BÜCHER, DIE MAN LESEN SOLL.
OLKSTÜMLICHE KUNST. Ansichten von alten heimatlichen Bau-
formen, Land- und Bauernhäusern, Höfen, Gärten, Wohnräumen,
Hausrat etc. Photographisch aufgenommen von MARTIN GERLACH,
Vorv/ort von JOSEPH AUG. LUX, Verlag Martin Gerlach & Co., Wien,'
Leipzig, Preis K 48.—.
Die helle Freude, die man über die zahlreichen, wenig gewürdigten
Schönheiten unserer alten Häuser, Provinzstädte und alten Stadtteile
empfindet, so man sie in dem vorliegenden Werke findet, wird er
heblich enttäuscht durch die ziemlich leichtfertige Art, in der mit
einem so kostbaren Material umgegangen worden ist. Ein ungeordnetes
buntes Durcheinander von allerdings köstlichen Ansichten, mit un
verläßlichen und obendrein ganz unsachlichen Notizen, die über den
Sachnamen und die notdürftige Ortsangabe nicht hinausgehen — ein
Photograph, der über Land geht und aus der Beute seiner Camera
ein Buch macht, hätte es nicht schlechter getroffen. Die wenigen Worte
der Vorrede geben dem Werke nicht, was es braucht, wenn es wirk
lichen Nutzen zur Verallgemeinerung der architektonischen oder
künstlerischen Bildung stiften und nicht als ein Spranz- oder Vor
lagenwerk mehr nur Unheil anrichten soll. Es hat fast schon den
Anschein, als ob auf die Periode der klassischen, gotischen und Re
naissance-Stilmacherei nun die volkstümliche oder Biedermeier-
Stilmacherei folgen werde. Es muß ausdrücklich DAVOR GE
WARNT WERDEN, DASS WIR UNS IN EINE NEUE STILKOPIE
VERRENNEN. Schon höre ich Architekten sich berühmen, daß sie
diesen oder jenen lustigen Schornstein eines alten Bauernhauses an
ihrem neuen Landhaus wiederholen und da und dort ein „volkstüm
liches“ Motiv anwenden! Eine solche Nachäffung führt natürlich
wieder in dieselbe Sackgasse der Stilarchitektur, aus der sich unsere
Baukünstler herausretten wollen. Das Vorwort hat auf diese Gefahr
nicht aufmerksam gemacht, ein sehr bedauerliches Versehen, das dem
Verfasser zur Last fällt. Gerade dort, wo der Text anfängt, unentbehr
lich zu werden, hört er auf. Es nützt nichts, wenn man, wie es in
jenem Vorwort geschehen, allen Faktoren, die an der Verunstaltung
und Zerstörung überlieferter Kultur- und Kunstwerte mitgeholfen
haben, einen Klaps versetzt, und es dabei bewendet läßt. Es nützt
nichts, wenn man nicht an Hand der guten heimatlichen Beispiele, an
denen das Buch so überreich ist, eine gemeinverständliche und den
noch sachlich erschöpfende Erklärung des Baugedankens — nicht der
Bauform! — gibt, und solcherart zu einer Erkenntnis erzieht, die
ebensoweit von der unselbständigen Nachahmung wegführt, als sie
eine zeitgemäße und der Heimat verwandten Formensprache bilden
hilft. Was in jenem Werk bedauerlicherweise nicht geschehen ist, wird
nun in der Hohen Warte geschehen müssen. Das Buch ist eine schöne
und wertvolle Gabe, die jeder sein eigen nennen soll, aber sie ist nur
eine halbe Gabe, und muß vor mißbräuchlicher Anwendung geschützt
werden. Die ganze Arbeit ist nochmals zu tun und sie wird geschehen.
—x.
DEUTSCHE BAUERNKUNST. Von O. SCHWINDRAZHEIM. Verlag
von Martin Gerlach & Co., Wien.
Eine sehr gründliche und fleißige Arbeit hat Schwindrazheim da ge
leistet. Eine eingehende und liebevolle Darstellung der Bauernkunst
nur des kleinen Umkreises der eigenen Hamburger Heimat, und den
noch bedeutsam und führend für das Verständnis der Bauernkunst,
wo immer man sie vorfindet. Heute, da die Heimatschutzbewegung
viele Kreise mobil gemacht hat, wird das Buch wichtige Dienste tun.
Was zu schützen ist, kann man daraus deutlich ersehen. Gerade den
Gebildeten, die auf dem Lande leben, ist es dringend zu empfehlen.
Die leben ja meistens in dem Irrtum, auf dem Lande gäbe es keine
Kunst. Es wird freilich bald keine mehr geben, wenn Geringschätzung
und Unverstand wie bisher fortfahren auszurotten, was noch übrig
ist. Mit den Illustrationen bin ich nicht ganz einverstanden. Wären
Photographien nicht besser gewesen als Zeichnungen ? Allerdings sind
die letzteren sehr geeignet, zu instruktiven Zwecken das Bedeutsame
hervorzuheben, aber die Photographie ist lebensvoller.
BÜCHER VON UND ÜBER OSKAR WILDE.
