bildete eine schmale Wiese, die als Trockenplatz diente, das
Ufer dahinter war mit alten Bäumen bedeckt.“
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Die entscheidendste Umbildung und Fortentwicklung hat der
italienische Garten im Sinne des Barocks durch den Garten-«
künstler Ludwigs XIV. empfangen, durch Lenotre. Architektur,
Tracht, Gartenkunst, Etikette sind eine unlösliche Einheit.
Versailles dominiert auch in den meisten deutschen Purstem
gärten. Es ist fast überall das gleiche Bild, wo eine Stadt
oder eine Provinz heutzutage noch das Kleinod einer solchen
barocken Gartenschöpfung einschließt.
Eine unvergängliche Heiterkeit ist in den alten barocken
Gartenschöpfungen ausgeprägt, eine Großzügigkeit und Fest
lichkeit, die mitten im heutigen Alltag einsam und unver
standen dasteht, als darbende Schönheit, die nur deshalb darbt,
weil die Sinne fehlen, sie zu bewundern. Noch immer wachen
an den Stufen die schweigenden Sphinxen, starr und steinern,
und lächeln. Noch immer tanzen auf den Geländern die
Amoretten, voll unbändiger Freude und Ungeduld harrend,
daß sich das formenreiche Gittertor öffne und die Fürstin
hervortrete und ihren zarten Fuß auf die weißen Marmor
stufen setze, die auf und nieder gehen und ewig harren.
Noch immer treiben die anmutigen Putti ihr köstlich unartiges
Spiel mitten in den Teichen, fangen ihre Delphine, lassen
das Wasser hoch aufspritzen; der alte Faun mit dem un
widerstehlich lächerlichen Bocksgesicht erhebt sich schilf- und
schlammbedeckt und probiert seine Wasserkünste, läßt aus
der Nase einen Strahl aufschießen, wenn auch das eine Nasen
loch längst mit Erde verstopft ist und den Dienst versagt.
Noch immer stehen die säuberlich geschnittenen Laubwände
in geraden Alleen auf einen zentralen Punkt zulaufend, wie
ein heiliger Hain irgend eine edle Plastik, einen schönen
Brunnen als kostbares Juwel einschließend; aus den Nischen
treten die plastischen Bilder von Göttern und Genien hervor,
nicht in ehrwürdiger, Anbetung heischender Haltung, sondern
leicht geschürzt, zu Spiel und lockeren Abenteuern angetan,
galant und zierlich, in Tanzschritt- oder Menuettbewegung,
beziehungsreiche Allegorien höfischer Liebesfeste. Jupiter ist
nicht der Donnerer, sondern der Amphitrion des Molière,
die Musen gleichen den Hofdamen aus der Zeit Ludwigs XIV.,
die Göttersprache der Olympier ist Monsieur und Madame!
Wenn die abendlichen Schatten über die Gärten sinken und
die lärmenden Kinder, die Dienstmädchen, die Soldaten und
Liebhaber verschwunden sind, dann mag es einen bedünken,
als bewegten sich diese steinernen Gebilde und wandelten
die Kieswege auf und nieder, in Puderperücke und Reifrock,
die Wasser plätschern als melodische Begleitung zum sanften
tändelnden Liebesgeflüster, leise klirrt der Degen, Seufzer
sterben im verschwiegenen Dunkel der liebetrunkenen
Nacht, und wenn je ein verspätetes Liebespaar Arm in Arm
geschlungen zwischen den Laubwänden auftaucht, dann um
kleiden es die schlummernden Stimmungen dieser geheimnis
vollen Gärten mit ihrer ganzen Zauberkraft, und man mag
ein Ewig-Menschliches mit der vergänglichen Form einer
längst entschwundenen Zeit umkleidet sehen, die an diesem
Orte lebendig wird. So mag man noch ferne Mächte in der
Gegenwart nachfühlen und die Wiedererstehung eines Geistes
fühlen, den wir längst verschollen und begraben wähnten.
Sicherlich, der Geist, der in diesen alten, barocken Garten
schöpfungen lebt, wird wieder seine Auferstehung feiern.
Nicht die Götterpose, nicht die mythologischen Allüren, nicht
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