Sps ; DÖRFER. VON PAUL SCHULTZE.
NAUMBURG.
E s gibt Leute, welche behaupten, unsere Dörfer müßten
verschwinden. Bei der Diskussion über die Formen
unserer Häuser und Gärten wird man auch mit dem
schlimmsten Gegner immer insofern ein Stück gemein
samen Boden haben, als Wohnhäuser und Gärten immer als
notwendige Anlagen gelten müssen, so lange es Menschen gibt.
Kommen wir hier zum Thema Dörfer, so erweitert sich das
Gebiet der Streitpunkte um ein erhebliches. Denn hier kann
man einen Standpunkt einnehmen, der von vornherein die
Existenzberechtigung unserer Bauerndörfer leugnet, mit der
Begründung, daß unsere Dörfer als Kunstform eben des^
wegen auf dem Aussterbeetat ständen, weil sie überhaupt
keine Kunstform der Zukunft wären.
Dieser Standpunkt der Betrachtung führt sogleich mitten in
ganz allgemein menschliche Entwicklungsfragen hinein.
Wenn heute von solchen auch viel die Rede ist, so ist doch
die Zahl derer gering, die mit der beobachtenden Ruhe des
Naturforschers an der Realisierung von Zukunftsträumen
mitarbeiten, und das meiste, was darüber geäußert wird,
klingt nach kurzsichtiger Einseitigkeit des erregten Partei
gängers, den im Grunde enge Interessen in die Rolle des
Zukunftsuchers drängen.
Gewiß, es ist möglich, daß sich mit der Zeit die Völker
beziehungen dahin entwickeln, daß unser Heimatland nicht
mehr aus weiten, bebauten Flächen von Ackerland besteht.
Man kann sich solchen Zukunftstraum ausmalen. Wir hätten
die ganze Erde der Kultur gewonnen. Unermeßliche Land
strecken hätten sich dem menschlichen Besitz zuaddiert,
deren klimatische Verhältnisse in ganz besonders hohem
Grade dazu geeignet wären, durch pflanzliche Fruchtbarkeit
die Brotkammer der Erde zu werden. Andere, deren Land
schaftscharakter auf die Viehweide hinwiesen, sorgten für
die tierische Nahrung der Menschheit, soweit sie dieser
blutigen Opfer noch bedürfte.
In unseren nordischen Ländern dagegen, in denen man,
gegen die Tropen gehalten, nur mit Mühe der Erde die
Nahrung abgewinnen kann, hätte man auf dieses undank
bare Geschäft ganz verzichtet, da der allgemeine Weltfriede
die Sorge um ein Aushungern eines ganzen Landes über
flüssig machte. Aber gerade unter diesem kalten nordischen
Himmel hätte sich die Intelligenz der Menschheit konzen
triert, hier wäre ihr Kopf zu Hause. Da man sich auch nicht
mehr die Mühe machte, die Rohstoffe vor ihrer Verarbeitung
erst durch die ganze Welt zu schleppen, hätten sich die Fabri
kationen nach den Gebieten gezogen, wo die jeweiligen
Produkte gewonnen würden. Deutschland wäre deshalb
durchaus nicht so von Fabriken erstickt, daß es zu einer
Stätte des Grauens geworden wäre, denn auch die beschränkte
Anzahl von Fabriken, die selbstverständlich keine Schlote
und Qualm mehr brauchten, da ihnen die elektrische Energie
von fern her zugeleitet würde, wären in lichten, freundlichen
Arbeitsräumen untergebracht. Das Land zwischen diesen und
den Wohnhäusern wäre in einen großen Garten verwandelt,
in dem das Bauen von Feldfrüchten nur noch ein gesunder
Sport von einzelnen wäre. Da es aber eine systematisch
betriebene Landwirtschaft hier nicht mehr gäbe — wozu
dann noch Dörfer? Man würde das Wort mit einem
gewissen romantischen Nimbus umgeben, wie heute das
Wort „Ritterburgen“. Aber man würde keine Dörfer mehr
bauen.
Ich meinerseits neige der Ansicht zu, eine solche Ent
wicklung in einer fernen Zukunft für wahrscheinlich, ja
sogar für wünschenswert zu halten. Eine ganz andere Ant
wort erheischt es aber, wenn man die Frage so stellt: Was
tut uns heut not? Man kann sich sehr wohl in seinen
Musestunden einmal mit Zukunftsphantasterei abgeben und
doch, wenn man danach zur Arbeit schreitet, den Faden der
Arbeit da weiterspinnen, wo man aufgehört. Und man kann
sehr wohl solche allgemeine Entwicklungsideen mit sich