WOHNUNGSfiUSSTHTTUNG
Überzeugungen zu machen, vorausgefe^t, daß diefe perfönlicben
Überzeugungen nicht aus dem blinden Vertrauen auf fremde
Hutorität, fondern aus der eigenmächtigen Prüfung und der da
raus gewonnenen klaren Erkenntnis der Bedürfniffe gefchöpft
worden find. 1=1
Den Reigen der Fragen eröffnet eine Hnzabl von Wünfchen,
die den Hrcbitekten betreffen, den Baumeifter, der fich in unferen
Miethäufern leider nur fehr widerftrebend neuzeitlichen Forde
rungen bequemen will. Diefe Wünfcbe betreffen zunäcbft die
Fenfter und Türen. Sind breite Palaftflügeltüren in den kleinen
Wohnungen nicht eine unerhörte Raumverfchwendung? Wie be
quem und vorteilhaft für das Stellen der Möbel wäre es, ftatt zweier
Fenfter lieber ein breites Fenfter in der Mitte zu haben, das erftens
einen guten Lichteinfall gewährt und zu beiden Seiten tiefe Ecken,
die für ein behagliches Arrangement unerläßlich find. Und dann
die holzbraun geftrichenen Tür-und Fenfterteile! Untere Groß
eltern batten fämtlicbe Holzteile weiß geftrichen. Diefe Gewohn
heit werden wir wieder allgemein aufnebmen müffen, wenn wir
belle, freundliche Wohnungen haben wollen. □
Wenn wir zur Erkenntnis und Verwertung moderner Hilfs
mittel und technifcher Einrichtungen, die fich uns vorftellen, ge
langt find, wird es nicht fcbwer fallen, auch im Möbel jene glatten,
einfachen und zweckvollen Formen zu finden, die dem Begriffe
des modernen Komforts entfprecben. Hier fetjt freilich erft recht
die perfönlicbe Arbeit ein. O
FABRIKATION, KUNST, SCHÖNE KUNST
□ JOHN RUSKIN □
E s wäre gut, wenn alte Jünger der Kunft den wirklichen
Unterfcbied zwifchen den fo oft von uns gebrauchten
Worten »Fabrikation«, »Kunft« und »fcböne Kunft« ftets
klar vor Augen hätten. 1:1
Nach der Abftammung und dem richtigen Gebrauch des Wortes
bedeutet Fabrikation oder Manufaktur »die Herftellung von
irgend etwas durch die Hände«, mittelbar oder unmittelbar, mit
oder ohne die Hilfe von Werkzeugen oder Mafchinen. Alles, was
die Hand des Menfcben erzeugt, ift Manufaktur; aber es darf
nur auf mecbanifcbe Weife von der Hand gefcbaffen worden fein,
von der direkten Einwirkung der Intelligenz nicht beeinflußt.
Kunft ift das Zufammenwirken der menfcblichen Hand und
des menfcblichen Geiftes; es gibt eine Kunft, Mafchinen berzu-
ftellen; eine Kunft, Schiffe zu bauen; eine Kunft, Wagen anzu
fertigen ufw. Alles das gehört fehr wohl zu den Künften, aber
nicht zu den fcbönen Künften; es find Betätigungen, bei denen
die Hand und der Kopf des Menfcben zufammengeben und gleich
zeitig arbeiten müffen. n
Die fcböne Kunft hingegen, nimmt gleichzeitig und zur gemein-
famen Tätigkeit Menfcbenband, Menfcbengeift und Menfchenberz
in Anfpruch. Man denke an diefe Dreiheit; fie hilft viele fcbwie«
rige Probleme löfen. Man vergeffe nicht, daß die Hand in der
fcbönen Kunft zwar binabdringen muß bis zum Kleinlich ft en,
doch auch binaufreichen muß bis zum Höcbften; fie muß in der
fcbönen Kunft in einem weitaus größeren und klareren Sinne
als in der Manufaktur vorberrfcben. Noch ift es keiner Mafchine
gelungen, noch wird es jemals einer gelingen, dem feinen
Mechanismus der menfcblichen Finger gleichzukommen. Durch
aus vollkommene Kunft ift die, welche vom Herzen kommt, welche
alle edlen Stimmungen umfaßt, zu denen fich, wiewohl dem
Herzen untergeordnet, die Hand gefeilt und fo den ganzen Men
fcben aus fich beraustreibt und zur Geltung bringt. □
Hieraus ergibt fich, daß die Manufaktur, da fie weiter nichts
ift als die Betätigung der menfcblichen Hand, um Nützliches zu
erzeugen, fich wefentlicb von der Gefühlswelt trennt; denn die
