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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

Weißlackierte Möbel aus wei^ 
chem Holz für eine kleine 
Wohnung. Von Arch. Prof, 
a Joseph Hoffmann, Wien. □ 
lechzenden Holzes, wobei es ihnen jedesmal wie ein Dolche 
stoß durchs Herz fährt. Die Ärmsten sind gewiß am 
schlimmsten daran; sie haben am teuersten gekauft und 
können an ihrem Heim keine rechte Freude haben. 
Was der kleinen Wohnung des mittleren Bürgers, des 
Arbeiters frommt, ist nun folgendes. Die Wände des 
Zimmers und der Kammer werden jedenfalls ganz weiß 
getüncht sein, ein einfaches Fries tragen und jedes Jahr 
mit wenig Kosten nachgetüncht werden können. Helles 
Zeug hängt als Zuggardine, seitlich aufzuziehen, in schlichten 
Falten von den Fenstern herab, wo Blumen stehen und 
dem ganzen Raum eine freundliche Stimmung geben. 
Die Möbel sind ganz einfach, aus weichem Holz, gut und sorg^ 
fähig gemacht, in geraden Leisten und Brettern zusammen^ 
gefügt. Reines, einfaches Tischlererzeugnis — ohne Künstelei. 
Die Farbe kann an solchen Möbeln, wofern sie nur in guten 
und richtigen Verhältnissen hergestellt, alle Schönheit her^ 
Vorbringen. Weißlackierte Möbel sind das Kennzeichen einer 
ganz feinen Kultur, die unsere Großeltern schon hatten und 
die der Allgemeinheit abhanden gekommen ist. 
Man vermeide durchaus, irgend ein Zierat anbringen zu 
wollen. Schönheit kommt aus der zweckvollen Durchbildung, 
aus der schönen Proportion der Masse und endlich aus der 
glücklichen Farben Wirkung. Man vergesse dabei die Blumen 
nicht. Ein Blütem oder ein Fruchtzweig im Wasserglas in 
einen solchen hellen Raum gestellt, und man wird ein 
Wunder an Schönheit erleben. Und so ist es mit den 
färbigen Bildern. Aber hier ist schon alle Vorsicht geboten. 
Es gibt schon eine gute Reproduktionskunst; wer einen 
färbigen Holzschnitt nicht besitzen kann, wähle eine Künstler^ 
lithographie, die ebenfalls gewissermaßen Originalwerk ist 
und zu sehr billigen Preisen im Handel vorkommt. Aber 
eine ganz sparsame Verwendung ist hierbei geboten. Über 
Wandschmuck wird noch manches zu sagen sein. 
In allen Städten sind die Künstler am Werke, auch dem 
kleinen Mann zu geben, was des kleinen Mannes ist. Eine 
^ \wesentliche Aufgabe aller jener, die am Ausbau der 
modernen Kultur betätigt sind, ist es, das Interesse des 
Volkes auf die Dinge zu lenken, die sein eigenes Wohl 
betreffen und zur Mitarbeit an diesem Kulturgedanken am 
s zuregen. Jeder kann an der Schönheit der Erde und des 
Lebens mittun und Kulturarbeit verrichten. Jeder tut es, 
der sein eigenes Feld wohlbestellt und bei seinem Hause, 
bei seiner Wohnung, seinem Heim anfängt. 
KULTURBILDER AUS FINNLAND. VON 
WENZEL HAGELSTAM. 
I. 
ALLGEMEINER UMRISS. 
D ie von dem russischen Despotismus während der 
letzten Jahre verübten barbarischen Gewalttaten, 
welche zum Zweck haben, die blühende Kultur 
Finnlands zu unterdrücken und dessen freie 
Institutionen mit der Erde gleichzumachen, haben in 
höherem Grade als früher die Aufmerksamkeit der übrigen 
zivilisierten Völker auf das kleine Land im hohen Norden 
gelenkt. Man hat in den freien Kulturstaaten der Alten 
sowie der Neuen Welt im Ernst zu erwägen begonnen, 
ob nicht das schändliche Töten alles geistigen Lebens in 
Finnland, gleichwie die physischen Morde in Armenien, ein 
Eingreifen von seiten der Mächte erheischen müßten. Kurz, 
man beginnt zur Einsicht zu kommen, daß es in unserer 
Zeit noch ..eine andere Frage außer der armenischen gibt, 
welche in Übereinstimmung mit den Rechtsprinzipien des 
zwanzigsten Jahrhunderts nicht minder dringend ihre Lösung 
verlangt: Die finnländische Frage. 
Es ist hier nicht am Platz, eine nähere Auseinandersetzung 
der staatsrechtlichen Stellung Finnlands zu geben und über 
all die Kränkungen zu reden, welche ihm durch Henker, 
wie einen v. Plehve, einen Bobrikoff und gegenwärtig einen 
Obolensky, den Bauernprügler aus Charkow, der auf Befehl 
seines hohen Herrn das begonnene Zerstörungswerk volh 
bringt, zugefügt worden sind. Ich will die russische Politik 
dahin lassen und mich nur mit der finnischen Kultur be^ 
schäftigen. 
Eine solche existiert nämlich trotz alledem noch und ihrem 
abendländischen Ursprung getreu, hebt sie ihr Haupt auch 
noch nach der Gewalttat des neuen Satrapen Obolensky, 
dem Verbot gegen die Einführung nach Finnland von nicht 
weniger als 56 skandinavischen Zeitungen. Von schwedischen 
Zeitungen dürfen nunmehr — zwei Witzblätter von den 
Finnländern gelesen werden! Man könnte fast glauben, 
Fürst Obolensky hätte Sinn für Humor . . . . 
In einer der Reden, die während der Inspektionsreise Obo^ 
lenskys durch Finnland an ihn gerichtet wurden, sprach der 
Redner den Wunsch aus, der russische Generalgouverneur 
möge einmal gleichwie vor langer Zeit der schwedische 
Generalgouverneur PER BRAHE an seinen Monarchen
	        
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