Prof. Koloman Moser: Anhänger links aus
Silber und Opalen. Anhänger rechts aus
Silber und Mondsteinen.
(Angefertigt in der Wiener Werkstätte.)
differenzierten Handarbeit ist. Die Maschine hatte sich der
Sache noch nicht bemächtigt, und der Goldschmied war noch
nicht zur Schablone und zur stumpfsinnigen Nachbildung von
ebenso stumpfsinnig entworfenen Vorlagen herabgesunken.
Wandert man in unseren modernen Hauptstädten die vor^
nehmen Juwelierläden ab, so wird man in den prunkenden
Auslagen kaum ein Stück finden, das dem alten Schmuck
in irgend einer der angedeuteten Beziehungen gleichkommt.
Der Brillant behauptet ausschließlich das Feld. Der Halb'
edelstein ist gering geachtet und fast verschwunden. Gold
und Silber sind behandelt wie gestanztes Messing oder Blech;
von einer Kunst des Goldschmiedes ist nichts zu spüren.
Die Maschine herrscht und die Schablone. Moderne neue
Formgebungen kommen fast nur im unechten billigen Material
vor mit dem trügerischen Anschein von Echtheit. Man sieht,
es ist Moderne vom Tage, Mode. Der Geschmack des
Publikums von heute und morgen ist an dem Inhalt der
Schaufenster vorauszubestimmen. Der Juwelier beklagt sich
über das Sinken der Fassonpreise; er hat keine Aufgaben;
er und seine Arbeiter sind einseitige Spezialisten im Brillanten'
fassen geworden. Im Gegensatz zur früheren Kultur, die an
der künstlerischen Arbeit Freude besaß, erkennt die heutige
Generation in dem Schmuck nur das sündhafte Geld, das er
kostet, und schätzt ihn nach seinem marktlichen Realwerte.
Der Schmuck, einst in enger Beziehung zur inneren Bildung
des Menschen, ist ein rein äußerlicher Vorwand zur protzem
haften Schaustellung des Reichtums geworden. Das erklärt
das Uberwiegen des teueren Brillanten, das Aufgeben der
edlen Form zu gunsten eines materiellen Aufwandes, das
Sinken der Fassonpreise und den Niedergang der Gold'
schmiedekunst. Die Fasson hat aufgehört, einen selbständigen
Wert zu bilden. Trotzdem oder vielleicht eben weil der
heutige Durchschnittsschmuck fast nur mehr einen Material'
wert repräsentiert, ist das kaufende Publikum der betrogene
Teil. Ein Käufer, der einen Schmuck für 20.000 Mark er'
wirbt, ahnt zunächst nicht, daß er einen Gegenstand erworben
hat, der einen Kunstwert von kaum mehr als 10 Mark dar'
stellt. Denn der Erzeuger, der einer künstlerisch ungebildeten
Käuferwelt gegenübersteht und von dieser selbst keine nach'
drückliche Mahnung empfängt, hat nicht mehr das Interesse
oder auch nicht mehr die Fähigkeit, dem Schmuck den einzigen
und besten Wert, den er besitzen soll, zu geben, nämlich
den Kunstwert. Er fertigt in der Regel den Schmuck nach
einer erwerbsmäßig hergestellten Vorlage an, für die er nicht
mehr als 10 Mark auslegt. Es wäre ein Zufall, wenn der
solcherart erstandene Entwurf mehr wert wäre als 10 Mark.
Der Schwerpunkt ist allgemach von der künstlerischen Seite
auf die bloß materielle gerückt worden und der Schmuck ist
zum bloßen Materialwert herabgesunken. Die Folge davon
ist der tiefe Verfall der einst hochstehenden Handwerks'
kunst, die noch vor 80 Jahren entzückende Goldschmiede'
arbeiten hervorbrachte, die infolge ihrer künstlerischen Be'
handlung einen immer steigenden Wert und für die späten
Enkel eine Quelle nie versiegender Freuden und Anregungen
bilden. Die Goldarbeiter haben seither die Goldschmiedekunst
verlernt. Sie können, wie gesagt, der Mehrzahl nach nur
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