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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 3. Jahrgang 1906/07

menfcblicben Hnläffe die Tafel künftlerifch geftalten können: als 
Geburtstagstifcb, Hocbzeitstifcft, Jubiläumstifcb, Bowlentifcb, Weif> 
nacbtstifcb, Frübftücks- und Mittagstifcb zu allen Jahreszeiten. 
Wir werden es an gelegentlichen Beifpielen nicht fehlen laffen. 
Die Bilder diefes Heftes zeigen nebft der befonderen Schönheit des 
Tifchgerätes einige Verfuche, in diefer Art künftlerifch zu wirken. 
Einige Winke über die Hftbetik der Tafel dürften von 
Nutjen fein. Nach einem Erfahrungsfa^, den die Römer fcbon 
kannten, foll eine Tifchgefellfchaft nicht weniger als die Zahl 
der Grazien und nicht mehr als die Zahl der Mufen betragen. 
Für das Gedeck exiftiert nur eine Farbe, die den Glanz der 
Frifche und der Hppetitlichkeit gewährt, das feftlicbe Weiß, als 
der richtige Grundton, davon fich das Silber, Kriftall, Porzellan 
und die freudigen Farben der Blumen fcbön und erquicklich 
abheben und zugleich ein Schmaus für das fluge find. Die äfthe» 
tifche Befriedigung ift ein wefentlicher Beftandteil der Tafelfreude. 
Nebft dem feinen weißen Linnen, das manche Frauen, wie 
namentlich in früherer Zeit, hüten wie Silber, ift es die Blume, 
welche, wie oben getagt, dem gedeckten Tifcb den Hdel künft= 
lerifcher Schönheit verleiht. □ 
Die Reform des Tafelgedeckes beginnt fcbon bei der Serviette. 
Sie bat heute noch eine Form, die ihre Gebrauchsart längft 
überlebt hat. Kein Menfcb von Lebensart wird fie heute noch 
mit einem Zipfel unter dem Kinn in den Kragen ftecken. Man 
legt fie heute einfach über den Schoß. Die zweckentfprecbende 
Form follte demnach jene fein, welche etwa das Handtuch befitjt: 
ein längliches Rechteck. Daß die Serviette weich und lind fei, 
wird zwar in der Theorie immer verlangt, aber die Praxis kennt 
nur damaftene Servietten, die anfangs bockfteif find und nach 
längerem Gebrauch abhaaren. Die Zeiten find wirklich vorüber, 
wo Linnen dem Silber gleicbgeftellt war. □ 
Über das Glas wäre manches zu fagen. Gewöhnlich fitjt das 
Glas wie ein Blumenkelch auf hohem dünnen Stengel, was zwar 
anmutig anzufehen, aber in fehr hohem Maße unpraktifcb ift. 
Erftens wird die Standfeftigkeit gering, bei leifer Berührung 
fällt das Glas um, und zweitens ift der Stengel beim Reinigen 
allzuleicht abzudrehen. Aber auch dickes Glas ift nicht zu emp» 
fehlen, weil nicht gut daraus zu trinken ift. Zwifcben Lippe 
und Flüffigkeit foll fich fo wenig Glaswand befinden, als immer» 
bin möglich. Aus diefer Vorausfetjung ergibt fich die organifche 
Form des Trinkglafes von felbft; es müßte einen ftarken, feft» 
ftehenden, ftarkwandigen Fuß und Stengel haben und müßte 
gegen den Rand ganz dünn verlaufen, um als angenehmes Glas 
empfunden zu werden. Handfam foll das Glas fein und mund» 
gerecht. Dem Glafe ftebt das Porzellan zunäcbft. Ich weiß, daß die 
meiften Leute buntbemaltes Gefcbirr lieben. Es macht zwar 
nicht viel aus, ob das Gefcbirr bemalt ift oder einfach weiß, nur 
ift zu bedenken, daß die Bemalung häufig Schäden des Porzellans 
verdecken muß. Reliefartiger Dekor am Tellerrand ift im böcbften 
Grade unzweckmäßig, aber alles Unzweckmäßige ift am häufig» 
ften anzutreffen. Ganz weißes Gefchirr ohne bunte Streifen ift 
fehr vornehm in der Wirkung, aber merkwürdigerweife feiten 
im Gebrauch zu finden. □ 
Und nun das Silber. Es ift ja heute noch der Stolz jedes 
wohlhabenden Häuf es, der woblgebütete Scbatj, den man nur 
zu befonderen Fefttagen oder zu Ehren eines Gaftes zu ver« 
wenden wagt. Die Silberlöffel im Alltag zu gebrauchen, würde 
der Mehrzahl der Hausfrauen als beifpiellofe Verfcbwendung 
erfcbeinen. Ich weiß wirklich nicht aus welchem Grunde. Gerade 
für den Alltagsgebrauch ift echtes Edelmetall wie Silber allein 
zu verwenden, weil es widerftandsfäbiger und fauberer zu 
halten ift als billiges Zeug, das oftmals erneuert werden muß, 
immer übel ausfiebt und zuguterletzt viel höher zu fteben kommt 
als Silber. Der wahrhaft ökonomifche Sinn wird fich immer 
nur des letzteren bedienen. □ 
Auch das Tafelbefteck bedarf einer Reform. Die Gewöhn» 
beit macht ftumpf gegen die Fehler, die es bat. Die Notwendig» 
keit, Beftecke zu dekorieren ift nicht fo groß als die, ihnen die 
richtige Form zu geben. In volkskundlichen Mufeen, die Befleck» 
fammlungen haben, finden wir alte bäuerliche Löffel mit rundem 
Schöpfer, eine Form, die weitaus richtiger, als der heute ge 
bräuchliche ovale ift. Noch mundgerechter ift die ovale Form, 
wenn der Stiel an der Breitfeite fitzt. Sie entfpricbt mehr dem 
menfcblicben Organismus und der durch ihn beftimmten Art zu 
effen. Die heutige Gabel mit langen Zinken ift eine Verkümme 
rung des Bratenfpießes. Sie ift durchaus unzweckmäßig. Wir 
brauchen Gabeln mit flacher, löffelartiger Form, und drei kurzen 
Zinken daran, um bequem Fleifcb mit Sau<;e faffen zu können. 
In den Anfprüchen, die wir in äftbetifcber Hinficht an den 
Eßtifcb ftellen, prägt fich ein guter Teil unterer Erziehung und 
unterer perfönlichen Kultur aus. Die Mahlzeiten find Fefte des 
Leibes, die bei Homer, der von feinen Helden getreulich berichtet, 
wann fie die Hände zum leckerbereiteten Mahl erhoben, eine 
Art fröhlicher Gottesdienft werden. Der Adel der Form kommt 
fpäter hinzu. Es genügt dem Kulturmenfcben nicht, daß das 
Mahl lecker bereitet fei. Die fcböne Form ift nicht zu entbehren. 
Sie ift das halbe Effen. Die äfthetifche Förderung wird geradezu 
zur körperlichen. Eine gewiffe abfolute Schönheit des Eßtifches 
bat fich berausgebildet, die fich mit Einfachheit wohl verträgt 
und die nur eine Verfchiebung hinfichtlich der Koftbarkeit geftattet. 
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