lokaler und künstlerischer Arbeiten, namentlich in der Holz'
bearbeitungsindustrie. Vielleicht will dieser Teil, den eine
Fachschule ausstellt, zeigen wollen, daß man nun auf dem
Wege sei, das Heimatliche zu pflegen. Beim Vergleich
zeigt sich, daß die neuen, anscheinend verbesserten Sachen in der
Tat weitaus schlechter sind als die primitiven alten Vorbilder.
Es ist klar, daß man auch hierin den falschen Weg be^
treten hat. Es wird nichts fruchten, daß man nach Jahr^
zehnten der Entfremdung von einer eingewurzelten hefr
mischen Arbeit nun plötzlich zu den verlassenen Gebieten
zurückkehrt und mit der Nachahmung der abgestorbenen
Formen beginnt, denn wie gesagt, der größte Teil dieser
Formen ist eine verschollene Überlieferung und längst unzeit*
gemäß geworden. Es ist ganz natürlich, daß die Arbeitskraft
im Volke neuer künstlerischer Belebung bedarf. Dies kann
nicht durch die Nachahmung weithergeholter, fremder oder
vergessener eigener Muster geschehen, sondern einzig und
allein durch sorgfältige Wiederaufnahme lebensfähiger Tech'
niken und verborgener Fähigkeiten und darauf gegründete
neue Formensprache. Das letztere aber ist nicht Sache des
Amtes oder ämtlich angestellter Organe, sondern Sache junger
Künstler und Künstlerinnen, die, zum Verständnis für derlei
Dinge erzogen, berufen wären, diese Aufgabe zu leisten. An
der Kunstgewerbeschule und einigen modernen Schulen werden
eine Menge solcher Talente, die für solche Aufgaben befähigt
sind, ausgebildet. Die Spielsachen, von Fräulein Uchatius
entworfen und in der Chrudimer Holzbearbeitungsschule
hergestellt, sind ganz entzückend. Man mache es sich
zum System, diese jungen Talente in Verbindung mit dem
kolossalen Apparat von Fachschulen der arbeitenden Be--
völkerung im Umkreise der Fachschulen wirken zu lassen und
manche werden nach einer Reihe von Jahren den alten Stamm
wieder neue Früchte tragen sehen, nicht minder köstlich viel'
leicht als die vergangenen, davon die Ausstellung ein Bild liefert,
und man wird sicher die Erfahrung machen, daß, wie schon an
anderer Stelle gesagt, nichts so gangbar ist als das Gute.
HAUS UND GARTEN,
VON GERTRUD JE KYLL, LONDON.
I.
WIE DAS HAUS GEBAUT WURDE.
(Fortsetzung.)
Ich wohnte in einem kleinen Cottage in demselben Ort,
nur achzig Ellen von dem Bau entfernt. Wie gut lernte ich
da, alle Laute unterscheiden! Das Aufschlagen und Klatschen
der Kelle, mit der die sie füllende Mörtelladung vom Brett
genommen wird, den dumpfen Ton, der das Auflegen der
feuchten Masse begleitet, welche das Bett des nächsten Ziegels,
der jetzt an die Reihe kommt, bilden soll; das wohlklingende
Hämmern des vorsichtig gehandhabten Axtblattes, das einen
gut gebrannten Ziegel entzweiteilt, und das dumpfere Schlagen
auf dessen Kante, um ihn auf seinen Platz zu setzen, wobei
die Fingerspitzen der linken Hand durch festes Herabdrücken
mithelfen; das Gleiten und Kratzen der Kelle, beim Weg'
nehmen des überflüssigen, aus den Fugen hervorquellenden
Mörtels und das genaue Aufträgen desselben in die sich
kreuzenden Spalten; das zweimal wiederholte Aufschlagen
auf das Mörtelbrett, als Signal, daß kein Material mehr vor'
handen sei. Von der Stelle, an welcher der Mörtel gemischt
wurde, tönte das dumpfe Klatschen des gelöschten Kalks
herüber, der ganze Dampfwolken aufsteigen ließ; das Arbeiten
der Kelle in dem von Sandhügeln umgebenen weißen See
ergibt einen angenehmen Laut, der in seltsamer Weise an
das Geräusch eines sich auf den kurzen Wellen des Hafens
schaukelnden kleinen Bootes erinnert; auch das Klatschen der in
dem nassen Mörtel wühlenden Schaufel, die denTCalk und den
Sand miteinander verbindet, hat einen gewissen Rhythmus.
