Lauchstädt.
Das „Goethe-Theater*.
Giebel birgt den Eingang, die Garderobe und Treppen. Das Innere
ist durch eine flache, tonnenförmig ausgebildete Decke abgeschlossen.
Jämmerlich ist der Zustand, in dem sich das Haus befindet. Das berüch-
tigte Pappdach nimmt ihm seine Würde, Stubenmalerprodukte ent'
stellen es im Inneren.“ „Eine pietätvolle Hand müßte sich hier darauf
beschränken, dasVorhandene weder ,auszubilden‘ noch zu .schmücken',
sondern nur in einen reinen und haltbaren Zustand zurückzubringen.“
Über die literarhistorische Bedeutung dieser Bauwerke bringt der
Artikel unseres Heftes „Die Lauchstädter Literaturheiligtümer im
Lichte der Geschichte“ von Hofrat Rudolf Bunge interessante und
zum Teil neue Aufschlüsse.
Lauchstädt.
Das „Goethe-Haus“.
die kurze Strecke, die man heutzutage mit der Eisenbahn
in zwei Stunden zurücklegt, bei der Schwerfälligkeit des
Fuhrwerkes und den schlechten Wegen der damaligen Zeit
jedesmal ii bis 12 Stunden; denn auch am 19. Mai, als er
wieder zurückkehrte, fuhr er morgens 4 Uhr aus seinem
Hause in Weimar ab und traf Abends um 5 Uhr in Lauch
städt ein, wo er wahrscheinlich in demselben Gasthofe ab
gestiegen sein dürfte; wenigstens finden wir weder in der
Kurliste noch irgendwo anders eine Angabe darüber. Am
andern Morgen sprach er mit seinem Baumeister Götze über
den Theaterbau und besuchte nachmittags die Steinbrüche,
denen man das Baumaterial entnahm. Tags darauf sehen
wir ihn am Bau auf und ab gehen und sorgsam das Wasser
gefälle an demselben überlegen, nachmittags mit Götze in
die Kiesgruben des nahen Schadendorfs spazieren und auf
dem Rückwege den Bruch besuchen, wo man die sogenannten
Schlacken brach, die jene festen Sandsteine ergaben, welchen
wir heute noch die Widerstandsfähigkeit des alten Theater
baues verdanken.
Nachdem er seine Freunde, den Professor Wolf in Halle
und seinen getreuen Liederkomponisten, den Kapellmeister
Reichardt in Giebichenstein, einige Tage besucht hatte, kehrte
er mit diesen gemeinschaftlich am Nachmittag den 24. Mai
nach Lauchstädt zurück, um sich mit ihnen den nächsten
Tag am Richteschmause der Bauhandwerker zu beteiligen.
Nachdem er mit seinem Baumeister Götze noch ganz genau
die Einzelheiten des Theaterbaues überlegt hatte, fuhr er
mit seinem Liederkomponisten, dem Kapellmeister Reichardt,
nach Weimar zurück und begab sich von da am 6. Juni
nach Jena, woselbst er in einer einzigen Woche das be
wundernswerte Festspiel zur Eröffnung der Lauchstädter
Bühne: „WAS WIR BRINGEN“ dichtete und an seine Lieb
lingsschauspieler verteilte. Er las es Schiller am Abend des
13. Juni vor und kehrte am 21. früh wieder nach Lauchstädt
zurück, um dort die letzte Hand an die Ausstattung und
Einrichtung des neuen Theaters zu legen und die Eröffnungs
vorstellung einzustudieren, welche denn auch mit dem oben
erwähnten, ad hoc verfaßten geistreichen Festspiel und
Mozarts Oper: „TITUS“ am 26. Juni stattfand und unter
großem Andrang des Publikums am nächsten Abend wieder
holt wurde. Beidemal fanden nach den Vorstellungen Ban
ketts im Kursaale statt, bei denen der Dichter enthusiastisch
gefeiert wurde.
Nun erst begann für Goethe seine Badesaison, während
welcher er in diesem Jahre die Proben des Lauchstädter
Theaters leitete; so interessierte ihn die neue von ihm ge
schaffene Unternehmung. Bei der Mühewaltung, die Goethe,
wie wir aus obigem ersehen, einst tatsächlich diesem Werke
gewidmet hat, war der hundertjährige Gedenktag der einst
maligen Eröffnung des Lauchstädter Theaters am 26. Juni
1902 wahrlich eine gar zu stille Feier zu nennen. Denn bis
zur Mittagsstunde betrat das festlich geschmückte Haus nur
der Verfasser dieses Aufsatzes als nächster Nachbar des alten
Goethe-Theaters und legte pietätvoll auf den noch immer an
seinem alten Standorte hinter der ersten Kulisse links vom
Zuschauerraum sich befindenden braunsamtenen, hochleh-
nigen Regiestuhle des großen Unsterblichen einen Lorbeer
kranz mit einem Widmungsgedichte nieder, in dem der alte
unscheinbare Bau, an dem seit Goethes Zeit noch nichts,
gar nichts geändert ist, ein „Volksheiligtum“ genannt wird,
in dem einst DIE gewaltet, für die des Deutschen Liebe nie
erkaltet, der aber doch sein Säkularfest verdient hätte wie
keine zweite Stätte in der Geschichte des deutschen Theaters.
Keine Festvorstellung, kein feierlicher Akt der Erinnerung
belebte das von der städtischen Behörde festlich geschmückte
Haus. Jetzt aber, wo man sogar seine Demolierung be
schlossen hat, dürfte es eine heilige Aufgabe des Goethe-
Bundes und aller hervorragenden Künstlerkreise sein, diese
altehrwürdige Stätte nicht nur vor dem Untergange zu be
wahren, sondern in dankbarer weihevoller Erinnerung an
die Genien, welche hier gewaltet haben, zu erhalten und darin
allsommerlich einige Mustervorstellungen Goethescher und
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