SCHLAFZIMMER. ENTWURF UND
AUSFÜHRUNG F. ZEYMER, WIEN.
I m letzten Heft war die Rede von den Wiener
Tischlern, die in den Wiener Gartenbausälen eine
Möbelausstellung nach künstlerischen Entwürfen
veranstaltet hatten. Ich sagte damals, Zeymers
Schlafzimmer sei das beste tischlerische Erzeugnis.
Der Sohn, ein Schüler Prof. Hoffmanns, hat es ent
worfen und die väterliche Werkstatt hat es ausgeführt.
Die oft mißverstandene und mißbrauchte „künst
lerische“ Note, für viele gleichbedeutend mit Putz
und Zier, überflüssigem Tand, ist hier nicht zu finden.
Hier ist nur alles Wesentliche und Notwendige ent
halten, aber dieses vollkommen, als gute, einfache
Form, gutes Material, gute solide Arbeit. Darin ist
es einem alten Biedermeierzimmer verwandt, ohne
eine Nachbildung zu sein. Nicht die Form oder das
Motiv der heimatlichen Überlieferung ist nach
gebildet, sondern der Geist der Sachlichkeit und
Anständigkeit ist als der einzige Wert der heimat
lichen Überlieferung hier zu gründe gelegt. Möchte
doch diese Gesinnung einmal die Grundlage alles
Schaffens und Bauens werden. Dann wird die künst
lerische Phantasie noch ein übriges tun dürfen, wie die
Schalmei in der schabloniertenWandmalerei oberhalb
des Kopfendes der Betten. Sie ist hier ein Ausklingen
der Harmonie und Ruhe, die im ganzen Raum und
jeden Möbel ausgesprochen ist.
Absicht einsetzen, das Vorhandene nach sachlichen Gesichts
punkten zu ordnen und allmählich auszubauen. In der
Architektur fehlt gänzlich das Vorbild heimischer Bau
gedanken, obzwar bis ungefähr 1850 der Kupferstich un
ausgesetzt beschäftigt war, Perspektiven und Grundrisse
jeglicher Bauwerke, Gartenschöpfungen und Stadtbilder zu ver
bildlichen, und es keine sonderlich schwierige Aufgabe wäre,
an solchen Blättern die praktische Architektur auf heimatlicher
Grundlage aufzurollen und dem architektonischen Neu
schaffen der Stadt einen unbezahlbaren Dienst zu erweisen.
Im Kunstgewerbe gilt das gleiche; die ausgezeichnete Möbel
tradition auf dem Wiener Boden ließe sich heute noch mit
Leichtigkeit in kleinen Musterräumen darstellen, eine Auf
gabe, die in den Bereich eines Wiener Stadtmuseums gehört
und von diesem schon deshalb gelöst werden müßte, weil das
Kunstgewerbemuseum die Erfüllung schuldig bleibt. Nament
lich im Anhang an die Reliquiarräume hervorragender Persön
lichkeiten, Grillparzers, Schuberts etc., die schon zum Bestände
des Museums gehören, sind sie als Fortsetzung des Kultur
bildes, das mit diesen Wohn- und Sterbezimmern erschlosssen
wird, gut zu denken.
Auf dem Gebiete der Theatergeschichte fehlt es vollends an
einer erschöpfenden und ständigen Ausstellung, die eine
lebendige Beziehung zum heutigen Theaterwesen unter
hielte. Wir ahnen nicht, wie veredelnd auf unsere herab
gekommenen Theaterverhältnisse das Vorbild aller An
strengungen und künstlerischen Erfolge in formaler Hinsicht
aus einer Zeit wirken müßte, die für Wien den heute
nur sehr bedingungsweise geltenden Titel einer Theaterstadt
erworben hat.
Außer diesen allgemeinen Beziehungen gibt es noch viele
wesentliche Gesichtspunkte in technischer und gewerblicher
Hinsicht, von denen aus die Funktion des Museums zu
leiten ist. Die Graphik und der Buchdruck, Holzschnitt,
Lithographie, Kupfer- und Stahlstich haben im alten Wien
eine künstlerische Höhe eingenommen, ebenso wie der
Buchschmuck, die Buchausstattung, der Buntdruck und
der Ledereinband, die an den zahlreichen Almanachen, den
verschiedenen und originellen Ankündigungen, den Privat-
und Familiendrucken ein ansehnliches, noch nutzbar zu
machendes Material überliefert haben. Die Kultur der Familie
und der Persönlichkeit wäre zu gleicher Zeit zu betonen und
in ein besonderes Licht zu stellen, indem die Forderungen des
Geschmacks, der technischen Sachlichkeit und Solidität als
Grundlagen der formalen Schönheit selbst, an den anscheinend
so geringen Dingen, wie den Spielkarten, den Wunsch-,
Gratulations- und Besuchskarten, aufzuzeigen wäre, um den
allseitigen Zusammenhang der formalen Kultur darzustellen,
der den Schmuck, die weiblichen Handarbeiten und das
Kostüm mit einbeziehen müßte.
Wir wissen nicht, wie viele Interessenkreise auf diesem
Wege noch entdeckt werden könnten, wir wissen auch gar
nicht, ob man bei der guten Vergangenheit stehen bleiben
oder ob man nicht den kleinen Schritt weitergehen würde,
gute Hervorbringungen der Gegenwart dem alten Bestände
anzugliedern, um die Entwicklungslinie weiterzuführen. Wir
wissen nur, daß das Fehlen einer solchen Bildungsstätte
schwer empfunden wird und daß sie sich nur aus dem
musealen Bestand an lokalen, künstlerischen und kulturellen
Werten einer Stadt entwickeln muß, wenn die Museen aus
dem fossilen Zustand von bloßen Kunstspeichern sich zu
organischen Gliedern im Leben und Bildungsdrang der
städtischen Kultur fortbilden würden. Sie könnten mehr
leisten als die Universitäten zu tun vermögen, sie könnten
an der künstlerischen Erziehung des Volkes im weiten
Umfang arbeiten. Diese Aufgabe bestimmt schon ihren