MAK

Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

1 
1 
l 
l 
r 
s 
e 
s 
e 
;t 
e 
a 
r 
n 
i, 
h 
i' 
i 
e 
n 
it 
n 
Wohn' und Arbeitszimmer des Dichters Castelli. Nach einer Lithographie, Herrn Jos. Wünsch gehörig. 
Servanten, stumme Diener vervollständigen das Mobiliar 
des Eßzimmers. Im Wohnzimmer kamen Nähtische hinzu, 
die das XVIII. Jahrhundert in der Verbindung mit dem 
Toilettentisch bereits gekannt, aber noch nicht in voller ße^ 
quemlichkeit selbständig entwickelt hatte. Schreibtische 
wurden in mannigfaltigsten Bildungen versucht, freistehend 
mehr dem Tisch, an die Wand gelehnt mehr dem Schrank 
sich nähernd, oft eine Verbindung von beiden. Man hatte 
sehr große Formen, wie sie aus dem vergangenen Jaluv 
hundert überkommen waren — das bureau ministre — und 
ganz kleine, zum Gebrauch für Damen, die rasch ein Billett 
schreiben wollen." 
Alle erwähnten konstruktiven Merkmale und deren im fob 
genden empfohlene Beachtung für die neuen Möbelformen 
sind in unseren Bildern zu finden, wenn man daraufhin die 
Stühle betrachtet, die Stuhlbeine, Armlehnen, Rückenlehnen, 
die vielen Abarten Fauteuils und Diwans, die Schränke und 
Kommoden, die Fußschemel und die Betten, die in der 
Regel mit Vorhängen versehen sind, die in Ringen laufen, 
und tags verschlossen werden können, wofern die Betten 
nicht so eingerichtet sind, daß sie des Tages, wenn die Vor' 
hänge zurückgezogen sind, als Diwan benützt werden können, 
für den Fall, als Wohnzimmer und Schlafzimmer einen gemein, 
samen Raum bilden. In der Kinderstube finden sich einfache, 
aber sinngemäße Konstruktionen von Wiegen und Kinder 
wagen vor, sachgemäßes Mobiliar, und die Kinderbetten sind 
mit Gitterstäben verschlossen, was den heute üblichen Netzen 
gegenüber, die eine Gefahr für die Kinderhände bedeuten, 
hervorzuheben ist. Es ist zu beachten, daß das gesamte Mobiliar 
reines Tischlererzeugnis ist, ohne Beschläge oder sonstige 
Zutaten und den einzigen und natürlichen Schmuck in der 
sauberen und soliden Mache suchte. Das sollte man nicht 
vergessen. Die gleichmäßige Verteilung der Bilder verrät 
eine dekorative Absicht, die einem gewissen Raumgefühl 
entspringt, und sicherlich auch der inneren Qualität der 
Bildwerke entspringt. Das Porträt nimmt einen großen Voi- 
rang ein; neben dem Ölbild herrschen zahlreiche Techniken 
und Formate bis zu den Miniaturen herab, und es ist be 
achtenswert, daß wenn auch das künstlerische Mittelmaß 
selten überschritten wurde, dennoch in keinem Schaffens 
gebiete Schund hervorgebracht ward. Die Bilderrahmen aus 
der damaligen Zeit gehören heute zu den gesuchten Wert 
gegenständen ; bei der Hängung der Bilder war auf die Seh 
höhe Bedacht genommen, und auf die Höhe des Türstockes, 
die gewöhnlich die obere Abschlußlinie anzeigte. Der Ofen 
wies in der Regel eine monumentale Ausbildung auf, deren 
Eindruck durch die ovalgewölbte Mauernische verstärkt 
ward. Die abgeschrägten Zimmerecken gegenüber der Fenster 
seite hatten entweder den Kamin aufzunehmen oder bildeten 
eine Spiegelwand mit Konsole, wofern sie nicht als Nische 
für den zylindrisch geformten und von einer Plastik ge 
krönten weißen Ofen ausgebildet war. Diese Abschrägung 
der Ecke hat wesentlich dazu beigetragen, den wohnlichen 
Charakter eines solchen Raumes zu erhöhen. Den Wohn- 
räumen aller Stände gemeinsam ist die große Einfachheit, 
die wieder den eigentlichen Kunstwerken im Raum zu größerer 
Bedeutung verhilft. Diese feine Abwägung der einzelnen 
Raum- und Stimmungselemente ist das Anzeichen eines 
starken Stilgefühls, die der formalen Kultur durchaus wesent 
lich ist. Daß diese sachliche Einfachheit der Wesensausdruck 
der ganzen Epoche war, kann man an allen praktischen 
Einrichtungen ersehen, als deren Beispiele die Geschäftsladen 
zu beachten sind, die gerade durch diese Merkmale ästhetisch 
befriedigend wirken. 
Was die Heutigen von der biedermeierlichen Einrichtung 
lernen können, hat ebenfalls Lichtwark beschrieben. „Wie 
beim ganzen Hause, sollten auch bei den Möbeln die 
strengsten Anforderungen an die praktische Brauchbarkeit 
erhoben werden. Nur auf dieser Basis kommen wir zur 
Schönheit. Sie ist keine äußerliche Zutat von Schmuck und 
149
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.