ein ORTS' UND LANDSCHAFTENBUCH
DER „HOHEN WARTE“.
ine große Anzahl von Leuten besten Standes geht
heute noch an älteren Bauwerken, die von einem
ehrlichen Kulturgeiste sprechen, an Schönheiten, die
zu genießen jedermann ein Recht hat, die sich auf Schritt
und Tritt finden, aber bislang nur von wenigen erkannt
worden sind, gerade im Gebiete der eigenen Heimat kühl
und ablehnend vorüber. Ist vielleicht der Umstand schuld
daran, daß sich jene Denkmale im weitesten Sinne des Wortes
nicht die offizielle Sanktion eines Fremdenführers oder eines
Ausländers, der die Einheimischen auf die Schönheiten ihres
Ortes aufmerksam macht, erworben haben? Oder daß jene
intimen Vorzüge nicht mit Kunstwerken vergleichbar sind,
die ein reiches Zeitalter durch einen genialen Künstler er^
stehen ließ? Nicht jeder Ort kann ein Florenz, ein Rom
oder ein Nürnberg sein, das wird mir jeder zugeben; aber es
wird Lächeln ernten, wenn ich finde, daß die „stillen Gäßchen“
alter Kulturstätten, schlichte Bürgerhäuser, malerische Höfe
und Gärten eine nur ihnen allein zukommende Schönheit
besitzen, die uns „kleine Freuden“ bringt — Hermann Hesse
hat sie uns einmal stimmungsvoll geschildert.
Dieser leider nur zu weit verbreiteten Unkenntnis und
Gleichgültigkeit soll ein Orts-' und Landschaftenbuch der
„HOHEN WARTE“ entgegenarbeiten; es soll nicht nur
die Bewohner einzelner Gegenden über die Schönheiten
ihrer Heimat aufklären, sondern auch kulturell wirken,
indem es zu Neuschöpfungen im Sinne des „Genius loci“
und zur Anknüpfung unterbrochener Traditionen anregt.
Wie ich mir nun ein solches Werk denke? Der Stoff wird
vor allem geographisch zu gruppieren sein; man wird — um
von Steiermark auszugehen — sämtliche gute Bau- und
Naturdenkmale des Mürz- und mittleren Murtales bis Graz
in einem Bande bringen, in einem anderen das Enns- und
obere Murtal oder die Landeshauptstadt selbst und dann
die anderen Städte, alles so angelegt, daß die Zusammen
hänge gewahrt bleiben und leicht eingesehen werden können.
Bei den einzelnen Bändchen scheint mir nicht der Text
Hauptsache, sondern die Bilder, denen photographische Auf
nahmen, eventuell auch Zeichnungen heimischer Künstler
zu gründe liegen. Die Bändchen werden zwar bei einer Ver
wirklichung meines Vorschlags wieder den gewöhnlichen
Schmerzensruf der Kritik: „Schon wieder Monographien!“
erleben, sie werden hören, daß nun schon jeder Rauchfang
als Kunstwerk gilt und alles überschätzt wird..., aber man
wird übersehen, daß sie die gute Absicht haben, vielen neue
Quellen der Befriedigung zu erschließen.
Nun Näheres über die Anlage eines Bändchens, z. B. über
Graz. Für ein kleines Vorwort gewänne ich am liebsten
unseren leider zu wenig bekannten Wilhelm Fischer, dessen
unendlich poetische Werke meistens auf dem engsten Boden
der Heimatstadt spielen. Es folge dann ein kurzer Überblick
über die Lage der Stadt, über ihre allmähliche Entstehung und
Erweiterung mit besonderer Rücksicht darauf, was sie vor
anderen Orten auszeichnet, alles in knapper Form und zu
dem Zwecke, Fremde besser zu orientieren und ihnen zu
sagen, was sie Neues zu erwarten hätten, den Einheimischen
eine Wertschätzung des eigenen Bodens beizubringen. Der
weitere Raum ist Ansichten größerer Bautengruppen, Plätzen
und Gassen gewidmet, Aufnahmen einzelner Bauten schließen
sich an — es empfiehlt sich auch, Neubauten vorbildlichen
Charakters entsprechende Berücksichtigung angedeihen zu
lassen — den Übergang zu den Gärten bilden Höfe; einzelne
Portale, Werke der Schmiedekunst, der Malerei, Plastik etc.
gehören in den Fall für Fall entsprechenden Zusammenhang.
Abbildungen von „Gegenbeispielen“ unterbrechen das Gute
vorteilhaft und steigernd. Die Gärten führen uns auf die
Naturdenkmale, wie sie in der Umgebung zahlreich Vor
kommen. Kirchen sind ebenfalls aufzunehmen, diese jedoch
und die in allen „Führern“ bis zum überdrusse wieder-
gekäuten „Sehenswürdigkeiten“ von neuen Gesichtspunkten
aus.
Was die Abfassung des Textes betrifft, so haben wir schon
früher eine gewisse Knappheit und Kürze empfohlen. Fehler,
wie sie ein „Führer“ vom anderen übernimmt, Geschmack
losigkeiten, die sich aus einem Wandel der Anschauungen
erklären, werden zu berichtigen und auszugleichen sein, Er
gebnisse der kunst- und kulturhistorischen Lokalforschung
ihre praktische Anwendung finden.
Liegt aber nicht in einer derartigen Arbeit die Gefahr einer
Überschätzung des heimischen Denkmalbesitzes? Bei dem
Zwecke, den das Buch verfolgt, Ortsansässigen neue, bisher
unerkannte Schönheiten zu erschließen, Schaffenden die Aus
wahl vorbildlicher Schöpfungen zu erleichtern und in das
Kunstleben frische, natürlich-gesunde Züge hineinzubringen,
mit der Nachahmung mißverstandener Vorlagen zu brechen
und endlich wieder eine gemütvolle Sprache zu hören, kann
ein Zuviel nicht von Nachteil sein; dies nur dann, wenn man
alles Alte schrankenlos aufnimmt und bei der Sammlung der
Bilder nicht die durch den Zweck bestimmten Grenzen an
erkennt. Eine Frage aber soll noch berührt werden: sind
bereits abgetragene Objekte, wie alte Stadttore, Festungsteile,
ferner verbaute Gartenanlagen größeren Umfanges in das
Buch aufzunehmen oder nicht? Ich glaube, daß sie sich öfters
zur Gegenüberstellung von Alt und Neu, auch zu Vor
bildern — natürlich wieder bei entsprechender Auswahl —
eignen können, und bin persönlich für die Aufnahme.
WALTER v. SEMETKOWSKY.
KULTURBILDER AUS ÖSTER
REICH.
DIE STADT STRAKONITZ
mit diesen Bauwerken baut ein solches Rathaus.
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