STEINBRÜCHE
HUF SIZILIEN
Zügen aus: die künftlerifcbe Vifion eines Steinbrucbs. Bei den
alten Völkern feben wir, daß der religiöfe Naturglaube die
Grundlage einer hochentwickelten künftlerifchen Kultur ift und
fcbon aus diefem Grunde die deprimierenden Erfcheinungen der
heutigen Zeit ausgefchloffen find. Der Naturglaube, der zur
Naturwiffenfcbaft geworden ift, bat eine Entwicklung durch
gemacht, die mit der Verehrung und künftlerifchen Verklärung
der Natur begann und mit der Entfeelung und Vergewaltigung
der Natur endet. Die affyrifcben Bauleute, Sklavenbände, nur
zum niederen Handlangerdienft berufen, nicht höher befähigt, als
Ringe und Kurven ins Geftein zu graben, fcbufen an den Paläften,
an den Sinnbildern der Götter, hoben die Erde aus und brachen
Steine. Hber die künftlerifcbe Kraft, die in ihrer Religion lebte,
hielt ihr primitives Tun in der ftrengen Zucht des Ideals. Die
treibende Kraft des perfönlicben Dienftes fammelte die kleinen
Kräfte zu hohem Vollenden. Die Ringe und Kurven reihen fich
planvoll aneinander, bis aus dem Hufbau diefer geringften
Formelelemente die erfcbreckende Größe der Götterbilder an dem
Gewände bervortrat, und verwandelte den künftlerifcb geadelten
Steinbruch in einen heiligen Bezirk. Die Kunft erhob fie zu
Kultftätten, wo die Gottheit thronte oder der Tod gefeiert wurde.
Zahlreich find im Hltertum die Beifpiele, wo der Fetfenbrucb
die Züge menfcblicber Befeelung empfing, wie die indifcben Felfen-
tempel zu Naffick, Elefanta, Ellora und Karli, die betbitifcben
Bildwerke von Ibrit} und Giaurkalefi, die Felfenfkulpturen von
Bavian, das Grab des Midas und des Darios, die perfifchen Königs
gräber in Nakfcb=i=Ruftan und die Gräber der Rid^ter in Syrien,
wie die Königsgräber bei Jerufalem. Es find Epochen, die der
Scbulmeifterwit) der modernen Zivilifation als Barbarei belächelt.
Es liegt nicht in unterer Macht, den Geift, der vergangene
Kultur befeelte, künftlich bervorzubringen. Wir können auch
nicht wünfcben, daß die Natur durch ein lächerliches Spiel mit
Böcklinfchen Motiven und ähnlichem »verfchönt« werde. Zwar bat
der künftlerifcbe Volksfinn im Steängebilde ftets eine menfcblicbe
Beziehung gefucht, und es läge die Gefahr nabe, daß zweck-
lofe Pbantafterei dem Zweckgedanken des Steinbruchs ein
närrifches Mäntelchen umbänge. Die Legende will in dem Felfen-
gebirge bei Bozen einen Rofengarten und die Traumfpur eines
verzauberten Ritterfcbloffes erkennen. Die Gebirgsfilhouette am
Traunfee erfcheint dem Volke als fcblafende Griechin. Das
dichterifcbe Geftaltungsvermögen des Volkes drückt fich in diefer
Naturfymbolik aus. Man kann ähnliches in allen Gegenden finden.
Es ift aber nicht gemeint, daß es künftlich im Bereich der Stein
brüche gezüchtet werden könnte. Der Gedanke wäre allerdings
fürchterlich. Laffen wir die Griechinnen ruhig fcblafen und hüten
wir uns, die Rofengärtlein aus dem Zauberbann der Legende
zu erlöfen. Es bleibt noch ein weites Ideenfeld um die Not
wendigkeit des Steinbruches künftlerifcb zu adeln. Ganz verfehlt
ift die in jüngfter Zeit vorgefcblagene und geübte Maßregel, die
Steingewinnung in einzelnen Gegenden zu unterlagen. Das
Verbot ift immer das Eingeftändnis der Ohnmacht, die einen
vorhandenen Trieb nicht künftlerifcb meiftern kann. Hber man
kommt damit nicht um die Notwendigkeit herum, daß Steine
gebrochen werden müffen, um Käufer zu bauen. Nicht Hem
mungen, fondern Entfaltungen führen zum Ziel. Der Geift
aller Kulturen gibt auch in diefer Frage einen Fingerzeig. Huch wir
müffen den Steinbruch künftlerifcb behandeln. Nicht im Wege
der bucbftäblicben Nachahmung der alten Beifpiele, fondern in
freier Anwendung, die unterem Wefen natürlich ift. Der Architekt
beftimme in Zukunft die Grundlinien des Hbbaues, wobei die
Raumverbältniffe fo einfach und fo groß als möglich genommen
werden follen. Es ift zu bedenken, daß die Hrbeitsbütten ihrer
Form und Lage nach dem Landfcbaftsbild nicht zum Schaden
gereichen dürfen. Befondere Rückficht ift auf die rafche Ermög
lichung der künftigen Vegetation zu üben. Das entfcbeidende
Moment wird in der Vorausfetjung der zukünftigen Bedürfniffe
liegen und in dem Willen, den Steinbruch nach erfolgter Aus
beutung nicht als troftlofe Wüfte, fondern als Pflanzftätte neuer
Kulturen zurückzulaffen. Daß der entfchloffene Kulturwille zu
den böcbften Erwartungen berechtigt, ift durch Sansfouci be»
wiefen, den Märchentraum einer königlichen Pbantafie, der aus
einer erdbruchartigen Wüfte bervorgeblübt ift. Es ift kein allzu-
fcbwieriges Problem, Erd- und Steinbrüche von vornherein mit
Rückficht auf die Entwicklung fpäterer Terraffengärten anzulegen.
Das Kunftgebilde künftiger menfcblicber Siedlungen kann von
vornherein ins Auge gefaßt werden. Das erwähnte fürftlicbe
Beifpiel liefert den weiteren beftrickenden Beweis, daß keine
Anwendung von Geld und Mühe hoch genug ift, wenn es fich
darum handelt, den nachkommenden Generationen den Genuß
der Sdiönbeit und Fruchtbarkeit zu fiebern. Alles Schöne und
Fruchtbarkeit ift am lebten Ende in die Hand des Menfcben ge
legt, und Werk feiner Gefinnung. L.
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