EINE DEUTSCHE GARTENSTADT^GESELLSCHAFT.
N ach dem Vorbild der englischen Gartenstadtbewegung hat sich
eine deutsche Gartenstadt-Gesellschaft gebildet, die einem ähnlichen
Ziel zustrebt. Es wird darin der Industrie ein Vorschlag gemacht, wie
sie ihrerseits zur Lösung der Wohnungsfrage beitragen könnte. Auch
die Industrie leide unter der großstädtischen Grundrente — direkt
durch die hohen Werkstattmieten und indirekt durch die Höhe der
Wohnungsmieten, welche die industrielle Leistungsfähigkeit des Arbeiters
und die Konsumfähigkeit der großen Massen herabdrücken. Dem könne
nur durch ein planmäßiges Verlassen der Großstadt seitens der In
dustrie abgeholfen werden. Bisher sei die Ansiedlung fern von der
Großstadt nur besonders kapitalkräftigen Firmen möglich gewesen.
Wenn aber, ähnlich wie dies jetzt in England der Fall ist, der Auszug
der Industrie aus der Großstadt organisiert und auf ein großes, speziell
diesem Zwecke gewidmetes Terrain geleitet wird, könnte eine ge
schlossene industrielle Ansiedlung geschaffen werden, die in ihrem
Stadt- und Landboden genossenschaftliches Eigentum der Bewohner
werden könnte. Die einzelnen Industriellen und sonstigen Ansiedler
würden ihr Stück Land in Erbpacht erhalten. Durch solche Maß
nahmen würden die Bedürfnisse der Industrie in bezug auf Arbeiter
beschaffung, Absatzmöglichkeiten, Kapital- und Beleihungsfrage und
enge Fühlung mit Nebengewerben befriedigt und durch den Aus
schluß jeden Bodenwuchers eine vollkommen hygienische und ästhetische
Stadtgestaltung ermöglicht werden. Wenn einer solchen ersten Siedlung
viele andere folgen werden, könne so eine Innenkolonialbewegung
entstehen. Hier sei die Möglichkeit für eine intensive, sich ertragreichen
Boden schaffende Kultur gegeben, die bessere und sichere Märkte er
schließen und größere volkswirtschaftliche Segnungen bringen könne
als jene extensive Kultur der Außenkolonialbewegung und der Welt
marktproduktion, die naturgemäß auf Bodenmangel stoße und stets
die Gefahr innerer und äußerer Verwicklung der Nationen in sich
berge. , . ,,
Eine Dezentralisation der Großstädte muß bestrebt sein, geschlossene
Siedelungen, d. h. neue und neugeartete Stadteinheiten zu schaffen.
Nur auf Grund und Boden, der möglichst zum landwirtschaftlichen
Nutzungswert erworben wird und genossenschaftliches Eigentum der
Gesamtheit seiner Bewohner bleibt, ist eine wirklich durchgreifende
Wohnungsreform und eine wahrhaft hygienische und ästhetische
Stadtgestaltung möglich. Neugründungen von Städten vollkommener
Art im Sinne der Gartenstadt begegnen nicht größeren Schwierigkeiten
als eine fortschrittliche Stadtreform und Stadterweiterung. Die Garten
stadt ist die zweckentsprechendste Form einer Lösung der Wohnungsfrage
und der Städtedezentralisation im Bereich der Selbsthilfe und erschließt
zu gleicher Zeit neue Horizonte für Industrie und Landeskultur.
DER PREUSSISCHE MINISTER DES INNERN GEGEN
DIE MIETSKASERNEN.
E ine sehr beachtenswerte Entscheidung hat der preußische Minister
der öffentlichen Arbeiten, des Innern und für Handel und Gewerbe
über Errichtung von Mietskasernen getroffen. Der Zentralverband
deutscher Industrieller richtete nämlich an ihn den Antrag um Zu
lassung hoher Gebäude in Eisenkonstruktion, mit der dürftigen
Motivierung, hiedurch billige und gesunde Wohnungen für die Arbeiter
schaft zu schaffen. Das fadenscheinige Mäntelchen sozialer Nächstenliebe
läßt durchblicken, daß es sich eigentlich nur um die Erschließung einer
neuen Absatzquelle für die Eisenindustrie handelt. Darum erscheinen
dem Verband deutscher Industrieller die amerikanischen Wolken
kratzer nachahmenswert, unbekümmert um die Tatsache, daß in
Amerika die Wolkenkratzer in den meisten Fällen nicht mehr zum
Vermieten, sondern als Magazine verwendet werden und vielfach die
Absicht besteht, sie gänzlich abzutragen, weil sie wegen der eminenten
Feuersgefahr und wohl auch aus ästhetischen Gründen sich als un^
zulänglich erwiesen haben. Die prompte Ablehnung des Ministers zeugt
von einer sehr aufgeklärten Einsicht in die modernen Forderungen
der arbeitenden Menschheit. Es heißt in dem ministeriellen Schreiben
wörtlich: „ , . , .