Die Töne der Tischlerarbeit sind mir ebenso geläufig, wenn
sie auch weniger wohllautend sind. Das Geräusch der Säge
und des Hammers ist an und für sich nicht angenehm, wenn
das Bewußtsein, daß das Werk fortschreitet, auch Befriedigung
gewährt und das Schärfen einer Säge in der Nähe ist für
ein zartes Ohr eine Qual. Anderseits liebe ich das leise
Geräusch des gut geschliffenen Hobels, wenn er an der Kante
eines Brettes hingleitet und lange, angenehm riechende Hobel'
späne hinterläßt; ich liebe auch das Niedersausen der Axt
und das Klopfen des Schlägers auf das Stemmeisen zur Er'
zeugung von Fugen, denn diese Geräusche enthalten trotz
des Gewirres der Töne doch eine geheime Musik, die am
genehm zu hören ist. Ein anderer nicht unangenehmer Laut
wird durch das Bearbeiten der mit dem Bewurf der Mauern
vermengten Kuhhaare, um sie besser damit zu vereinigen,
erzeugt, wobei derselbe Zweck wie bei den alten Ägyptern,
verfolgt wurde, die Ziegel mit Stroh mischten. Das aus den
Säcken geschüttete Haar kommt in dicken Klumpen heraus.
Ein Mann sitzt an einem Brett und schlägt mit biegsamen
Stöcken so lange auf das Haar, bis die Klumpen sich teilen.
Die Luft ist von Staub und kurzen Härchen erfüllt, und
diese Arbeit gehört trotz ihrer Einfachheit wohl kaum zu
den angenehmsten; es sieht, besonders wenn zwei Männer
nahe voneinander arbeiten, aber doch so aus, als ob sie mit
irgend einem amüsanten Spiel beschäftigt wären.
Man sammelt bei einem Bau viele Brocken nützlicher Kennt'
nisse und das Entstehen eines Hauses ist für jeden vernünftig
beobachtenden Menschen'außerordentlich belehrend. Um ein
Beispiel aus der Menge des Gelernten anzuführen, will ich
erwähnen, daß man dabei erfährt, warum die Ziegel naß
verwendet werden müssen. Ein nur feuchter Ziegelstein hat
eine trockene, sandige Oberfläche; der aufgelegte Mörtel kann
darauf schlecht haften und fällt leicht herab, wobei er den
roten, lose sitzenden Sand mitreißt, der ihn am Haftenbleiben
hindert, ebenso wie der Sand, mit dem der Arbeiter den
Mörtel in dem Trog bestreut, das Kleben des nassen Materials
an der hölzernen Maurerkelle unmöglich macht. Wenn der
Ziegel jedoch naß ist, verbindet sich die Feuchtigkeit des
Mörtels sofort mit derjenigen des Ziegels, der den Mörtel
tatsächlich in seine Poren einsaugt. Man könnte Dutzende
von solchen Beispielen anführen, um die Eigenheiten des
Baumaterials vorzuführen. Und dann lernt man seltsame
lokale Bezeichnungen dabei und hört von den älteren Ar'
heitern viele eigentümliche Aussprüche und weise Worte, wobei
bekannte Ausdrücke im Munde der Handwerker in ganz
neuen Formen wieder erstehen. Ich mußte auch konstatieren,
daß demHersteller einesnützlichenBaumaterials der Geruchsinn
abging, denn als ich an einen eben erst abgeladenen Haufen
von weißen Rollen herantrat, die einen durchdringenden Kreo'
sotgeruch verbreiteten, und fragte: was dieses übelriechende
Zeug sei, erfuhr ich, daß es patentierter geruchloser Filz sei!
So schlenderte ich, ohne eigentlich müßig zu sein, da ich
durch die Beobachtung von Ursache und Wirkung immer
etwas Neues dazu lernte, um den Bau herum, bis die
Kirchenuhr der fernen Stadt zwölf schlug und der Werk'
führer auf seine Uhr schaute. Darauf ertönte sein lustiger' Ruf,
das Arbeitsgeräusch verstummte und die Handwerker brachen
zum Essen und zur Mittagsrast auf. (Fortsetzung folgt.)
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