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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

Die Handarbeiten der ersten Schuljahre finden nach dem System der 
New Yorker Volksschulen eine vorzügliche Ergänzung durch den 
ZEICHENUNTERRICHT, der auch auf den höheren Stufen in einer 
den modernen Anforderungen entsprechenden Weise betrieben wird. 
An die Arbeiten in Papier und Karton schließen sich PAPPARBEITEN 
an, die vom fünften bis achten Schuljahr in solchen Schulen betrieben 
werden, die keine besondere Werkstatt besitzen. Auf dem inter 
nationalen Zeichenkongreß in Bern haben diese Papparbeiten aus 
New Yorker Volksschulen die Aufmerksamkeit von Kennern erregt. 
Sowohl ihre originelle Form als auch die geschmackvollen Farben 
zusammenstellungen und der dem Material durchaus angepaßte 
Schmuck zeichnen sie aus. Wer Gelegenheit hatte, sie genauer zu 
prüfen, dem wird nicht entgangen sein, welche vorzügliche Übung 
für die Bildung des Geschmackes und für die Ausbildung von Auge 
und Hand sie darstellen. 
Eine andere Abteilung bilden HOLZARBEITEN, die mit Hilfe der 
Hobelbank herzustellen sind und demnach nur in solchen Schulen 
betrieben werden können, in denen die Werkstatteinrichtungen dafür 
vorhanden sind. In den New Yorker Volksschulen werden, soweit 
eben die genannte Bedingung erfüllt ist, derartige Arbeiten vom 
sechsten Schuljahre an betrieben, aber nur von den Knaben, während 
die Mädchen am Haushaltungsunterrichte teilnehmen. Anderwärts 
läßt man auch die Mädchen an dem Unterrichte in Holzarbeiten teil 
nehmen, wie man ja auch nichts darin findet, daß sich die Knaben 
am Kochunterrichte beteiligen. Der Amerikaner ist eben viel vor 
urteilsloser in allen Anschauungen und sieht die Dinge immer so an, 
wie sie wirklich liegen, während wir über unsere aus theoretischen 
Erwägungen entspringenden Vorurteile vielfach nicht hinwegkommen 
können.“ Der amerikanische Schulbetrieb auf technischer und künst 
lerischer,, Grundlage ist in „Kind und Kunst“ noch weiter ausgeführt, 
womit die Zeitschrift einen durchaus löblichen Anfang gemacht hat, 
die Fortschritte im Auslande zu zeigen, die auch uns frommen 
könnten. 
DAS DEUTSCHE BILDUNGSBEDÜRFNIS IST AUF 
ABWEGEN! 
Also schreibt ein deutscher Buchhändler: 
„Schriften, deren Wert in den Resultaten des Ver 
standes liegt, sind schon nach einem Menschenalter, 
wenn der Verstand gegen diese Resultate gleichgültiger 
wird oder auf leichterem Wege dazu gelangt, veraltet. 
Schriften aber, in denen sich ein Individuum lebend 
abdrückt, werden nie entbehrlich, denn sie enthalten in 
sich ein unvertilgbares Lebensprinzip, eben weil jedes 
Individuum einzig und mithin auch unersetzlich ist.“ 
„So äußert sich Schiller in einem Brief an Fichte. Was tun aber die 
Deutschen von heute, um eine lebendige Persönlichkeit auf sich wirken 
zu lassen? Sie lesen Bücher über dieselbe. Denn die Bildungsfrönerei 
schreibt vor, über etwas informiert zu sein, und man beladet sich ihr 
zuliebe mit totem Wissen. Man sucht nicht selbständig nach dem, 
was die eigene Seele je nach ihrer Veranlagung zur Nahrung braucht. 
Man traut sich ja auch keine persönliche Stellung zu irgend einer 
Lebenserscheinung zu, falls sich nicht in einer Zeitung oder Zeitschrift 
eine „Autorität“ darüber ausgesprochen hat, deren Ansicht man meistens 
je nach dem Grad der Tagesberühmtheit annimmt. 
Wird das Schiller-Jubiläum der erste Anlaß werden, aus der einseitigen 
Verstandeskultur von heute loszukommen, damit wir den „schöpferi 
schen“ Menschen wieder auf uns wirken lassen und dadurch in 
unserer eigenen Sphäre Schöpfer werden? Damit wir nicht mehr über 
einseitiger Ausbildung des Intellektes uns selbst versäumen? Denn wie 
Schiller sagt, durch Verbreiterung der Wissensfläche „ergreifen“ wir 
zwar immer mehr, doch hängt das „Begreifen“ von der „Kraft und 
Tiefe der Persönlichkeit“ und von der „Freiheit ihrer Vernunft“ ab. 
