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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 2. Jahrgang 1905/06

lokaler und künstlerischer Arbeiten, namentlich in der Holz' 
bearbeitungsindustrie. Vielleicht will dieser Teil, den eine 
Fachschule ausstellt, zeigen wollen, daß man nun auf dem 
Wege sei, das Heimatliche zu pflegen. Beim Vergleich 
zeigt sich, daß die neuen, anscheinend verbesserten Sachen in der 
Tat weitaus schlechter sind als die primitiven alten Vorbilder. 
Es ist klar, daß man auch hierin den falschen Weg be^ 
treten hat. Es wird nichts fruchten, daß man nach Jahr^ 
zehnten der Entfremdung von einer eingewurzelten hefr 
mischen Arbeit nun plötzlich zu den verlassenen Gebieten 
zurückkehrt und mit der Nachahmung der abgestorbenen 
Formen beginnt, denn wie gesagt, der größte Teil dieser 
Formen ist eine verschollene Überlieferung und längst unzeit* 
gemäß geworden. Es ist ganz natürlich, daß die Arbeitskraft 
im Volke neuer künstlerischer Belebung bedarf. Dies kann 
nicht durch die Nachahmung weithergeholter, fremder oder 
vergessener eigener Muster geschehen, sondern einzig und 
allein durch sorgfältige Wiederaufnahme lebensfähiger Tech' 
niken und verborgener Fähigkeiten und darauf gegründete 
neue Formensprache. Das letztere aber ist nicht Sache des 
Amtes oder ämtlich angestellter Organe, sondern Sache junger 
Künstler und Künstlerinnen, die, zum Verständnis für derlei 
Dinge erzogen, berufen wären, diese Aufgabe zu leisten. An 
der Kunstgewerbeschule und einigen modernen Schulen werden 
eine Menge solcher Talente, die für solche Aufgaben befähigt 
sind, ausgebildet. Die Spielsachen, von Fräulein Uchatius 
entworfen und in der Chrudimer Holzbearbeitungsschule 
hergestellt, sind ganz entzückend. Man mache es sich 
zum System, diese jungen Talente in Verbindung mit dem 
kolossalen Apparat von Fachschulen der arbeitenden Be-- 
völkerung im Umkreise der Fachschulen wirken zu lassen und 
manche werden nach einer Reihe von Jahren den alten Stamm 
wieder neue Früchte tragen sehen, nicht minder köstlich viel' 
leicht als die vergangenen, davon die Ausstellung ein Bild liefert, 
und man wird sicher die Erfahrung machen, daß, wie schon an 
anderer Stelle gesagt, nichts so gangbar ist als das Gute. 
HAUS UND GARTEN, 
VON GERTRUD JE KYLL, LONDON. 
I. 
WIE DAS HAUS GEBAUT WURDE. 
(Fortsetzung.) 
Ich wohnte in einem kleinen Cottage in demselben Ort, 
nur achzig Ellen von dem Bau entfernt. Wie gut lernte ich 
da, alle Laute unterscheiden! Das Aufschlagen und Klatschen 
der Kelle, mit der die sie füllende Mörtelladung vom Brett 
genommen wird, den dumpfen Ton, der das Auflegen der 
feuchten Masse begleitet, welche das Bett des nächsten Ziegels, 
der jetzt an die Reihe kommt, bilden soll; das wohlklingende 
Hämmern des vorsichtig gehandhabten Axtblattes, das einen 
gut gebrannten Ziegel entzweiteilt, und das dumpfere Schlagen 
auf dessen Kante, um ihn auf seinen Platz zu setzen, wobei 
die Fingerspitzen der linken Hand durch festes Herabdrücken 
mithelfen; das Gleiten und Kratzen der Kelle, beim Weg' 
nehmen des überflüssigen, aus den Fugen hervorquellenden 
Mörtels und das genaue Aufträgen desselben in die sich 
kreuzenden Spalten; das zweimal wiederholte Aufschlagen 
auf das Mörtelbrett, als Signal, daß kein Material mehr vor' 
handen sei. Von der Stelle, an welcher der Mörtel gemischt 
wurde, tönte das dumpfe Klatschen des gelöschten Kalks 
herüber, der ganze Dampfwolken aufsteigen ließ; das Arbeiten 
der Kelle in dem von Sandhügeln umgebenen weißen See 
ergibt einen angenehmen Laut, der in seltsamer Weise an 
das Geräusch eines sich auf den kurzen Wellen des Hafens 
schaukelnden kleinen Bootes erinnert; auch das Klatschen der in 
dem nassen Mörtel wühlenden Schaufel, die denTCalk und den 
Sand miteinander verbindet, hat einen gewissen Rhythmus. 
