviel wegnimmt und fie
bindert, fich frei aufzulegen; in einigen Fällen jedoch, wo das
»an Fälze hängen« zu koftfpielig fein würde, muß man zum
Umftechen feine Zuflucht nehmen. □
Sind die Blätter eines alten, wertvollen Buches befleckt, fo
müffen fie gewafeben werden. Auf das Verfahren des Aus«
befferns und Wafchens kann ich hier nicht eingeben, aber ganz
allgemein mag gefagt fein, daß es, wenn das Papier eines alten
Buches nur leicht verfärbt ift, beffer ift, es fo zu laffen und nur
folche Blätter zu wafchen, auf denen dunkle und verunftaltende
Flecke find. Gewöhnliche Schreibtinte kann aus gutem Papier
leicht ausgewafeben werden, und es ift manchmal ratfam, die
geiftlofen Notizen zu entfernen, die manche Leute auf den Rand
feböner Bücher febreiben. Ein großes Intereffe liegt manchmal
in den Namen und Ex-libris früherer Befitjer und anderen Zeichen,
die einen Wink für die individuelle Gefchicbte eines Buches
geben; diefe zu entfernen, um das Buch gut ausfebend zu machen,
wäre febr verkehrt. □
Ift das Papier eines alten Buches weich wie Löfchpapier, fo ift
dies ein Zeichen, daß die Leimung verdorben ift, wabrfcheinlich
durch Dampf. In folcben Fällen ift es unbedingt notwendig, daß
die Blätter neu geleimt werden; andernfalls zerfallen fie in
Stücke. Der beiße Leim ift nicht nur beilfam für das Papier,
fondern er entfernt auch noch eine gute Anzahl Flecken, und
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