glücklichen Wahl der Personen, denen eine Aufgabe von
solcher Bedeutung übertragen wird.
„Was hätten wir Besseres tun können, als einen geprüften
Ingenieur oder einen behördlich konzessionierten Baumeister
und Architekten zur Aufstellung eines neuen Regulierungs^
planes zu beauftragen ?“ In dieser von Gemeindevertretungen
oft gehörten Rechtfertigung liegt das Eingeständnis eines
Grundfehlers, der fast überall zu traurigen Ergebnissen ge^
führt hat. Ein Ingenieur allein oder ein Geometer allein
oder ein Architekt allein ist nämlich gar nicht im stände,
einen ordentlichen Regulierungsplan aufzustellen und eine
Stadtregulierung durchzuführen.
In den meisten Fällen hat ein Ingenieur allein gearbeitet,
was zur Folge hatte, daß der ganze Plan auf das Verkehrs^
bedürfnis zugeschnitten und die zahlreichen aus historischen,
natürlichen und künstlerischen Traditionen entwickelten
Forderungen so gut wie gar nicht erfüllt sind. Oder es hat
in wenigen Fällen ein Künstler allein gearbeitet, der ein
künstlerisch gutes, aber praktisch wenig vorteilhaftes Projekt
ausgearbeitet hat und daher zu keiner allseitig befriedigenden
Lösung gelangt ist.
WELCHE ALSO SIND DIE VORBEDINGUNGEN
EINES GUTEN REGULIERUNGSPLANES?
Ein guter Regulierungsplan kann nur aus dem Zusammen^
wirken aller drei Faktoren entstehen, des Geometers, des
Ingenieurs, des künstlerischen Architekten (nicht des bürgere
liehen Bauunternehmers!).
Der Geometer nimmt die Vermessungen unter genauer Be*
achtung der Besitzgrenzen, der vorhandenen natürlichen und
historischen Sachlage, als da sind: Wasserläufe, Terrain^
Verhältnisse, Kulturen, Kunst- und Baudenkmäler, alte
Straßenzüge, die fast ausnahmlos gut angelegt waren und
beibehalten werden sollen, nicht allein um Kosten zu sparen,
sondern um das künstlerische oder kulturelle Gewohnheits
bild nicht zu zerstören und nicht gegen die natürliche oder
organische Entwicklung zu sündigen.
Der Ingenieur hat bei der Anlage der Straßenzüge hin
sichtlich des vorhandenen und genau ermittelten Verkehrs-
bedürfnisses zu wirken und auf alle genannten bestehenden
Verhältnisse gewissenhaftest Rücksicht zu nehmen. Er muß
daher mit den örtlichen Zuständen aufs genaueste vertraut
sein, was nur auf Grund langer Ortsansässigkeit möglich
ist. Der Ingenieur muß daher ein Ortsansässiger sein. Er
mag also hinsichtlich der Verkehrstechnik, der Kanalisation,
des Beleuchtungswesens, der Anlage gemeinnütziger städti
scher Wohlfahrtseinrichtungen, der Fabriken, Bahnen etc.
ein gewichtiges Wort führen und jedem Teil seinen Platz
ermitteln, um ein wohlgegliedertes Stadtgefüge zu erzielen,
und dennoch würde mit unzweifelhafter Sicherheit das
ödeste, unwohnlichste und häßlichste Stadtbild zu stände
kommen, wenn nicht gleichzeitig der Künstler zur Mit
wirkung herangezogen würde.
Der künstlerische Architekt, also ein solcher, der nicht von
der"Wiederholung alter Baustile lebt, hat bei der Führung
und Wendung der Straßenzüge, der Platzanlagen nach Maß-
gabe;»vorhandener örtlicher Vorbildungen, wie bestehender
Platz- und Straßenanlagen, Gärten, Baumgruppen etc., sowie
nach Maßgabe der klimatischen, meteorologischen und
hydrologischen Verhältnisse, wie Winde, Wasserläufe,
Sonnenlage, 5 i Terrainbildung u. s. f. nach künstlerischer
Empfindung ’ zu;:entscheiden, um nicht nur schöne ,/,Stadt-
und Straßenbilder zu erwirken, sondern, was die Haupt
sache ist, menschlich dimensionierte und daher wohltuende
Raum- und Architekturgebilde zu schaffen. Die architek
tonische Charakteristik, die Abstufung der Bauwerke in der
Steigerung vom Wohnbau bis zu Monumentalbauten, die
künstlerischen Fragen, wie die Aufstellung von Monumenten,
öffentlichen Brunnen, die Anlage von Gärten, Stadtparks etc.