Um die Einführung der Werke von Oskar Wilde in das deutsche
Lesepublikum hat der Verlag J. C. C. Bruns in Minden Wf. ein besonderes
Verdienst. Eine stattliche Anzahl von Wilde-Büchern ist dort bereits
zu billigen Preisen erschienen, die es einem weiten Kreis ermöglichen,
die ganz wundervollen Werke dieses Künstlermenschen kennen zu
lernen. Als Übersetzer, Erklärer und — Verteidiger des Dichters hat
sich Felix Paul Greve auf sehr achtenswerte Art verdient gemacht. Es
ist einigermaßen beschämend, daß es für das Andenken des unglücklichen
Dichters noch etwas zu verteidigen gibt, der die Welt mit neuen unver
gänglichen Schönheiten beschenkt hat, die stichhältiger sind als jene
gemeinen Häßlichkeiten, die leider noch immer seinem Leben nach
geworfen werden. Das ist in liebenswürdigen Worten in der „APOLOGIA
PRO OSKAR WILDE“, deutsch von Felix Paul Greve, auseinandergesetzt,
von demselben Interpreten, der in den Bandarabesken zu Oskar Wildes
Novellenbande „DAS BILDNIS DES MR. W. H.“ — „LORD ARTHUR
SAVILES VERBRECHEN“ sich mit viel Geschick um die impressioni
stische Wiedergabe von Wildes blendender Persönlichkeit bemüht.
KARL HAGEMANN hat in demselben Verlag eine Wilde-Biographie
veröffentlicht, die mir weniger Freude bereitet. Es ist ein einigermaßen
mißliches Unternehmen, Oskar Wilde dem Verständnis des deutschen
Philisters nahezubringen. Der Dichter und der Leser haben nichts
dabei gewonnen, wenn das Schaffen des Künstlers zerpflückt und wohl
etikettiert in die Schubfächer der Literaturgeschichte eingeteilt wird
mit den sauberen Aufschriften: „seine Komödien“, „seine Essays“,
„seine Prosa“ etc. Wenn man Sätze liest: „und da versagte er als Mensch
und als Künstler“ oder „es ist nur zu bedauern, daß sein Bilderschatz
nicht vielfältiger ist“ oder „etwas mehr Fleiß und Gründlichkeit hätte
hier manches bessern können“ oder „er kann nicht bei der Stange
bleiben. Er hat das geschlossen erschaute Werk einer begnadeten In
tuition fast immer allzu sehr breitgeschlagen, ausgemünzt und ohne
die angemessene ästhetische Ökonomie zur Rundung gebracht. Das
Kunstwerk wird aber damit nur ein Stück Literatur, der Künstler
ein Literat, allerhöchstens ein Artist“, da gibt es nur ein Oho!, Kopf
schütteln und Ablehnung. Ich erwähne dieses Buch nur im Vorüber
gehen, um auf ein anderes von HAGEMANN zur Sprache zu kommen,
auf sein Oskar-Wilde-Brevier, das eine Sammlung von Aphorismen
des Dichters ist. Einer prächtigen Juwelenschnur vergleichbar, reihen
sich scharf geschliffen wie Demanten und edles Feuer ausstrahlend,
glänzende Gedanken, Paradoxa und geistvolle Apercus, aus seinen ver
schiedenen Werken zusammengetragen.
In einem anderen Verlag, in AXEL JUNCKERS BUCHHANDLUNG,
BERLIN, ist einer der glänzendsten ESSAYS OSKAR WILDES, „DER
SOZIALISMUS UND DIE SEELE DES MENSCHEN“, übersetzt von
Hedwig Lachmann und Gustav Landauer, erschienen, ein Buch, das
jedermann lesen müßte! Der Abscheu vor Schmutz und Elend, der bei
dem Dichter fast ins Krankhafte gesteigert war, entsprang keineswegs
der angeblichen gefühllosen Frivolität, sondern gerade im Gegenteil einer
starken Menschenliebe, die ihm vor den menschenunwürdigen Er
scheinungen Entsetzen und Erbitterung einflößte. Ein anderer glänzender
Beweis dieser starken Menschlichkeit ist sein Brief „AUS DEM ZUCHT
HAUS ZU READING“, der dem Band nebst einem „ÄSTHETISCHEN
MANIFEST“ beigedruckt ist.
„GRASHALME“ von WALT WHITMAN. Deutsch von Karl Federn.
Bruns Verlag, Minden i. W. Der amerikanische Dichter ist bei uns [fast
gar nicht gekannt Die Auswahl und Übersetzung von Karl Federn wird
das Ihrige tun. Eine Sprache, die einfach und mächtig ist und Gedanken,
die groß und rein sind wie die Worte der Bibel. Gedichte der Neuzeit,
aber sie haben nichts Zeitliches; das Ewige steht leuchtend über ihnen,
wie über den Homerischen Gesängen. u.
BÜCHEREINLAUF.
GUSTAVE FLAUBERT. Die Schule der Empfindsamkeit. Geschichte
eines jungen Mannes. Deutsch von LOUISE WOLF. J. C. C. BRUNS
VERLAG, Minden i. W.
AD. VOGELER. Die Sturmglocke. Trauerspiel in 5 Akten. II. Auflage.
J. C. C. BRUNS VERLAG, Minden i. W.
J. BARBEY D’AUREVILLY. Eine alte Geliebte. Deutsch von HEDDA
MOELLER-BRUCK. J. C. C. BRUNS VERLAG, Minden i. W.
H. G. WELLS. Die Riesen kommen. Deutsch von FELIX PAUL GREVE.
J. C. C. BRUNS VERLAG, Minden i. W.
H. G. WELLS. Dr. Moreaus Insel. Deutsch von FELIX PAUL GREVE.
J. C. C. BRUNS VERLAG. Minden i. W.
H. G. WELLS. Die Zeitmaschine. Deutsch von FELIX PAUL GREVE.
J. C. C. BRUNS VERLAG, Minden i. W.
MAX BURCKHARD. Wahre Geschichten. WIENER VERLAG. Wien
und Leipzig.
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