MAK

Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 2. Jahrgang 1905/06

GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG DES 
KUNSTUNTERRICHTS IM XVIII. JAHR' 
HUNDERT. 
FÜR PREUSSEN BEARBEITET VON Dr. HERMANN 
MUTHESIUS. 
D er umfangreiche Bericht, den Dr. H. Muthesius dem 
deutschen Staat über die kunstgewerblichen und hand' 
werklichen Unterrichtsanstalten vorlegt, enthält einen 
interessanten Rückblick auf das XVIII. Jahrhundert, den wir 
wegen der damaligen Stellung der Akademie besonders her' 
vorheben wollen. Den Ausführungen Muthesius’ zufolge um' 
faßte die Akademie als Pflegestätte das ganze Kunst' und 
Kunstgewerbeleben der damaligen Zeit, sie war Bauakademie 
und alle hohen und niederen Künste, also auch das Hand' 
werk waren ihr angegliedert. Die Staatsbauten wurden von 
der Akademie ausgeführt, die Schüler und Handwerker, die 
bei entsprechender Befähigung „akademische Künstler“ werden 
konnten, hatten Gelegenheit, sich an praktischen Arbeiten 
zu bilden. Der Staat beschäftigte seine Künstler. Die heutige 
Akademie ist dagegen ein Schattenbild, sie hat mit dem 
Leben fast keinen Kontakt mehr. Der Bureaukratismus der Bau' 
ämter hat sie vollständig ausgeschaltet. Bei uns gehen Reform' 
Vorschläge zur Wiederbelebung der Akademie dahin, sie 
wieder zu dem zu machen, was sie im Prinzip im XVIII. Jahr' 
hundert war. Bei Muthesius heißt es: Die Anfänge des ge' 
werblichen Unterrichtswesens in Preußen reichen weiter zurück 
als die Anfänge des technischen Unterrichts, denn die Für' 
derung des Handwerks wird schon im Programm der 1696 
gegründeten Akademie der Künste erwähnt. Nach den In' 
struktionen, die der Kurfürst Friedrich III., später König 
Friedrich I., für die nach Pariser und römischem Muster ge' 
gründete Akademie gab, sollte der Direktor über alle Kunst' 
arbeit in den königlichen Gebäuden und über alle Betriebe, 
welche Kunstarbeit für diese lieferten, die Direktion haben 
„und die Handwerker mit Rat und Tat, mit Zeichnungen, 
Mustern und Skizzen unterstützen“. Im Lehrprogramm der 
Akademie treten vom Anbeginn die Fächer der Architektur, 
Geometrie und Perspektive auf, wobei zu bemerken ist, daß 
die architektonischen Ordnungen damals auch als Grundlage 
jedes handwerklichen Zeichnens betrachtet wurden. Nach dem 
Zeugnis der Zeit hatte das Wirken der Akademie einen 
günstigen Einfluß auf die Handwerke und den allgemeinen 
Kunstfleiß, das blieb auch so, als Friedrich Wilhelm I. die 
Schöpfung seines Vaters vernachlässigte und die Akademie 
nach kurzer Blütezeit wesentlich zurückging. Sie wurde 
sogar während dieser Zeit des Fehlens der königlichen Gnade 
vorzugsweise eine Ausbildungsstätte für Handwerker, ihre 
Zeichenklassen wurden vorwiegend von Gewerbetreibenden 
besucht. Unter Friedrich dem Großen schwebten vielfach 
Verhandlungen, die Akademie, um sie für das praktische 
Leben noch nutzbarer zu machen, mit der Oberbaubehörde 
zu verschmelzen, ohne daß indes an ihrem Bestände etwas 
Wesentliches geändert wurde. 
Erst 1786 wurde insofern eine organisierende Hand an die 
Akademie gelegt, als Friedrich der Große dem Minister von 
Heinitz die Aufsicht mit der Absicht übertrug, die Akademie 
vor allem zu einer Pflegestätte der gewerblichen Künste 
zu machen. Die Akademie sollte durch Hebung des Ge' 
schmackes in den Gewerben eine verbesserte Produktion 
und dadurch mittelbar eine Erhöhung des Nationalwohlstandes 
herbeiführen. Das Beispiel Englands und Frankreichs wirkte 
hier anregend. Heinitz machte ausführliche Vorschläge, wie 
diese Förderung der „Nationalindustrie“ zu bewerkstelligen 
wäre, ließ 1787 eine „Kunstzeichenschule“, die direkt für 
den Unterricht an Handwerker bestimmt war, angliedern, 
führte Sonntagszeichenklassen ein und verlieh Handwerkern, 
die sich eine gewisse zeichnerische Ausbildung angeeignet 
hatten, den Titel „akademischer Künstler“, der sie zugleich 
von dem Gewerbszwang entband. 
