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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

Tönung dem alten Kettgarn sehr ähnlich war. Zweieinhalb 
Kilo wurden verbraucht. Acht Arbeiterinnen haben durchs 
schnittlich an einem Teppich gearbeitet; ihre Zahl konnte 
beliebig vermehrt werden, da die vier Meter großen Rahmem 
seiten genügend Platz boten und es für die Arbeitsweise gleich 
blieb, von welcher Seite Kettfäden eingezogen und auch ge^ 
stickt wurde. An den beiden Querseiten der Rahmen saß je 
eine Arbeiterin, deren Aufgabe allein darin bestand, die arg 
beschädigten Kanten mit zahllosen neuen Kettfäden zu ver^ 
sehen und die Kanten selber fortlaufend und lückenlos zu 
besticken, damit sie wieder haltbar wurden. Die großen Stick' 
rahmen waren für die vier Meter großen Teppiche in der 
Größe von 4'3o Meter angefertigt worden. Die dicken abge' 
rundeten Balken bestanden aus zusammengeleimten Teilen, 
denn so vermochten sie der großen Spannung, die der Teppich 
auf sie ausübte, Widerstand zu bieten, ohne sich zu biegen. 
Die vier Zentimeter breiten Leinengurten waren an die Balken 
in vertiefte Kanten festgenagelt, lagen deshalb so flach am 
Holz, daß es möglich war, die Teppiche glatt aufzurollen. 
Alle RaffaeLTeppiche waren bereits einige Jahre bevor mit 
Erfolg gereinigt worden, daher es hier ausfallen mag, dieses 
wichtige Kapitel, das als Einleitung bei jeder Instandsetzung 
von Teppichen und Stoffen eine Rolle spielt, auseinander-- 
zusetzen.“ 
Der bisher noch vielfach geübte Vorgang, die beschädigten oder 
fehlenden Teile bildmäßig wieder so herzustellen, wie es den 
reparierenden Händen im Wege der Analogie wahrscheinlich 
vorkommt, also den alten Zustand durch eine neue, möglichst 
getreue Nachzeichnung vorzutäuschen, ist als vollkommen 
unberechtigt und unkünstlerisch erkannt worden; leider wird 
bei Gobelinreparaturen darauf noch nicht im erwünschten 
Maße Rücksicht genommen. Vielleicht tragen die oben mit' 
geteilten Erfahrungen zur Aufklärung bei und bewirken, daß 
der darin gekennzeichnete einzig richtige Standpunkt in diesen 
Dingen wieder allgemein eingenommen wird. 
auf und gebraucht den vorgespannten Faden zugleich als 
Unterlage und als Wegweiser. Auf diese Weise gelangt sie 
zum Ausgangspunkt zurück, und hier beginnt, etwas tiefer, 
mit demselben Faden die zweite Reihe. Stets ist es die 
gleiche Wiederholung: i. Faden von rechts nach links ge' 
spannt, 2. darüber zurück; Stich für Stich wird jede Rippe 
aufgegriffen. Die Arbeiterin muß sehr achtgeben, daß die 
kleinen Stiche, die, um ihren Zweck ganz zu erfüllen, tief 
in das Gewebe eindringen, sogar durch die Kettfäden gehen 
müssen, auf der rechten Seite unsichtbar bleiben. Hier darf 
nichts verraten, was rückseitig geschehen ist. Deshalb ist es 
auch wichtig, das übersticken mit leichter Hand auszuführen, 
die Stiche nie anzuziehen; denn so behält der Teppich um 
umschränkt seine Dehnbarkeit, wenn auch die unzähligen 
schadhaften Felder mit feinen Stichreihen übersät sind. Genau 
wie die mürben Stellen werden alle Kettgarnlöcher vollständig 
überstickt, schon aus dem wichtigen Grunde, hier die ihres 
Einschlags ganz beraubte lose Kette wieder untereinander 
zu verbinden und es dadurch unmöglich zu machen, daß 
nachher der hängende Teppich an solchen Stellen auseinander' 
klafft und dem Zerstörungswerk des Alters geradezu Am 
griffspunkte bietet. Beim Besticken der Kettgarnlöcher werden 
die vorhin erwähnten Hilfsfäden unter der Arbeit wieder 
herausgezogen, sobald ihr Zweck, die Kettfäden zu ordnen, 
erfüllt ist. 
Außer den Kettgarnlöchern und den mürben Stellen kommt 
als dritte Aufgabe für die Stickerin hiezu, die oft auseinander' 
geplatzten Gewebeschlitze technisch so wieder zusammen zu 
nähen, wie es ursprünglich geschehen war. Jetzt allerdings 
dürfen die einstmals farbig verbundenen Schlitze nur mit nem 
tralgefärbter Seide vernäht werden, die außer den neuen 
Kettfäden als einziges Material verwendet wird. 
MATERIAL etc. Es war dies eine feindrähtige Chappe'Seide; 
rund elf Kilo sind davon verstickt worden! Für die Kettfäden 
fand sich ein vorzüglicher Leinenzwirn, der in Charakter und 
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