menfcblicben Hnläffe die Tafel künftlerifch geftalten können: als
Geburtstagstifcb, Hocbzeitstifcft, Jubiläumstifcb, Bowlentifcb, Weif>
nacbtstifcb, Frübftücks- und Mittagstifcb zu allen Jahreszeiten.
Wir werden es an gelegentlichen Beifpielen nicht fehlen laffen.
Die Bilder diefes Heftes zeigen nebft der befonderen Schönheit des
Tifchgerätes einige Verfuche, in diefer Art künftlerifch zu wirken.
Einige Winke über die Hftbetik der Tafel dürften von
Nutjen fein. Nach einem Erfahrungsfa^, den die Römer fcbon
kannten, foll eine Tifchgefellfchaft nicht weniger als die Zahl
der Grazien und nicht mehr als die Zahl der Mufen betragen.
Für das Gedeck exiftiert nur eine Farbe, die den Glanz der
Frifche und der Hppetitlichkeit gewährt, das feftlicbe Weiß, als
der richtige Grundton, davon fich das Silber, Kriftall, Porzellan
und die freudigen Farben der Blumen fcbön und erquicklich
abheben und zugleich ein Schmaus für das fluge find. Die äfthe»
tifche Befriedigung ift ein wefentlicher Beftandteil der Tafelfreude.
Nebft dem feinen weißen Linnen, das manche Frauen, wie
namentlich in früherer Zeit, hüten wie Silber, ift es die Blume,
welche, wie oben getagt, dem gedeckten Tifcb den Hdel künft=
lerifcher Schönheit verleiht. □
Die Reform des Tafelgedeckes beginnt fcbon bei der Serviette.
Sie bat heute noch eine Form, die ihre Gebrauchsart längft
überlebt hat. Kein Menfcb von Lebensart wird fie heute noch
mit einem Zipfel unter dem Kinn in den Kragen ftecken. Man
legt fie heute einfach über den Schoß. Die zweckentfprecbende
Form follte demnach jene fein, welche etwa das Handtuch befitjt:
ein längliches Rechteck. Daß die Serviette weich und lind fei,
wird zwar in der Theorie immer verlangt, aber die Praxis kennt
nur damaftene Servietten, die anfangs bockfteif find und nach
längerem Gebrauch abhaaren. Die Zeiten find wirklich vorüber,
wo Linnen dem Silber gleicbgeftellt war. □
Über das Glas wäre manches zu fagen. Gewöhnlich fitjt das
Glas wie ein Blumenkelch auf hohem dünnen Stengel, was zwar
anmutig anzufehen, aber in fehr hohem Maße unpraktifcb ift.
Erftens wird die Standfeftigkeit gering, bei leifer Berührung
fällt das Glas um, und zweitens ift der Stengel beim Reinigen
allzuleicht abzudrehen. Aber auch dickes Glas ift nicht zu emp»
fehlen, weil nicht gut daraus zu trinken ift. Zwifcben Lippe
und Flüffigkeit foll fich fo wenig Glaswand befinden, als immer»
bin möglich. Aus diefer Vorausfetjung ergibt fich die organifche
Form des Trinkglafes von felbft; es müßte einen ftarken, feft»
ftehenden, ftarkwandigen Fuß und Stengel haben und müßte
gegen den Rand ganz dünn verlaufen, um als angenehmes Glas
empfunden zu werden. Handfam foll das Glas fein und mund»
gerecht. Dem Glafe ftebt das Porzellan zunäcbft. Ich weiß, daß die
meiften Leute buntbemaltes Gefcbirr lieben. Es macht zwar
nicht viel aus, ob das Gefcbirr bemalt ift oder einfach weiß, nur
ift zu bedenken, daß die Bemalung häufig Schäden des Porzellans
verdecken muß. Reliefartiger Dekor am Tellerrand ift im böcbften
Grade unzweckmäßig, aber alles Unzweckmäßige ift am häufig»
ften anzutreffen. Ganz weißes Gefchirr ohne bunte Streifen ift
fehr vornehm in der Wirkung, aber merkwürdigerweife feiten
im Gebrauch zu finden. □
Und nun das Silber. Es ift ja heute noch der Stolz jedes
wohlhabenden Häuf es, der woblgebütete Scbatj, den man nur
zu befonderen Fefttagen oder zu Ehren eines Gaftes zu ver«
wenden wagt. Die Silberlöffel im Alltag zu gebrauchen, würde
der Mehrzahl der Hausfrauen als beifpiellofe Verfcbwendung
erfcbeinen. Ich weiß wirklich nicht aus welchem Grunde. Gerade
für den Alltagsgebrauch ift echtes Edelmetall wie Silber allein
zu verwenden, weil es widerftandsfäbiger und fauberer zu
halten ift als billiges Zeug, das oftmals erneuert werden muß,
immer übel ausfiebt und zuguterletzt viel höher zu fteben kommt
als Silber. Der wahrhaft ökonomifche Sinn wird fich immer
nur des letzteren bedienen. □
Auch das Tafelbefteck bedarf einer Reform. Die Gewöhn»
beit macht ftumpf gegen die Fehler, die es bat. Die Notwendig»
keit, Beftecke zu dekorieren ift nicht fo groß als die, ihnen die
richtige Form zu geben. In volkskundlichen Mufeen, die Befleck»
fammlungen haben, finden wir alte bäuerliche Löffel mit rundem
Schöpfer, eine Form, die weitaus richtiger, als der heute ge
bräuchliche ovale ift. Noch mundgerechter ift die ovale Form,
wenn der Stiel an der Breitfeite fitzt. Sie entfpricbt mehr dem
menfcblicben Organismus und der durch ihn beftimmten Art zu
effen. Die heutige Gabel mit langen Zinken ift eine Verkümme
rung des Bratenfpießes. Sie ift durchaus unzweckmäßig. Wir
brauchen Gabeln mit flacher, löffelartiger Form, und drei kurzen
Zinken daran, um bequem Fleifcb mit Sau<;e faffen zu können.
In den Anfprüchen, die wir in äftbetifcber Hinficht an den
Eßtifcb ftellen, prägt fich ein guter Teil unterer Erziehung und
unterer perfönlichen Kultur aus. Die Mahlzeiten find Fefte des
Leibes, die bei Homer, der von feinen Helden getreulich berichtet,
wann fie die Hände zum leckerbereiteten Mahl erhoben, eine
Art fröhlicher Gottesdienft werden. Der Adel der Form kommt
fpäter hinzu. Es genügt dem Kulturmenfcben nicht, daß das
Mahl lecker bereitet fei. Die fcböne Form ift nicht zu entbehren.
Sie ift das halbe Effen. Die äfthetifche Förderung wird geradezu
zur körperlichen. Eine gewiffe abfolute Schönheit des Eßtifches
bat fich berausgebildet, die fich mit Einfachheit wohl verträgt
und die nur eine Verfchiebung hinfichtlich der Koftbarkeit geftattet.
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