Es geht daher meine Verlagstätigkeit bei der deutschen Schiller-Feier 
in den nachfolgend angezeigten Büchern darauf aus, die Persönlich 
keit Schillers in eigenen Worten wirken zu lassen und ihn haupt 
sächlich da zu zeigen, wo er unersetzlich ist, nämlich als Führer zu 
einer ästhetischen und sittlichen Kultur. Aber Schiller stand nicht 
allein in seiner Zeit, deren Ideale die universale Bildung, die durch 
Wissenschaft und Philosophie erkämpfte persönlich selbständige Welt 
anschauung, die innere geistige Freiheit waren. Diesen Mitkämpfern 
will die Buchserie „Erzieher zu deutscher Bildung“ wieder zu leben 
diger Wirkung verhelfen.“ 
Dieser Buchhändler ist der Verleger Eugen Diederichs zu Jena. Wir 
haben die Worte dieses Mannes hier wiederholt, weil sie das Spiegel 
bild eines Verlegers geben, von dem. man wünschen kann, daß es zum 
Vorbild und Typus des deutschen Buchhändlers werde. Wenn alle Ver 
leger auf diesem hohen Bildungsniveau ständen, wäre es mit der 
deutschen Bildung besser bestellt. Was Diederichs leistet, ist Kultur 
arbeit. Jedes Werk, das aus seinem Verlag kommt, verdient ohne- 
weiters erworben zu werden. Jedes neue Buch ist ein neuer Wert, der 
Nahrung und Stärkung gibt für die persönliche Kultur und eine 
Mehrung ist des Seelenbesitzes, nicht der Wissenslast. 
Was von seinen bisherigen Verlagswerken zu sagen ist, gilt im vollen 
Umfang auch von der Serie „Erzieher zu deutscher Bildung“, davon 
bisher erschienen sind: 
Bd. I. J. G. Herder, Ideen, M. 2.—. 
Bd. II. Friedrich Schlegel, Fragmente, M. 2.—. 
Bd. III. Gottlieb Fichte, Evangelium der Freiheit, M. 3.—. 
Bd. IV. Friedrich Schiller, Ästhetische Erziehung, M. 2.—. 
Im Schiller-Jahr von besonderer Bedeutung ist der in sorgfältiger äußerer 
Ausstattung herausgegebene zwei Bände (M. 6.—) umfassende „Brief 
wechsel zwischen Schiller und Goethe“ eine allen Literaturfreunden hoch 
willkommene Erscheinung. Das Werk ist von Houston Stewart Cham- 
berlain eingeleitet. Diese Einleitung hebt in klarer Weise den Wert 
hervor, den der Briefwechsel für uns alle hat: „nicht nur ergänzt er 
in köstlicher Weise, was wir sonst über Schiller und über Goethe — 
über ihr Leben und über ihre Anschauungen — wissen, sondern wir 
lernen hier jeden der beiden großen Männer AN DEM ANDEREN er 
kennen und gerade dies bedeutet für unsere Kultur als Ganzes sowie 
für die Kultur jedes einzelnen unter uns einen unschätzbaren Gewinn.“ 
Im Unterzeichneten Verlag erscheint in einer nur EINMAL 
aufgelegten Anzahl von 300 eigenhändig NUMERIERTEN 
Exemplaren ein sorgfältig ausgestattetes Buch von 
JOSEPH AUG. LUX 
DREI PUPPENSPIELE 
und zwar: 
ES WAR EINMAL EINE PRINZESSIN.. 
JEAN BRIOCHE, DER PUPPENSPIELER 
□ TOD DES PIERROT □ 
Der Preis des mit Zeichnungen versehenen Buches ist 
□ 6 KRONEN □ 
Mit Rücksicht auf die sehr beschränkte 
und nicht wiederholte Auflage empfiehlt 
es sich, die Bestellungen, die nach der 
Nummer ihres Einlaufes bis zur Neige 
des kleinen Vorrates erledigt werden, un 
gesäumt an den Verlag gelangen zu lassen 
VERLAG „HOHE WARTE“ 
WIEN, I. WALLFISCHGASSE 4 
ANMERKUNG. Die Garstener Gobelinaufnahmen unseres 15. Heftes 
sind von der photographischen Anstalt „E. Prietzel, Steyr, k. u. k. Hof 
lieferant“, hergestellt worden. 
NACHDRUCKVERBOT für sämtliche in den Heften der „Hohen Warte“ 
erscheinenden Artikel und Illustrationen. 
Alle Zuschriften und Sendungen Wien I. Wallfischgasse No. 4. Telephon 5461. 
Verlag „Hohe Warte“ (Lux & Lässig). Für die Redaktion Joseph Aug. Lux. 
Druck von Christoph Reisser’s Söhne, Wien V. 
Papier von der Neusiedler Aktiengesellschaft für Papierfabrikation, Wien. 
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