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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

PARKPOLITIK. 
D ie Parkpolitik ist eine Angelegenheit der Großstädte; 
sie entspringt der Naturfreude und dem Natur^ 
bedürfnisse, die dem Städter um so stärker zum 
Bewußtsein kommen, je mehr er ihrer entbehren 
muß. Die Ausbreitung der Großstädte, das Verschwinden der 
Hausgärten, die rationelle Ausnützung der Bauflächen haben 
die Parkpolitik in den Vordergrund der Stadtinteressen gerückt 
und zur Tagesfrage gemacht. Alle größeren Städte geben 
annähernd das gleiche Bild. Drei Arten von Park' und Gartem 
kultur sind überall vereinigt. 
Die erste Art bilden jene alten barocken Gartenschöpfungen, 
einem Palast oder Schlosse zugehörig und der Benützung des 
Publikums freigegeben. Gesundheitlich und baukünstlerisch 
gehören sie gewöhnlich zu den wertvollsten Gütern einer Stadt, 
deren Physiognomie sie wesentlich mitbestimmen. Sie über' 
liefern einen Schatz vorbildlicher gartenarchitektonischer Grund' 
sätze hinsichtlich der Anlage der Beete, Treppen, Wege und der 
geschnittenen Laubwände, die geradlinig auf einen zentralen 
Punkt zulaufen, darin sich eine schöne Statue, ein Brunnen, 
eine Gartenplastik wie von einem Hain umschlossen erhebt. 
Die zweite Art bodenständiger Gartenkultur liegt an der 
Peripherie der Städte, in den Vororten, wo städtische und 
ländliche Kultur einander begegnen. 
Als grüner Gürtel mit einem ungeheuren Komplex an Wald', 
Feld' und Gartengrund ziehen sie um die Stadt herum und 
geben, sofern sie zur Stadt gehören, derselben eine besondere 
Schönheit, nicht nur als Naturkranz, sondern auch als Hüter 
und Bewahrer der älteren heimatlichen Baukunst, die nun 
freilich einerseits durch städtische Mietskasernen, anderseits 
durch moderne Cottages täglich mehr verdrängt wird. Diese 
halb ländlichen Vororte enthalten jene feinen Beispiele alter 
Gartenkunst, die auf einen beschränkten Raum am Hause 
angewiesen ist; sie überliefern beachtenswerte Lösungen 
heimischer Vorgärten und Hausgärten. Mit den kleinen Vor' 
gärten sehen die Bauern' und Winzerhäuser aus wie schmucke 
Landmädchen, mit einem Blumenstrauß vor die Brust gesteckt. 
Ein hölzerner Zaun geht vor der niederen Fensterreihe hin 
und läßt einen schmalen Fußweg zwischen den ebenfalls 
schmalen Beeten an Hauswand und Zaun frei, nicht mehr. 
Das ganze Vorgärtchen ist ans Haus gedrückt. Aber der 
schmale Streifen birgt eine üppige Blumenwildnis. Buchs 
dient gewöhnlich zur Einfassung der Beete, am Zaun steht 
blühender Phlox in dichten Ständen, die Kapuzinerkresse, 
die Ringelblume, Pelargonien, Lobelien und Betunien liefern 
die lebendigen Farben an der Hausmauer und in den Beeten, 
wo die Rosenbäume blühen. Ahorn, von der Schere gebändigt, 
bildet eine grüne Architektur als Hecke und Torbogen über 
der Zauntür. Auch eine Laube kann man gelegentlich vor dem 
Hause finden, und wenn nicht hier, dann sicherlich hinter dem 
Hause in dem eigentlichen Hausgarten, eine gemütliche Laube 
von Wein, Geißblatt oder Kletterrosen überwachsen, ebenso 
wie den Laubengang oder die Pergola, als Spender des Schattens. 
Im übrigen ist es ein Blumengarten wie vorne am Hause, 
mit rechteckigen Beeten und bunten Glaskugeln, die ein 
leuchtendes Farbenspiel in die Blumenpracht setzen. 
Die heimatliche Flora liefert den Bestand an Bauernblumen. 