„Die Bewohner solcher Gebäude sind bei einem Brande viel gefährdeter
als in einem niedrigen Gebäude, da der Luftzug in den Treppenhäusern
sich mit der Höhe steigert und dementsprechend auch die Glut der
Flammen zunimmt. (Auffallenderweise geht das Schreiben auf die
Vermehrung der Feuersgefahr für die oberen Stockwerke durch die
Fahrstühle gar nicht ein. Red.) Die Feuerwehr kann an die obersten
Stockwerke solcher hohen Häuser vielfach weder im Innern noch von
außen herankommen, Leitern und Springtücher können nicht verwendet
werden; auch wird der Druck der Wasserleitungen wohl nirgends zur
Versorgung der obersten Stockwerke mit 'Wasser und zur Bedienung
der Feuerspritzen ausreichen. Mehrere Brände solcher Riesenhäuser in
Amerika haben gezeigt, daß die in den obersten Stockwerken sich auf
haltenden Personen trotz der feuersicheren Bauart unrettbar verloren
sind. Eine Vermehrung der Treppen und Ausgänge wird sich niemals
in solchem Umfange erreichen lassen, daß die Bewohner unter allen
Umständen sicher ins Freie gelangen können; auch läßt sich schwerlich
ganz vermeiden, daß ein im Gebäude ausbrechendes Feuer sich gleich
zeitig sämtlichen vorhandenen Treppen mitteilt." .
In einer weiteren Hinsicht beweist die amtliche Entscheidung, daß sie
die moderne Tendenz der Bevölkerung, die auf das hygienische Wohnen
in Einfamilienhäusern und auf Entlastung der übervölkerten Städte
hinzielt, zu würdigen weiß. Demzufolge lautet ein anderer Passus:
„Abgesehen hievon scheint es aber auch nicht angezeigt, durch Zu
lassung von Hochbauten der in Rede stehenden Art den Luftraum de#
großen Städte noch mehr einzuschränken, als dies jetzt schon geschieht.
Eine erhebliche Verschlechterung gegen den jetzigen Zustand würde in
dieser Beziehung schon dann eintreten, wenn derartige Bauten auf die an
große Plätze angrenzenden Grundstücke beschränkt würden; namentlich
würde eine hinreichende Luftzuführung für die unteren Geschosse der
Hintergebäude sich kaum gewährleisten lassen."
Diese ministerielle Entscheidung verdient vollen Beifall.
LEITSÄTZE FÜR DEN MODERNEN STÄDTEBAU.
R eformen des Straßenbauwesens empfahl der Landesbaurat Professor
Göcke in seinem auf dem Brandenburgischen Städtetag in Kottbus
gehaltenen Vortrag über allgemeine Grundzüge bei der Anlage städtischer
Straßen und Plätze.
In seinen Leitsätzen stellt er unter anderem folgende Forderungen auf,
die allgemein Beachtung finden sollten: Zwischen Straßenflucht und
Bauflucht ist grundsätzlich zu unterscheiden. Die Straßenfluchtlinien
werden in der Regel parallel zu verlaufen haben; für die Bauflucht
linien ist dagegen eine größere Bewegungsfreiheit erwünscht, um von
der starren Parallelität der Straßenwanderungen loszukommen, einer
der Hauptursachen für die trostlose Langeweile moderner Straßen, nicht
etwa, um sich nun in willkürlichen Linienführungen zu ergehen, sondern
um, den örtlichen Verhältnissen folgend, ohne Verletzung der Verkehrs-
rücksichten auch auseinandergehende und gekrümmte Linien zu er
möglichen. Krümmungen sind namentlich zum Schutz gegen durch
fegende Winde oder langandauernden Sonnenbrand zu empfehlen. Da,
wo Vorgärten vorgesehen werden, ist die Unterscheidung ohne weiteres
gegeben, aber auch im übrigen erscheint ein wenigstens i Meter breiter
Streifen zwischen beiden Fluchtlinien zweckmäßig: in Wohnstraßen zu
Vorbauten, Terrassen, Freitreppen, Vor- und Erkerfenstern usw., ein-
gefriedet zum Schutze gegen das Hineinsehen in die Erdgeschoßfenster;
in Verkehrsstraßen zu Sommerplätzen der Kaffeehäuser, fliegenden
Verkaufsständen, Vorplätzen der Kaufläden, erkerartigen Schau
fenstern usw., besonders bei konkaver Bauflucht und bei gerader
Straßenflucht zum Stehenbleiben der Fußgänger auf der breitem
Fläche. Alte unregelmäßige Fluchtlinien sind zur Erhaltung des Straßen
bildes möglichst unverändert festzuhalten und nicht gerade zu legen.