Die endgültige Regelung aller die Akademie betreffenden 
Angelegenheiten erfolgte 1790 durch ein neues Reglement, das 
sich auf sorgfältige Vorarbeiten stützte und namentlich auch 
die Erfahrungen der ausländischen und süddeutschen Aka' 
demien zu Rate zog. In diesem Reglement wird das Ziel 
der Akademie dahin angegeben, daß sie einesteils zur Blüte 
der Künste beitragen, andernteils und im besonderen den 
vaterländischen Kunstfleiß erwecken und befördern solle, 
indem sie die Arbeiten der einheimischen Gewerbekünstler 
nach der geschmacklichen Richtung beeinflusse. Eine Reihe 
von Paragraphen beschäftigte sich mit der „Kunstschule“ für 
Handwerker und gab im Anschluß daran Anweisungen, auch 
an andern Orten Preußens solche „Kunstschulen“ einzu' 
richten. Die daraufhin eingerichteten „Provinzialkunstschulen“ 
sind als die ersten organisierten kunstgewerblichen Lehr' 
anstalten Preußens zu betrachten. Sie entstanden von 179° 
an auf Grund des erwähnten Reglements in verschiedenen 
Städten Preußens, wobei übrigens vielfach eine Anknüpfung 
an schon vorhandene private Zeichenschulen stattfinden 
konnte. 1790 wurde die königliche Kunst' und Handwerker' 
schule in Königsberg in Preußen, 1791 eine königliche 
Kunstschule in Halle an der Saale und in Breslau gegründet. 
Im Jahre 1793 folgten Magdeburg, im Jahre 1804 Danzig 
und Erfurt, später auch Stettin mit Provinzialkunstschulen 
nach. Der Zweck dieser Schulen war, „die Lehrlinge und 
Gesellen solcher Handwerker und Fabrikanten, die zu ge' 
schmackvollen Formen und Verzierungen ihrer Arbeiten des 
Unterrichts im Zeichnen oder in der Geometrie und Architektur 
bedürfen, unentgeltlich zu unterrichten“. Für solche Gewerbe, 
welche des Modellierens bedürften, sollte auch Modellier' 
unterricht eingeführt werden. Als in Betracht kommende Ge' 
werbe werden im Reglement genannt; Damastweber, Seiden' 
weber, Florweber, Tapetenwirker, Bortenwirker, Sticker, 
Spitzenfabrikanten, Kartenmacher, Formschneider bei Kattun' 
fabriken, Papiertapetenmacher, Bildgießer, Gipsbossierer, 
Drechsler, Stukkateurarbeiter, Schnitzer, Steindrechsler, Gold' 
arbeiter, Konditoren, Gelbgießer, Rotgießer, Kupferschmiede, 
Zinngießer, Klempner, Töpfer, Fayencetöpfer, Steingut' 
fabrikanten, Zimmerleute, Maurer, Ofensetzer, Tischler, Stuhl' 
macher, Stellmacher u. s. w. 
Der Unterricht fand an zwei oder drei Nachmittagen in der 
Woche statt und wurde anfangs nur im Sommer erteilt, 
die Zeit des Unterrichtes wechselte übrigens an verschiedenen 
Orten. Für solche Schüler, welche die Wochentage nicht 
abkommen konnten, wurden Sonntagsklassen bis zur Dauer 
von 5 Stunden eingerichtet. Alle Zeichenmaterialien wurden 
den Teilnehmern unentgeltlich verabfolgt. Die Provinzial' 
kunstschulen waren in unmittelbare Abhängigkeit von der Aka' 
demie in Berlin gesetzt, derart, daß die Lehrer als Beamte der 
Akademie galten, die Akademiezentrale Ausstellungen der 
Schülerzeichnungen der verschiedenen Provinzialkunstschulen 
in Berlin veranstaltete, die Lehrmittel und Vorlagen lieferte 
u. s. w. Die Zahl der aufzunehmenden Schüler war auf 80 
beschränkt, es wurde überall betont, daß es nicht die Absicht 
sei, in den Provinzialkunstschulen eine höhere künstlerische 
Ausbildung zu geben, daß diese vielmehr der Akademie 
Vorbehalten bliebe. Die Ernennungen von geschickten Hand' 
werkern zu „akademischen Künstlern“ wurde auch im neuen 
Reglement bestätigt. 
158
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.