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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

die nur ungenügend durch Straßen und BeleuchtungS' 
anlagen passierbar sind. Durch den Umstand, daß der weitere 
Bodenbesitz, auf dem die Stadt mit ihrer Umgebung liegt, 
in wenigen festen Händen vereinigt ist und jedem Käufer 
ein beliebiges Stück Bauland an beliebiger Stelle ohne vor' 
herbestimmten Bebauungsplan abgegeben wurde, ist die 
willkürliche Bauerei an allen Ecken und Enden gefördert 
worden. Da sich ausschließlich die Spekulation damit be^ 
faßte, ist an solchen Baustellen das Niederträchtigste, das 
an Hausbauerei möglich ist, entstanden, davon wir nur 
einige geringe Proben bildlich darstellen. 
Bürgermeister und Rat haben die Unhaltbarkeit dieser Zu' 
stände eingesehen und das Nötige veranlaßt, um eine bessere 
Entwicklung anzubahnen. Sie haben sich sagen müssen, 
wenn ihr Amstetten ein angenehmer und einladender Auf' 
enthalt werden soll, dann darf die Schönheit nicht fehlen. 
Was bisher geschehen, war freilich das Gegenteil von dem 
Streben nach Schönheit gewesen. Wenn die Stadt gehoben 
werden soll, dann muß sie ebenso komfortabel als ästhetisch 
befriedigend sein. Ohne den Techniker und den Künstler 
ging es nicht mehr. Vom ersteren hängt das Praktische, 
vom letzteren das Schöne oder vielmehr von beiden 
beides. 
Man tat zunächst das Richtigste, was sich tun läßt, man 
berief einen Geometer, um die Markung und die Besitz' 
grenzen festzustellen, damit auf dieser Grundlage der RegU' 
lierungsplan aufgebaut und verläßlich gehandhabt werden 
könne. Man hatte das Glück, den rechten Mann zu treffen, 
der sofort auch nach wies, wie unrichtig die alten Ver' 
messungen waren und wie ein Regulierungsplan auf Grund 
der alten Vermessungen nie und nimmer zum Rechten 
hätte führen können. Infolge ungenauer Besitzfeststellungen 
wären Konflikte und Prozesse unvermeidlich gewesen, die 
eingezeichneten Straßen hätten nur auf dem Papier be' 
standen und die Wirklichkeit hätte ein sinnlos ver' 
schrobenes Bild ergeben, wie es in vielen Städten der Fall 
ist, die sich von Unberufenen Regulierungspläne auf Grund 
alter Mappen aufstellen ließen. Wie groß die Ungenauig' 
keiten in den alten Vermessungen sind, geht aus dem Ver' 
gleich mit den neuen Amstettener Messungen hervor, die 
wir in einigen Beispielen zusammengestellt und als Plan' 
skizzen dieser Erörterung vorausgeschickt haben. Der Geo' 
meter, der nun mit dem Ingenieur tüchtig an der Arbeit 
ist, erklärt aber mit vollem Recht, daß auch ein künst 
lerischer Faktor zum Wort kommen müsse, wenn das 
künftige Stadtbild wirklich vollkommen und anziehend der 
Bürgerschaft, ihren Häuptern und der geistigen und wirt' 
schaftlichen Wohlfahrt zu Nutz und Frommen gereichen 
soll. 
Auf die Frage nach der geeigneten Persönlichkeit haben 
wir Antwort geben können und nun ist auch der Künstler 
im Verein mit den anderen fachlichen Mächten am Werk, 
die Stadt in ihren formalen Verhältnissen auf die Höhe 
der Zeit zu bringen. 
Wie sehr recht haben doch die technischen Fachmänner 
und im Verein mit ihnen Bürgermeister und Rat gehabt, 
auch den Künstler zu berufen! Wie mächtig muß dieses 
Vorbild auf die anderen Städte wirken, die heute noch um 
gewiß schwanken, sollen sie entschlossen diesen einzig 
richtigen Weg gehen oder ein elendes Kompromiß mit 
allerlei Spekulationsideen und Spekulanten schließen! Wie 
groß müssen die Segnungen sein, deren Amstetten in etwa 
zehn Jahren, wenn sie wirklich nach den eingeleiteten 
Grundsätzen folgerichtig ausgebaut ist, teilhaftig wird, und 
wie sehr werden die anderen Städte das Beispiel befolgen 
wollen, wenn es für sie aus wirtschaftlichen und sonstigen 
Gründen inzwischen nicht zu spät geworden ist. 