Fluchtlinien für Straßendurchbrüche oder überhaupt neue Straßen mit
Schonung etwa im Wege stehender Bauwerke von künstlerischem oder
geschichtlichem Wert zu krümmen, zu knicken, zu versetzen.
Die Straßenfluchtlinien werden den Baufluchtlinien zu folgen haben
bei Straßenmündungen, Kreuzungen, Gabelungen und Erweiterungen
(Ausbuchtungen für Droschkenhalteplätze, Vorfahrten, Ausweiche-
steilen usw.). Überkreuzungen der Verkehrsstraßen erfordern eine platz
artige Erweiterung, am besten mit Versetzung der Straßenzüge, zur
Überführung der einen Verkehrsrichtung in die andere. Einfache recht
winklige Überkreuzungen sind nur für Wohnstraßen zulässig. Über
schneidungen mehrerer Verkehrsstraßen an einer Stelle sind verwerflich;
durch die Erweiterung derartiger Knotenpunkte zu einem sogenannten
Sternplatz wird nichts für den Verkehr gebessert. Straßenecken, Aus
buchtungen, Versetzungen bieten vorzügliche Bauplätze für öffentliche
Gebäude. Endlos lange Straßenzüge sind als langweilig zu vermeiden,
die Straßenlänge muß begrenzt sein durch Krümmung oder Versetzung.
PREISAUSSCHREIBEN FÜR AMATEUR-'
PHOTOGRAPHEN.
D er Verlag „Hohe Warte“ veranstaltet ein Preisausschreiben für photo
graphische Aufnahmen, an dem sich jeder Amateur beteiligen kann.
Für die Aufnahmen sind die im Thema „Amateurphotographie
und Heimatkunst" aufgestellten Gesichtspunkte maßgebend; in erster
Linie ist der INHALT, „die Schilderung der Heimat“ betreffend, für die
Preisrichter maßgebend; erst in zweiter Linie kommt die technische
Ausführung in Betracht. Zulässig sind alle Formate.
Es werden fünf gleiche Preise â K 20.— ausgesetzt. Die zum Wett
bewerb und hors de concours einlaufenden Bilder werden nicht retour
niert. Der Verlag behält sich das Recht vor, die prämiierten Bilder
und jene, die mit einer lobenden Erwähnung ausgezeichnet sind, ohne
jedwede Verpflichtung zu publizieren. Die Einsendungen sind mit der
Aufschrift „Zum Preisausschreiben“ zu kennzeichnen und an den Ver
lag „Hohe Warte“, Wien, I. Wallfischgasse 4. zu richten. Die Bilder haben
ein Motto zu tragen und ein Separatkuvert mit demselben Motto als
Aufschrift Name und Adresse des Einsenders sowie die nähere Be
zeichnung der Gegenstände mit Ortsangabe zu enthalten..
Letzter Einsendungstermin: 31. Dezember 1904. Preisankündigung in
einem Jännerheft der „Hohen Warte“.
Preisrichter sind:
SCHRIFTSTELLER JOSEPH AUG. LUX
OSWALD LÄSSIG
KODAK LIMITED, WIEN
'U DEN BILDERN UNSERES HEFTES. Die begonnenen Beispielsamm-
ungen in bezug auf Wohnungen, gutes und schlechtes Bauen und Restau-
•ieren Handarbeiten etc. etc., werden in den folgenden Heften fortgesetzt
md auf andere Teile der formalen Erscheinungswelt ausgedehnt.
Alle Zuschriften und Sendungen Wien I. Wallfischgasse No. 4-
Verlag „Hohe Warte“ (Lux & Lässig). Für die Redaktion Joseph Aug. Lux.
Druck von Christoph Reisser’s Söhne, Wien V.