Die Töne der Tischlerarbeit sind mir ebenso geläufig, wenn 
sie auch weniger wohllautend sind. Das Geräusch der Säge 
und des Hammers ist an und für sich nicht angenehm, wenn 
das Bewußtsein, daß das Werk fortschreitet, auch Befriedigung 
gewährt und das Schärfen einer Säge in der Nähe ist für 
ein zartes Ohr eine Qual. Anderseits liebe ich das leise 
Geräusch des gut geschliffenen Hobels, wenn er an der Kante 
eines Brettes hingleitet und lange, angenehm riechende Hobel' 
späne hinterläßt; ich liebe auch das Niedersausen der Axt 
und das Klopfen des Schlägers auf das Stemmeisen zur Er' 
zeugung von Fugen, denn diese Geräusche enthalten trotz 
des Gewirres der Töne doch eine geheime Musik, die am 
genehm zu hören ist. Ein anderer nicht unangenehmer Laut 
wird durch das Bearbeiten der mit dem Bewurf der Mauern 
vermengten Kuhhaare, um sie besser damit zu vereinigen, 
erzeugt, wobei derselbe Zweck wie bei den alten Ägyptern, 
verfolgt wurde, die Ziegel mit Stroh mischten. Das aus den 
Säcken geschüttete Haar kommt in dicken Klumpen heraus. 
Ein Mann sitzt an einem Brett und schlägt mit biegsamen 
Stöcken so lange auf das Haar, bis die Klumpen sich teilen. 
Die Luft ist von Staub und kurzen Härchen erfüllt, und 
diese Arbeit gehört trotz ihrer Einfachheit wohl kaum zu 
den angenehmsten; es sieht, besonders wenn zwei Männer 
nahe voneinander arbeiten, aber doch so aus, als ob sie mit 
irgend einem amüsanten Spiel beschäftigt wären. 
Man sammelt bei einem Bau viele Brocken nützlicher Kennt' 
nisse und das Entstehen eines Hauses ist für jeden vernünftig 
beobachtenden Menschen'außerordentlich belehrend. Um ein 
Beispiel aus der Menge des Gelernten anzuführen, will ich 
erwähnen, daß man dabei erfährt, warum die Ziegel naß 
verwendet werden müssen. Ein nur feuchter Ziegelstein hat 
eine trockene, sandige Oberfläche; der aufgelegte Mörtel kann 
darauf schlecht haften und fällt leicht herab, wobei er den 
roten, lose sitzenden Sand mitreißt, der ihn am Haftenbleiben 
hindert, ebenso wie der Sand, mit dem der Arbeiter den 
Mörtel in dem Trog bestreut, das Kleben des nassen Materials 
an der hölzernen Maurerkelle unmöglich macht. Wenn der 
Ziegel jedoch naß ist, verbindet sich die Feuchtigkeit des 
Mörtels sofort mit derjenigen des Ziegels, der den Mörtel 
tatsächlich in seine Poren einsaugt. Man könnte Dutzende 
von solchen Beispielen anführen, um die Eigenheiten des 
Baumaterials vorzuführen. Und dann lernt man seltsame 
lokale Bezeichnungen dabei und hört von den älteren Ar' 
heitern viele eigentümliche Aussprüche und weise Worte, wobei 
bekannte Ausdrücke im Munde der Handwerker in ganz 
neuen Formen wieder erstehen. Ich mußte auch konstatieren, 
daß demHersteller einesnützlichenBaumaterials der Geruchsinn 
abging, denn als ich an einen eben erst abgeladenen Haufen 
von weißen Rollen herantrat, die einen durchdringenden Kreo' 
sotgeruch verbreiteten, und fragte: was dieses übelriechende 
Zeug sei, erfuhr ich, daß es patentierter geruchloser Filz sei! 
So schlenderte ich, ohne eigentlich müßig zu sein, da ich 
durch die Beobachtung von Ursache und Wirkung immer 
etwas Neues dazu lernte, um den Bau herum, bis die 
Kirchenuhr der fernen Stadt zwölf schlug und der Werk' 
führer auf seine Uhr schaute. Darauf ertönte sein lustiger' Ruf, 
das Arbeitsgeräusch verstummte und die Handwerker brachen 
zum Essen und zur Mittagsrast auf. (Fortsetzung folgt.) 
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