DIE MIETSWOHNUNG
AMERIKANISCHE
MASCHINENMÖBEL
Der Formenreichtum
ift unerfcböpflicb,wenn
es ficb nicht mehr um
das Ornament, fondern
um den Komfort
handelt
gegebenen Premiffen führt auf den formalen Grundfat) der Kiffen-
tifcblerei. Wenn wir in der Mietswobnung je wieder das Leben
angenehm und leicht empfinden wollen, dann müffen wir auf die
laftende Koftbarkeit der beweglichen Habe wieder verzichten
können und zur Einfachheit der kiftenmäßigen Wobnungsaus-
ftattung zurückkehren, die obendrein eine klare, arcbitektonifche
Durchbildung wieder erficbtlicb und die ungehinderte Anwen
dung der febönen Farben, wie ipäter darzutun, möglich macht.
Schwachen Gemütern wird es als eine unerhörte Zumutung er-
febeinen, zu diefer Einfachheit zurückzukebren, die in der Ge-
febiebte der Möbelformen eigentlich der Ausgangspunkt war. Wir
dürfen nicht vergeffen, daß die Truhe das Urmöbel gewefen ift (
aus dem ficb die Bank, der Tborn, der Stuhl und alle anderen
Möbelarten nach und nach gegliedert haben. In guten Räumen
der Gotik und der Frübrenaiffance berrfebt die Truhe oder die
Kifte, oder mit anderen Worten, die ihnen eigentümliche Grund
form, deren Abwandlung für alle Wobnbedürfniffe verforgt. Diefe
febönen, alten Räume, in denen diefe ftrenge Grundform vor-
berrfebt, find febön durch die barmonifchen, alfo architektonifch
geordneten Maßverbältniffe, von denen die Wand und der Grundriß
gegliedert find. Auf den Bildern der frübitalienifcben Meifter
finden wir folcbe Räume, die nichts enthalten, als das eine oder
andere trubenförmige Möbel, und jedes Schmuckes entbehren und
dennoch in ihrer keufchen Enthaltfamkeit fo erfüllt von Harmonie
find, daß wir bei ihrem Anblick das Glück einer heiteren Selig
keit empfinden. Da kommt es nun vor, daß diefe Möbelformen
im reichen Schmuck der febönen beraldifcben Farben und der
eingelegten Arbeit aus edlen Metallen und koftbaren Hölzern
auftritt oder daß, die in unterer Zeit nicht mehr exiftierende
Kunft des Schnitters der abftrakten Raumgröße individuelles
Leben gibt. Von der Seelenkraft des reichen Scbnitjwerkes
und der köftlicben Farben gefangen genommen, überfab der Be
trachter in der Regel, daß in folcben alten, ftrengen Räumen die
Architektur als Trägerin diefer Herrlichkeit mit unbeugfamer
Konfequenz nach diefer einfachen, fcbematifchen Aufteilung ver
fährt, deren Grundform die Truhe gibt, das Quadrat oder der
Würfel, wenn auch in länglicher Form, und daß erft durch den
geiftvoll kombinierten Aufbau diefer einfaebften Raumelemente
die malerifchen und bildnerifcben Künfte zum vollen Ausklingen
gelangen. Erft als Glieder der Raumkunft kommen die einzelnen
technifchen Künfte zu der ungefchmälerten lebensvollen Wirkung,
die von der architekturblinden, einfeitigen Bevölkerung meiftens
nur im Fragment beurteilt wird. Der architekturblinde Beur
teiler ift in der Regel geneigt, von Manieriertheit zu fpreeben,
wo eine einfache mit elementaren Raumwerten operierende An
ordnung ohne das berückende Kleid der ergänzenden Künfte
bervortritt. Streng genommen kann jede zweckvolle Anwendung,
die ficb architektonifch in gefühlten Verbältniffen ausdrückt, künft»
lerifcb für ficb allein befteben. Bei dem ominöfen Wort Manier
ift zu unterfcheiden, ob es ficb um die komplizierte Anwendung
einfaebfter Raumgrößen in finnvollen Verbältniffen handelt, die
das Wefen des Architektonifcben ausmacht, oder um die Willkür
einer fcblecbtverftandenen, fogenannten malerifchen Anordnung.
Die moderne Tendenz ift darauf gerichtet, die Maffe der Woh
nungen mit einem zweckmäßigen, wohlfeilen Hausrat zu ver-
forgen, der das Leben in diefen Räumen wieder auf die Stufe
des künftlerifcben Gefcbmackes erhöbt und leicht und froh macht.
Es entfpricht auch der modernen Erzeugung und wirtfchafHieben
Tendenz, das Maffenmöbel mafchinell berzuftellen. Wenn es mög
lich fein foll, die Maffe zu einem erträglichen Gefcbmack zu bringen,
dann bedarf es einer guten Type des Mafcbinenmöbels, das den
Markt beherrfebt. Ein individuelles künftlerifches Möbel kann
ficb nur aus dem Vorbandenfein einer guten Type entwickeln.
Die gute Type des Mafcbinenmöbels nach Einfachheit und Zweck
mäßigkeit, fowohl wegen der Herftellung, alfo auch wegen des
Gebrauches zum Gefetj. Es ift logifcb, daß die einfaebfte, allge-
meinfte und in der Anwendung vielfeitigfte Form aufgreift, die
fchematifche Grundform. Aus weichem Holz bergeftellt, bedürfen
fie vor allem des Anftriches, der nach längerem Gebrauch erneuert
werden kann und immer Reinheit und Sauberkeit zur Aufgabe
macht. Sie bedürfen vor allem der Farbe. Sie eröffnen damit
ein neues, unerfchöpfliches Gebiet der künftlerifcben Betätigung,
eine verlockende Perfpektive, um die wir das Volk in den frü
heren Jahrhunderten der Kultur und in gewiffen Gegenden noch
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