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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 2. Jahrgang 1905/06

zu versetzen und mich auf die anmutigste Weise mit den 
damaligen Blumenliebhabern in Verbindung zu bringen, denn 
sie erweckt in mir mit dem lieblichen rosigen Kelch ihrer 
zarten, halboffenen Blüten und dem süßen Duft das volle 
Gefühl der tief wurzelnden Liebe der Engländer für ßlumem 
Schönheit und der reinen Freude an ihren Gärten. 
Die nächste Rose der Art, die am kräftigsten erscheint und 
bald darauf zur Blüte gelangt, ist die gefüllte weiße. In 
ihrem Wachstum erinnert sie am meisten an ihre Vorfahren, 
die wilden Burnet-'Rosen, die dichte Büsche bilden und eine 
Fülle hübsch geformter Blüten tragen. Dann folgt die gefüllte 
gelbe Rose, die am langsamsten und schwächsten wächst, 
aber große, lose Blüten von einem sehr zarten und schönen 
blassen Gelb besitzt. Ich halte sie für eine von den gelben 
österreichischen Rosen abstammende Hybridenart. Die eim 
fache und gefüllte Abart der österreichischen Heckenrose 
befindet sich in einer Gruppe mit ihrer wundervoll gefärbten 
Verwandten, der österreichischen kupferroten Rose; sie starm 
men jedoch aus dem Orient und es ist am besten, sie vor eine 
schützende Mauer zu pflanzen. Bei der österreichischen kupfer-- 
roten Rose bildet das lebhafte Scharlachrot auf der Innern 
Seite des Blütenblattes eine dünne Schicht über gelbem Grunde. 
Der Maler müßte genau dasselbe Mittel anwenden, um einen 
ebenso wirkungsvollen roten Ton zu erreichen. Ich bemerke, 
daß Kapuzinerkresse auf dieselbe Weise getönt ist, bei den 
Rosen ist die Farbenschicht jedoch noch zarter aufgelegt; 
denn man kann bei dem Rosenblatt die rote Oberfläche 
herunterschälen und den gelben Untergrund zeigen, was bei 
der Kapuzinerkresse nicht geschehen kann. Das Gewebe des 
Blütenblattes ist hier nicht so dicht und die zarteste Berührung 
mit einer feinen Nadel hebt das dünne Häutchen ab und 
läßt eine nasse, farblose Wunde zurück. Die obere Färbern 
Schicht scheint leicht aufgetragen zu sein, und wenn man 
eine nicht zu dunkle orangefarbige Blume betrachtet, kann 
man an den unteren Blättern, wo der Farbenton gegen den 
ausgefransten Rand zu heller wird, sehen, wie die leuchtende 
Oberfläche nach und nach abnimmt und wie der gelbe Unter 
grund hie und da dort hervortritt, wo die obere Schicht der 
Blume irgend eine so leichte Abschürfung erlitten hat, wie 
sie mit der Hand gar nicht hervorgebracht werden kann, so 
zum Beispiel durch die gegenseitige Berührung der Blüten 
blätter beim Wind. Bei den schottischen Rosen habe ich einen 
Busch der Rosa altaica stehen, die von der Burnet-Rose kaum 
zu unterscheiden ist, nur sind die blassen, gelblich-weißen 
Blüten etwas größer, die Blätter um einen Ton bläulicher 
und das ganze Wachstum kräftiger. 
Auch die Hybridenart der immerblühenden Stanwellrose befin 
det sich hier. Sie verdient die Bezeichnung „immer blühend“ 
eher als jede andere Rose, die ich kenne, denn sie trägt außer der 
herrlichen Blütenpracht Anfang Juni auch während des ganzen 
Sommers stets eine Fülle wohlriechender, blaßrosa Blüten. 
Die Blätter der Rosa rugosa machen sie zur Gruppierung 
mit den Heckenrosen geeignet. Ich liebe nicht die Färbung 
der Art rugosa und ich ziehe deshalb nur die lichtrosa und 
weißen. Sie befinden sich auf dem Gipfel der Anhöhe und 
neben ihnen steht jetzt ein großer, sieben Fuß hoher Busch 
der schön und lange blühenden Hybridenart, Madame Georges 
Bruant. Sehr lieblich ist auch die neuere gefüllte Art der 
weißen Blanche de Coubert. Das ist das reinste und kühlste 
Weiß, das ich bei Rosen kenne, und man ist es so gar nicht 
gewohnt, eine Rose mit deutlich blauen Schattierungen zu 
sehen, daß ihr erster Anblick draußen, als sie in Blüte stand, 
mich angenehm überraschte, da ich den Eindruck erhielt, das sei 
bei einer Rose etwas ganz Neues. Auch die gewöhnliche Dünen 
rose und die schönen Penzance-Hybriden würden in dem von mir 
erträumten Rosengarten Platz finden: es müßte sich im Hinter 
grund ein ganzes Dickicht davon befinden, das nach Herzenslust 
wuchert und sich an Dornen und Stechpalmen emporrankt. 
Die schottischen Heckenrosen haben als Gartenpflanzen das 
wohl kaum bei irgend einer anderen Rosenart zu findende 
Verdienst, das ganze Jahr über in irgend einerWeise schön 
zu sein; im Herbst tragen die Abarten der Burnet-Rose große 
schwarze, schöne Früchte, die sich sehr gut ausnehmen, und 
das Laub erhält eine reiche, satte, rauchige, bronzerote Färbung 
und im Winter haben die dichten, buschigen Massen eine 
angenehme warme Tönung. 
Wenn ich zum Anbau des gewöhnlichen Heidekrauts für 
den Heckenrosengarten riet, geschah es nicht, weil ich an 
die Blüte dachte, die erst im August zu erwarten ist, sondern 
mit Rücksicht auf die ruhige Färbung der Blätter, die während 
der Blüte der Rosen graugrün ist und später dunkel rost 
farben wird; die Veränderung in den Farbentönen entspricht 
derjenigen der kleinen Rosenbüsche. Diese Nachbarpflanzen 
ahmen einander in keiner Weise nach und wetteifern auch 
nicht in bezug auf die Farbe, sondern beide schreiten mit 
den Jahreszeiten in einer solchen Folgerichtigkeit von ruhigen 
Harmonien fort, daß jede davon in allen Stadien des Wachs 
tums durch die Nähe der andern gewinnt. 
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