Entwürfe vom Gartenarchitekten Franz Lebisch (von Seite 186 bis 191).
haben. Was Ihnen zwischen grünen Mauern aus der Tiefe
entgegenblüht, ist ein Wille, der weiter gebaut werden will,
weitergebaut durch gärtnerische Intelligenz, durch Zeit und
reiches Wissen! Ein gesunder frischer Gedanke, noch
so unscheinbar bei seiner Schöpfung, entwickelt sich in
gleichdenkenden Hirnen zu einem Bekenntnis, das dann
immer von neuem Neues gebären wird.
So will ich denn weitergehend versuchen, Ihnen die Wege zu
zeigen, die ich noch weit in der Ferne über steile Widerstände
ziehen sehe und deren Endziel ich nur ahnen darf. Auf dem
einen Wege, der über Polizeivorschriften, Baustatute, Denk'
malschutzgesetze führt, gelangen Sie mit mir in eine Straße,
in welcher Haus an Haus nach künstlerischer Freiheit gebaut
ist. Dort sehe ich den^Vorgarten, ich sehe im grünen Schatten
einer Pergola die behagliche Eingangstür. Ich erblicke üppiges
Ranken bis über die weißsprossigen Fenster des Erdgeschosses;
über all dieser lieblichen schmucklosen Bauform das breite
schützende Dach. An Stelle der vorgeschriebenen Eisengitter
auf Mauersockel stehen weiße Holzsäulen mit vergoldeter
Kugel am Kapitäl. Ich zähle deren sechs für jedes Haus und
bin erfreut, wie schön die darauf emporrankenden Rosen
Blüten verschwenden. Bis auf Brusthöhe wachsen dazwischen
Hainbuchen, sauber mit der Schere zu einer Hecke gehalten,
darüber hinweg blicke ich auf das Vorland. Es ist ein
Blumenbeet, in gleiche Teile eingeteilt, davon das mittlere
mit blauen Lobelien sich schmückt, Staudenastern, die später
das Auge erfreuen sollen, wachsen daneben der Blüte
entgegen. Die Copeen an der Wand setzen eben blaue
Blumen an, während in blauen Töpfen am Fenstersims
blauviolette Petunien ihre Pracht entfalten. Mich überrascht
das Blühen.
Im Zurücktreten sehe ich dann Nachbarhaus und Nachbar'
haus in gleichem Sinne geschmückt. Nur an Stelle der weißen
Säulen treten dann Lichtständer oder Vasen in gleicher Zahl.
Am vierten Hause endet dieses blaue Blühen und eine Reihe
schöner Blutbuchen steht vor demselben wie eine purpurne
Wand. Darunter an der Straßenkante steht eine weiße Bank.
Dann weiter die Straße entlang blüht in den Gärten gelber
Blumenflor, bis an der Wegekreuzung ein uralter Lindenbaum
all dieser Schönheit Halt gebietet. Mit Bewunderung begreife
ich den Sinn und die Absicht der Bürger. Nicht zwanzig
Gärten liegen vor zwanzig Häusern, sondern nur drei ge'
schlossene farbenfrohe Anlagen finden das richtige schmückende
Verhältnis zu Hausmassen und Straßenbreiten.
Aus dieser erträumten Schönheit reißt Sie eine nüchterne
Gegenwart. Sie stehen in irgend einer Straße und werden
sich der Öde bewußt, die auf den sogenannten Vorgärten
lagert. Wie ein Hohn klingt mir der Name, wie ein
Schandmal für gärtnerische Arbeit, wie eine Anklage erscheint
mir das Wort, wenn ich des Reichtums von Schönheit ge'
denke, der auf so eng begrenztem Lande erstehen könnte.
Ich gebe ja gerne zu, daß dem so beliebten, fleißig zu erler'
nenden Architekturschema das gegenwärtige Vorgartenschema
völlig entspricht, aber nicht begründet ist, blühendes Leben,
blühendes Wachsen einer verknöcherten antiquierten Bau'
gesinnung unterzuordnen, die nur das eine kann, im starren
Stein das eigene Unvermögen, das Schielen nach vergangenen
Mustern, laut in die Welt zu schreien. Und wenn es auch
nicht gleich gelingt, all das bittere Weh in den Straßen aus'
zuheilen, so sollte man dort, wo man leicht beginnen könnte
— dem Vorgartenbau — alle lebendigen künstlerischen
Kräfte zuführen. Ich ersehe darin eine der vornehmsten Auf'
gaben der Blumenschmuckbewegung.
In meiner geträumten Straße schreite ich mit Ihnen nun
weiter zwischen Blumen und Bäumen und gelange so an |
herrlichen Bildern vorbei, an einen Platz mit rechteckigem
Grundriß. Die Architektur im grauen Stein, die längs der
Platzgrenzen aufgebaut ist, läßt öffentliche Ämter dahinter
vermuten. Ich fühle einfache, ruhige Monumentalität.
An den Schmalseiten dieses Platzes stehen je drei Reihen
starker Blutbuchen; der dunkle purpurne Ton der Baum'
massen fließt weich mit den grauen Farbentönen der Steine
zusammen. Im flachen Mittelviereck, von graubekiesten
Wegen begrenzt, blühen niederstämmige dunkle Rosen. Im
mitten dieser dunklen roten Blüten ein kreisrundes Wasser'
becken, darin das lichte Blau des Himmels, Sonne und Wolken
sich spiegeln. Wie ein leuchtender Kristall in ernsten ruhigen
Farbenakkorden, die Stein und Baum, Blüten und Blätter
bilden. Graue bequeme Sitzbänke unter dem dunklen Laub'
dach der Purpurbuchen lassen solches Bild in Ruhe genießen.
An Stelle dieser gedichteten, farbig einheitlichen Schönheit
steht heute ein Löwenbrunnen mit prächtigen Schalen und
Wasser rieseln von Zeit zu Zeit daraus — für ferne Wirkung
ist sein Bau ersonnen, doch dicht umstellen ihn hohe Bäume
und mäßige schematische Rasenbeete sind seine Fußzier;
kleinliches Empfinden, gedankenlose Arbeit, Zerfahrenheit
an Stelle von Einheit, Oberflächlichkeit an Stelle der Tiefe
und von ernstem Sinn.
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