Gefühle fcbaden, wenn fie bei mafcbinenmäßiger Verrichtung ein-
dringen, weil diefe immer ganz ebenmäßig ohne Gefüblsbei»
mengung vor fich geben muß. Die fcbönen Künfte jedoch müffen
von einer den Mechanismus durchdringenden Stimmung getragen
fein, und bis der Kunftbefliffene zu fühlen beginnt und alles, was
er tut vom Strome feiner Gefühle beftrichen wird, ift er kein
Künftler. Die englifchen Künftler find jedoch allerhand Verfu-
cbungen ausgefetzt, welche ihr Gefühlsleben abftumpfen. Ich
bin entmutigt, fo oft ich meine Schüler anrede, weil ich nicht
weiß, auf welche Weife ich ihnen kühn berausfagen foll, was fie
tun müffen, weil ich fühle, wie fcbwer durchführbar es ift. Man
ftellt allerhand Anforderungen an fie. Geld läßt fich auf alle
möglichen Weifen, nur nicht auf die richtige machen. □
Studiert man und malt man, wie man ftudieren und malen
foll, fo darf man deffen ficher fein, daß das Publikum Einen ganz
gewiß auf lange Zeit unbeachtet laffen wird. Wenn man (an
genommen, daß Talent vorhanden fei) auf falfcbe Art ftudiert,
um die Aufmerkfamkeit des Publikums auf fich zu lenken, fo
dürfte es fich bald lohnen; der Lohn wird fich jedoch nicht fo»
bald einftellen, wenn er auf ehrliche Weife erftrebt wird. Die
Pfade einer rechten und echten Lehrzeit find ftille und nahezu
von aller Hilfe und Ermunterung ausgefcbloffen. Die falfcben
Pfade find geräufcbvoll, lärmerfüllt, indem alle Arten von An»
fprücben an die Kunft geftellt werden, ohne daß fie im Grunde
etwas mit ihr zu tun haben. Im Wirrwarr moderner Intereffen
läßt fich auf alle mögliche Weife Geld verdienen, wahre Kunft
jedoch läßt fich nur auf einem Wege machen .... □
PREISAUSSCHREIBEN
ie Pianofortefabrik Emft Kaps, 6. m. b. H., in Dresden, fcbreibt einen Wettbewerb unter
in Deutfcbland und Öfterreicb wohnhaften Künftlem aus, zur Erlangung von Entwürfen
zu einem Ober-Rahmen für Pianinos, aus deffen Beftimmungen wir die folgenden
hervorheben:
»Die gefamten Entwürfe find fpäteftens am 15. Dezember 1906, nachmittags 4 Uhr, im
kaufmännifchen Bureau der Firma Ernft Kaps, G. m. b. H„ Dresden-Fr. 5, Seminarftrafle 20,
fpefenfrei abzuliefem. Die drei beften Entwürfe werden durch Preife von 250, 150 und
100 Mark ausgezeichnet. Die Firma Emft Kaps, G. m. b. H., behält fich vor, noch weitere
Entwürfe für je 50 Mark anzukaufen. Die Firma Ernft Kaps, G. m. b. H., behält fich
das Recht vor, allein Beftimmung zu treffen, welcher Entwurf zur Hus»
führung gelangt. Preisrichter: Profeffor Wilh. KREIS, ordentl. Profeffor an der Königl.
Kunftgewerbefchule in Dresden; Profeffor William LOSSOW, Direktor der Königl. Kunft-
gewerbefchule in Dresden; K. SCHMIDT, Inhaber der Dresdener Werkftätten für Handwerks-
kunft in Dresden; Profeffor F. W. SCHUMHCHER, ordentl. Profeffor an der Königl. Tecb-
nifcben Hocbfcbule in Dresden, und ferner wird die Firma Kaps, G. m. b. H., mit einer
Stimme mitftimmen. Die eingereicbten Entwürfe werden nach der Entfcbeidung in Dresden
öffentlich ausgeftellt werden. Die Urheber aller nicht preisgekrönten oder nicht angekauften
Entwürfe find berechtigt, ihre eingereichten Hrbeiten nach dem 1. FIpril 1907 gegen Rück
gabe der Empfangsbeftätigung zurückzufordem. Die Rückgabe erfolgt ab Bureau Dresden,
auf Gefahr und etwaige Spefen zu Laften des Empfängers. Für bis zum 1. Oktober 1907
noch nicht abgeholte Entwürfe übernimmt die Firma Emft Kaps, G. m. b. H., keinerlei
Verantwortung.« O
Verlag: R. Voigtländer 8 Verlag, Leipzig
Druck: Otto Regel, Leipzig
Für die Redaktion: Jofepb Hug. Lux,
Redaktion und Verlag in Leipzig, Breitkopfftraße 7
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