Was in künstlerischer Hinsicht nottut, und worauf ein 
Augenmerk zu richten ist, haben wir in der vorstehenden 
allgemeinen Erläuterung über die Art, wie ein guter tech' 
nisch und künstlerisch einwandfreier Regulierungsplan zu 
stände kommt, auseinandergesetzt und brauchen uns daher 
nicht zu wiederholen, denn das dort Gesagte gilt auch hier. 
In Amstetten hat der Künstler trotz der unglücklichen Bau' 
periode während der letzten 30 Jahre noch immer ein paar 
hübsche Ausgangspunkte für eine charakteristische Ge' 
staltung, die dem Orte einst eigentümlich gewesen sein 
mag. 
Noch findet sich bei der schönen, alten Pfarrkirche, die um 
bedingt zu erhalten und vielleicht durch einen Anbau zu 
erweitern ist, weil zu klein geworden, der schöne, alte 
Pfarrplatz, durch eine Baumreihe von der Straße, wo der 
Wagenverkehr geht, abgeschlossen, ein ruhiger und ge' 
sicherter Sammelplatz für die Bürger' und Bauernschaft, 
die Sonntags aus Stadt und Umgebung hier zusammen' 
trifft und vor und nach dem Gottesdienst einen EinigungS' 
punkt findet. Es ist ein anmutiges Bild, das die schöne, 
alte Kirche, der von herrlichen, alten Bäumen eingefaßte 
Platz mit seinen sonntäglichen Menschengruppen bietet. Die 
neue Klosterkirche entbehrt dieses Reizes vollkommen, ab' 
gesehen davon, daß sie auch in ihrem Äußern ein Werk 
nüchterner, unkünstlerischer Stilmacherei ist. Sie mündet 
direkt auf die Straße, bietet vor ihrer Pforte keinen Platz 
zum Verweilen und setzt die aus der Kirche tretende 
Menge der Gefahr aus, knapp vor dem Kirchenportal über' 
fahren zu werden. Der Situationsplan allein ist schon ein 
Beweis architektonischer und künstlerischer Unfähigkeit. 
Ein weiteres günstiges Merkmal kommt für die künftige 
Stadtgestaltung in Betracht. Es ist jenes Auland, das als 
Stadtpark gedacht ist, ein lang hingestrecktes Grundstück, 
reichlich mit Bäumen und Rasen bestanden. Der Künstler 
kann hier einen glücklichen Griff tun. Die lang hingestreckte 
Form kann er zu besonderer künstlerischer Wirkung aus' 
nützen, lange Laubgänge und geschnittene Baumwände him 
ziehen, die in Lauben, Brunnen oder schöne Plastiken 
kulminieren. 
Die lange, schmale Form ist dankbar und läßt die feinsten 
Wirkungen möglich erscheinen. Eine Fülle von Be' 
merkungen, mehr bestimmt, die Bürgerschaft auf die Wich' 
tigkeit der künstlerischen Mitwirkung aufmerksam zu 
machen, denn den Künstler zu belehren, der selbst weiß, 
was nottut, wäre noch einzuflechten, wie etwa die Frei' 
legung des alten Brunnens am Platze, dem unvernünftiger' 
weise eine Waghütte vorgebaut ist, ferner die Schaffung 
von Cottageanlagen im Westen, die Verlegung der Fabriken 
nach dem Osten, fern vom Wohnteil der Stadt, die Bildung 
von Arbeiterwohnhäusern nach sozialen, künstlerischen und 
hygienischen Grundsätzen und vieles andere noch wäre hier 
anzuführen, wenn es in der vorangehenden Erläuterung 
nicht schon angedeutet und in den früheren Heften im 
einzelnen schon ausführlich behandelt worden wäre, so daß 
es nur nachgelesen zu werden braucht. 
Bei später sich darbietender Gelegenheit kommen wir noch 
auf Amstettener Regulierungsfragen zurück, namentlich, 
wenn sie zu gemeinnützigen Anregungen Ursache geben. 
Im folgenden schließen wir dieser allgemeinen Schilderung 
der Situation eine detaillierte Darstellung der notwendigen 
Arbeiten und Arbeitsteilungen an, die dahinführen sollen, 
Amstetten zu einem schönen und modernen Stadtganzen zu 
bringen. 
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