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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

DENKMÄLER. 
VON ARCH. KARL BUSCHHÜTER, KREFELD. 
(Fortsetzung aus Heft 7, Seite 142 und Schluß.) 
I ch nahm einen Anlauf, ihm zu sagen, dies sei das letzte Denkmal, 
das ich ihm zu zeigen hätte. Aber diese jesuitische Wahrheit brachte 
ich nicht über die Lippen. Wohl oder übel mußte ich ihn zum alten 
Kirchhof, zum „Kaiser von Deutschland“ führen. Ist er das, der erste 
deutsche Kaiser, der schlichte Mann, der da oben aufgedonnert steht 
mit den Klumpfüßen, den Bleihosen, der ordengespickten Wattebrust, 
dem gezwirbelten Schnurrbart und den himmelnden Äuglein — gleich 
einem „Veteranen“, der in einem „lebenden Bilde“ ihn voll heiligen 
Eifers „parodierte“? — Nein! Dieses hier ist der „Kaiser von Deutsch 
land“, wie die Inschrift am Sockel besagt, der deutsche Kaiser aber 
steht im Kaiser-Wilhelm-Museum auf dem Treppensockel; er ist 
schlanker gebaut, hat eine höhere Stirn und trägt den Mantel wie ein 
Schutzmann umgeschlagen. — Sagen Sie mal, meinte der Vläme, 
schämen sich die Krefelder ihrer Denkmäler denn nicht? — Weshalb 
sollten sie sich schämen? In allen deutschen Städten, Berlin voran, 
finden Sie dieselben Denkmäler aus den nämlichen Fabriken zu 
Dutzenden wieder — bloß mit dem Unterschiede, daß sie in der Haupt 
stadt von wilden Tieren der Wüste und des Eismeeres und von 
Helden der griechischen Sagenwelt umgeben sind. Für solche „exotische“ 
Gewächse hat der „Provinzler“ aber kein Geld „nicht“. — Tut nichts 
zur Sache — Ihre Herren Krefelder haben sich mit ihren Denkmälern 
selbst ein Denkmal gesetzt — sagen Sie es ihnen — ein Denkmal ihres 
Kunstsinnes! — 
Damit nahm er Abschied. 
Er hat recht! — Denkmale nennen sie’s und Denkmäler sind's. Nicht 
Worte reden sie, nein, Wörter plappern sie, just wie ihre Urheber, 
ihre Verfertiger — Phrasenhelden und Gaukler, keine Denker, keine 
Künstler sind. 
Es wird nicht eher besser werden, als bis das Volk selbst wieder 
gelernt hat, die Sache von der Person zu trennen, die Wirklichkeit 
vom Trug zu unterscheiden. Und ich sage euch, so lange ihr das nicht 
könnt, werdet ihr es nicht lernen, den TATEN eurer großen Männer 
DENKMALE setzen. So lange jene Paradepuppenhauer und Künstler 
von Gottes Gnaden, welche zu Höilingen h 'nabgesunken sind, für die 
Bepflasterung der deutschen Städte mit Schandmälern öffentlich 
belobigt und bekränzt und nicht als Schelme gebrandmarkt werden, 
werden sie fortfahren dürfen, uns mit ihren Zerrbildern zu „beglücken“. 
Währenddessen verschmachten eure wirklichen Künstler aus Mangel 
an geistiger und leiblicher Nahrung und Arbeit. Wie wär’s, 
wenn ihr euch bei dem letzten Denkmal, welches ihr voraussichtlich 
in der nächsten Zeit zu setzen habet, auf das besännet, worauf es bei 
einem Denkmal ankommt? 
Wodurch ehrt man das Andenken eines Menschen am besten? — 
Doch wohl dadurch, daß man seiner Lebensaufgabe und -Arbeit gerecht 
zu werden sucht und in seinem Sinne fortzusetzen sich bemüht, was 
er beabsichtigte. Glaubt ihr nun wohl, daß es unserm Kaiser Friedrich 
Lebenszweck und Ziel gewesen sei, dereinst als Paradepuppe zu Fuß 
oder hoch zu Roß auf einem eurer Plätze zu prangen? So klein wird 
wohl keiner von ihm denken! Glaubt ihr nicht vielmehr, daß es 
seine Sehnsucht war, seine Ideale verwirklicht zu sehen? Und worin 
bestanden dieselben im wesentlichen? Wenn ich wohl berichtet bin, 
in der größtmöglichen Entwicklung der Leibes- und Geisteskräfte 
seiner Volksgenossen; ist er nicht der einzige Hohenzoller nach dem 
alten Fritz, der wirklich einiges Kunstverständnis hatte? Nun, 
wenn dem so ist, was können wir zur Ehre seines Andenkens 
Besseres tun, als eine Stätte ihm weihen, allwo die Leibes- und 
Geisteskräfte der Jugend unseres Volkes geübt und geadelt 
werden ? Ein Tummelplatz für Leibesübungen aller Art, luft- 
und lichtvoll, ein Schauhaus zugleich der schönen Künste, die 
unserem Zeitgeiste entsprossen! — Für Leibesübungen haben wir 
einige nüchterne, unechte Hallen, die dem deutschen Volksgeiste 
und der frischen Zeitströmung Hohn sprechen, einige öde Plätze, denen 
der Hintergrund, der Baumschmuck des Eichenhains, fehlt oder ge 
nommen ist. Die Schaffung eines luftigen, sonnendurchfluteten Turn-, 
Schwimm- und Spielgeheges ist Bedürfnis und Wunsch vieler Volks 
freunde. Für Geistespflege im großen haben wir nur die enge, einge 
baute Stadthalle mit ihrer armseligen unerquicklichen Formengebung 
und das enge, eingebaute Stadttheater mit seinen schrecklichen Raum 
verhältnissen und seinem angepappten Gipsgebäck. (Man denke nur 
an das schreiende Mißverhältnis zwischen ihren trostlos stumpfsinnigen 
und kindisch verunzierten Innenräumen und einer Beethovenschen 
Tondichtung, welche in ihnen aufgeführt wird, von einer ereignis 
lüsternen, großmannssüchtigen, läppisch aufgeputzten Menge mit ver 
ständnisinnigen Blicken verständnislos beklatscht! Welchem fein 
Empfindenden sträuben sich da nicht die Haare zu Berge!) Die 
Schaffung eines neuen „Theaters“, beziehungsweise der Ausbau des 
alten ist im Werke. Soll es wieder so ein Scheinwerk werden? Ich 
dächte, wir hätten an den vorhandenen genug zu würgen. 