liegen in seiner Hand. Sein Einfluß reicht nicht nur bis
über alle öffentlichen Stadtgebilde, wie Straßen, Plätze und
öffentliche Bauten, sondern auch über die architektonische
Gestaltung des privaten Hauses, der Miethäuser, Villen
anlagen und Hausgärten, ja sogar bis zur Gestaltung des
Wohnraumes und Hausrates. Er hat die heimatliche Bau
weise, soweit sie örtlich überliefert ist, genau zu beachten,
weil sich darin das kulturelle und künstlerische Wesen der
Bewohner ausspricht, hat für die Erhaltung des bestehenden
guten Alten zu wirken und in seinen neuen Bautypen für
die künstlerische Übereinstimmung des Hauses mit seiner
äußeren Lage und mit den Forderungen moderner Kultur,
die ihren Schönheitsbegriff aus vollkommen erfüllter Zweck
mäßigkeit und edler Einfachheit bildet, zu sorgen.
WIE MUSS EINE TECHNISCH UND KÜNST
LERISCH VOLLKOMMENE STADTREGULIERUNG
BESCHAFFEN SEIN?
Eine vollkommene Stadtregulierung darf nach dem Gesagten
die Charakteristik der alten Teile nicht zerstören. Was über
liefert ist, muß erhalten bleiben, denn es wirkt als lebendiger
Wert, was an anderer Stelle der „Hohen Warte“ wiederholt
ausgeführt ist. Sie muß nicht nur die alten Bau- und Kunst
denkmäler, dazu auch die schlichten Bürger- und Bauern
häuser der früheren Zeit gehören, unverändert aufnehmen,
sondern auch den Bestand alter Straßen, Bäume, Gärten etc.
verwerten und sich in allen vorerwähnten Fällen an den
vorhandenen natürlichen Zustand organisch anschließen.
Erdabtragungen, Nivellierungen und ähnliche künstliche
Erdbewegungen sind nicht nur kostspielig, sondern in den
meisten Fällen durchaus verwerflich. Sie muß allen modernen
Anforderungen hinsichtlich Verkehr und Komfort im
reichsten Maße Rechnung tragen, aber immer zwischen
Verkehrsstraße und Wohnstraße streng zu unterscheiden
wissen. Verkehrsstraßen, die zugleich Geschäftsstraßen sind,
müssen ganz anders behandelt werden als die Wohnstraßen
und Wohnviertel. Die reinen Nutzbauten, Fabriken etc., sind
in der Regel nach dem Osten zu lagern, die Cottageviertel
nach dem Westen, was der in Mitteleuropa herrschenden
Windrichtung entspricht. Die reinigenden Winde kommen
aus dem Westen. Das architektonische Bild soll keine falsche
Architektur, keine Protzenhaftigkeit darstellen; auch hier
soll die Charakteristik gewahrt bleiben; ein Miethaus soll
keinen Palast vortäuschen u. ä. Das Einzelwohnhaus soll
auf die realen Bedürfnisse zugeschnitten sein und auf äußeren
Prunk verzichten. Gediegenheit und Einfachheit kleidet
besser als falscher Schmuck.
Tausendfach sind die Fragen und Erwägungen, von denen
die Schöpfer einer in jeder Hinsicht einwandfreien Regu
lierung bei ihrer Arbeit geleitet sein müssen, und sie können
nicht alle aufgezählt werden; aber für die Umgrenzung der
Aufgabe in den Hauptzügen, soweit sie insbesondere der
Öffentlichkeit, den Gemeindevertretern und sonstigen be
teiligten Körperschaften und schließlich jedem Bürger ge
läufig sein sollen, wird das Gesagte genügen können.
WIE WERDEN DIE GEEIGNETEN PERSÖNLICH
KEITEN GEFUNDEN?
Ist der Umfang der Aufgabe sachlich erkannt, dann stellt
sich die Frage nach den geeigneten Kräften ein, die für ein
solches Werk zu berufen sind.