Einen gewissen Gegensatz zu den vornehmen höfischen Garten' 
Schöpfungen der Barocke und zu den volkstümlichen und 
in ihrer Art nicht weniger vortrefflich gelösten alten Haus' 
gärten, den sogenannten Biedermeiergärten, bildet die dritte 
Art, die neuen „städtischen Park' und Gartenanlagen“. 
Die Schablone ist überall dieselbe. Eine Verquickung ffanzösi' 
scher und englischer Gartenbaugrundsätze, die zu keinen glück' 
liehen Ergebnissen geführt hat. Von armseligen Drahtgittern 
eingehegt, stellt ein Rasenfleck dieWiese, eine unruhige stockige 
Zusammenstellung von Büschen gleichsam den Wald vor. 
Französische Teppichbeete und krumme Wege, die gänzlich 
aus der Richtung führen, charakterisieren die Planlosigkeit der 
Anlagen, die infolgedessen auch vielfach ungemütlich erscheinen. 
Es ist sehr zu beklagen, daß in der dritten Kategorie von 
Gartenanlagen nicht die bodenständige Tradition sorgfältiger 
berücksichtigt worden ist, damit sich das Neue dem Alten 
würdiger anschließe. Bei öffentlichen Anlagen, bei denen es 
sich oftmals nur um die gärtnerische Ausbildung eines kleinen 
Fleckes Erde inmitten des Straßengewirres handelt, wäre die 
Beachtung des alten Beispieles besonders vorteilhaft, denn es 
lehrt, daß eine Gartenanlage um so strenger architektonisch 
durchgeführt werden muß, je kleiner sie ist. Die Barockgärten 
mit den geschnittenen Laubwänden geben ein schönes Vor' 
bild. Der kleinste Fleck mag groß erscheinen, eine grüne 
Einsamkeit bilden, die irgend ein Kunstwerk wie ein Juwel 
umfaßt und mitten im Großstadtlärm das Gefühl der Ent' 
rücktheit gewähren kann. Aber wo ist in unseren öffentlichen 
Anlagen die Laubwand oder die geschnittene Hecke zu finden, 
wo das heimatliche Gartenmotiv, die gemütliche Laube? 
Von instinktiven Erkenntnissen geleitet, treibt es den Groß' 
Städter in die freundlichen Gartenvororte hinaus, wo sich die 
alte Kultur fortfristet, und er sucht dort seinem Natur' und 
Schönheitsbedürfnis Nahrung zu geben, weil sie ihm die Stadt 
versagt. Sie wird trotz des größeren Komforts anscheinend 
immer unwohnlicher, sofern ästhetische Eigenschaften zur 
Wohnlichkeit gehören. Die Bauspekulation, die in den Peri' 
pherien die trostlosen Mietkasernen errichtet, steht natürlich 
nicht vor den alten Kulturwerten still. 
Durch die andauernden Verwüstungen in den nächsten Um' 
gebungen der Städte ist die Parkfrage aktuell geworden. In 
Wien wird die „Schaffung eines Wald' und Wiesengürtels 
um Wien“ erwogen, in anderen Städten wird sich die Park' 
politik mit ähnlichen Fragen zu beschäftigen haben. In allen 
Fällen aber soll es sich vernünftigerweise nicht so sehr um 
Neuschaffungen als vielmehr UM ERHALTUNG DES BE' 
STEHENDEN GUTEN, also um eine Art „HEIMAT 
SCHUTZ“ handeln. In diesem Sinne hat die Parkpolitik so 
ziemlich in allen Städten eine wichtige und zeitgemäße Kultur' 
aufgabe zu erfüllen. Mit der Schaffung neuer Anlagen sollte 
namentlich in den halbländlichen und oftmals entzückend 
schönen Vororten lieber gewartet werden, bis die guten, alten 
Motive der heimatlichen Tradition, auf die in diesem Zu' 
sammenhange hingezeigt wurde, künstlerisch so verarbeitet 
sind, daß endlich wieder Gärten entstehen, die ebenso wie die 
alten, nach einem Worte von Bacon of Verulam, die Quelle 
reinster Freuden sind.
	        
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