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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

Lauchstädt. 
Das „Goethe-Theater*. 
Giebel birgt den Eingang, die Garderobe und Treppen. Das Innere 
ist durch eine flache, tonnenförmig ausgebildete Decke abgeschlossen. 
Jämmerlich ist der Zustand, in dem sich das Haus befindet. Das berüch- 
tigte Pappdach nimmt ihm seine Würde, Stubenmalerprodukte ent' 
stellen es im Inneren.“ „Eine pietätvolle Hand müßte sich hier darauf 
beschränken, dasVorhandene weder ,auszubilden‘ noch zu .schmücken', 
sondern nur in einen reinen und haltbaren Zustand zurückzubringen.“ 
Über die literarhistorische Bedeutung dieser Bauwerke bringt der 
Artikel unseres Heftes „Die Lauchstädter Literaturheiligtümer im 
Lichte der Geschichte“ von Hofrat Rudolf Bunge interessante und 
zum Teil neue Aufschlüsse. 
Lauchstädt. 
Das „Goethe-Haus“. 
die kurze Strecke, die man heutzutage mit der Eisenbahn 
in zwei Stunden zurücklegt, bei der Schwerfälligkeit des 
Fuhrwerkes und den schlechten Wegen der damaligen Zeit 
jedesmal ii bis 12 Stunden; denn auch am 19. Mai, als er 
wieder zurückkehrte, fuhr er morgens 4 Uhr aus seinem 
Hause in Weimar ab und traf Abends um 5 Uhr in Lauch 
städt ein, wo er wahrscheinlich in demselben Gasthofe ab 
gestiegen sein dürfte; wenigstens finden wir weder in der 
Kurliste noch irgendwo anders eine Angabe darüber. Am 
andern Morgen sprach er mit seinem Baumeister Götze über 
den Theaterbau und besuchte nachmittags die Steinbrüche, 
denen man das Baumaterial entnahm. Tags darauf sehen 
wir ihn am Bau auf und ab gehen und sorgsam das Wasser 
gefälle an demselben überlegen, nachmittags mit Götze in 
die Kiesgruben des nahen Schadendorfs spazieren und auf 
dem Rückwege den Bruch besuchen, wo man die sogenannten 
Schlacken brach, die jene festen Sandsteine ergaben, welchen 
wir heute noch die Widerstandsfähigkeit des alten Theater 
baues verdanken. 
Nachdem er seine Freunde, den Professor Wolf in Halle 
und seinen getreuen Liederkomponisten, den Kapellmeister 
Reichardt in Giebichenstein, einige Tage besucht hatte, kehrte 
er mit diesen gemeinschaftlich am Nachmittag den 24. Mai 
nach Lauchstädt zurück, um sich mit ihnen den nächsten 
Tag am Richteschmause der Bauhandwerker zu beteiligen. 
Nachdem er mit seinem Baumeister Götze noch ganz genau 
die Einzelheiten des Theaterbaues überlegt hatte, fuhr er 
mit seinem Liederkomponisten, dem Kapellmeister Reichardt, 
nach Weimar zurück und begab sich von da am 6. Juni 
nach Jena, woselbst er in einer einzigen Woche das be 
wundernswerte Festspiel zur Eröffnung der Lauchstädter 
Bühne: „WAS WIR BRINGEN“ dichtete und an seine Lieb 
lingsschauspieler verteilte. Er las es Schiller am Abend des 
13. Juni vor und kehrte am 21. früh wieder nach Lauchstädt 
zurück, um dort die letzte Hand an die Ausstattung und 
Einrichtung des neuen Theaters zu legen und die Eröffnungs 
vorstellung einzustudieren, welche denn auch mit dem oben 
erwähnten, ad hoc verfaßten geistreichen Festspiel und 
Mozarts Oper: „TITUS“ am 26. Juni stattfand und unter 
großem Andrang des Publikums am nächsten Abend wieder 
holt wurde. Beidemal fanden nach den Vorstellungen Ban 
ketts im Kursaale statt, bei denen der Dichter enthusiastisch 
gefeiert wurde. 
Nun erst begann für Goethe seine Badesaison, während 
welcher er in diesem Jahre die Proben des Lauchstädter 
Theaters leitete; so interessierte ihn die neue von ihm ge 
schaffene Unternehmung. Bei der Mühewaltung, die Goethe, 
wie wir aus obigem ersehen, einst tatsächlich diesem Werke 
gewidmet hat, war der hundertjährige Gedenktag der einst 
maligen Eröffnung des Lauchstädter Theaters am 26. Juni 
1902 wahrlich eine gar zu stille Feier zu nennen. Denn bis 
zur Mittagsstunde betrat das festlich geschmückte Haus nur 
der Verfasser dieses Aufsatzes als nächster Nachbar des alten 
Goethe-Theaters und legte pietätvoll auf den noch immer an 
seinem alten Standorte hinter der ersten Kulisse links vom 
Zuschauerraum sich befindenden braunsamtenen, hochleh- 
nigen Regiestuhle des großen Unsterblichen einen Lorbeer 
kranz mit einem Widmungsgedichte nieder, in dem der alte 
unscheinbare Bau, an dem seit Goethes Zeit noch nichts, 
gar nichts geändert ist, ein „Volksheiligtum“ genannt wird, 
in dem einst DIE gewaltet, für die des Deutschen Liebe nie 
erkaltet, der aber doch sein Säkularfest verdient hätte wie 
keine zweite Stätte in der Geschichte des deutschen Theaters. 
Keine Festvorstellung, kein feierlicher Akt der Erinnerung 
belebte das von der städtischen Behörde festlich geschmückte 
Haus. Jetzt aber, wo man sogar seine Demolierung be 
schlossen hat, dürfte es eine heilige Aufgabe des Goethe- 
Bundes und aller hervorragenden Künstlerkreise sein, diese 
altehrwürdige Stätte nicht nur vor dem Untergange zu be 
wahren, sondern in dankbarer weihevoller Erinnerung an 
die Genien, welche hier gewaltet haben, zu erhalten und darin 
allsommerlich einige Mustervorstellungen Goethescher und 
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