WAS ALS „MODERN“ UND „STILVOLL“ EMP 
FOHLEN WIRD. 
A lso schreibt der Ratgeber der „Wiener Mode“: „Neue Messerbänk- 
„chen. Selbst die Messerbänkchen, die zwar in vielen Familien 
„verpönt, in anderen nach wie vor gebraucht werden, müssen heut- 
„zutage „stilvoll“ sein, wenn sie einer modern gedeckten Festtafel 
„Ehre machen sollen. Um nun diesen Ansprüchen voll zu genügen, 
,',erscheinen sie jetzt in Form der originellen und hochmodernen 
„Überdackeln“, deren langgestreckter Körper, in Altsilbermetall künst- 
„lerisch modelliert, sich als Stütze für Messer und Gabel sehr gut 
„eignet und einen ebenso amüsanten wie schönen Tafelschmuck 
"bildet. Da diese Neuheit sich trotz des ziemlich hohen Preises 
„großer Beliebtheit erfreut, dürften wohl bald Nachahmungen dieser 
„originellen Messerbänkchen in weniger kostspieligem Material im 
"Handel erscheinen. Vorläufig sind diese „Überdackel“ nur bei Juwe- 
„lieren und in feinen Silberwarenhandlungen erhältlich.“ 
Daß so viel entsetzlich geschmackloser und widersinniger Plunder in den 
Durchschnittswohnungen anzutreffen ist, wundert uns nicht, wenn solche 
„Ratgeber“ am Werke sind. Was der „Ratgeber der Wiener Mode“ 
für „modern und stilvoll“ hält, ist vom Standpunkt der guten und 
echten Moderne gesehen, ein Skandal von Unverstand und Geschmack 
losigkeit. „Falsche Sezession“ ist das Wort dafür. Im guten Sinne 
MODERN und STILVOLL sind nur sachliche Lösungen, das heißt: 
Messerbänkchen sind Messerbänkchen und keine Dackeln. Was zu 
allen Zeiten vernünftig und gut war, muß es auch heute sein. 
Es gilt daher nicht die Frage, ob modern oder unmodern, sondern gut 
oder schlecht, Vernunft oder Unsinn! 
NATUR- UND HEIMATSCHUTZ. 
DAS VERSTUTZEN DER BÄUME. 
D ie Schändung der Bäume, die in unseren Gegenden alljährlich vor 
der Zeit des beginnenden Safttriebes im Februar das traurige 
Werk des Taglöhnerunverstandes ist, sollte nicht geduldet werden. 
Wo bleibt die Aufmerksamkeit des naturschwärmenden Publikums, 
der P. T. Verschönerungsvereine, der Orts- und Stadtväter und aller 
verehrlichen Interessenten des Naturschutzes ? 
„Dem Schutze des Publikums empfohlen“ lautet die Tafel in jeder 
Parkanlage; wessen Schutze soll ich unsere Alleebäume empfehlen? 
Hat der qualvolle Anblick, den die sinnlos verstutzten und ver 
stümmelten Bäume darbieten, noch kein Auge beleidigt? Vor meinen 
Fenstern zieht eine Allee, die drüben von einem alten neuestens in 
einen öffentlichen Park verwandelten Garten begrenzt ist. Mächtige 
und herrlich ausgewachsene Bäume, die von der Schere und Säge ver 
schont blieben, bilden den Bestand; wie kümmerlich und verkrüppelt 
sehen dagegen die alljährlich verstutzten und mißhandelten Allee 
bäume aus! Eine solche Schmach ereignet sich allerortens; sollte 
sich dagegen nichts tun lassen? Man erspare den kindischen Einwand, 
daß es der Häuserzeile wegen geschieht, die sonst zuviel Schatten und 
Dunkel in die Wohnungen bekäme! Nicht überall ist eine Häuser 
zeile, und wo eine ist, soll man die Bäume erst recht in die Höhe 
und Breite wachsen lassen, damit sie über der Straße wie eine grüne, 
staub- und windhemmende Wölbung zusammenschließt, und hüben 
und drüben an den Hauswänden schere man die Kronen als Laub- 
wand senkrecht ab: welche herrliche grüne Architektur entstände da 
und welch ein entzückendes Straßenbild! 
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