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Ich führe Sie weiter in werdende Bilder und in zukünftige
Schönheit. Draußen, im Weichbilde der Stadt gegen Osten
hin, liegen Heimstätten. Eine breite Straße zieht durch diese
bescheiden, aber charaktervoll gebaute Anlage. Baumlos
könnte man diesen breiten Weg nennen; keine Allee folgt
dem Zuge der Straße; nur alte Lindenbäume, wie sie vor
der Anlage der Straße im Lande standen, sind bald zur
linken, bald zur rechten Seite des Weges sichtbar. Uber Haim
buchenhecken sehen die Giebel und Dächer der kleinen
Häuser auf die Straße. Im Kreise stehen alte Buchen, an
der Ecke eines kleinen Straßenplatzes und in ihrem Schatten
fällt ein Quell in weiße Schalen. Zu jeder Zeit ist mir dieses
Bild willkommen und immer erfreue ich mich der ver^
streuten, bescheidenen Schönheiten, die ich im Wandern
genieße. Freundlich gefärbte Holztore stehen in den grünen
Hecken; bald ranken wilde Rosen darüber, bald stehen zu
beiden Seiten der weißen Torpfähle rundgeschnittene Rot'
dornbäume, bald wird der Eingang zur weinumrankten
Laube.
Und hinter jedem Eingang ein kleiner farbiger Garten. So
blüht zu jeder Jahreszeit vor einem Hause mit grauer Schau'
Seite ein langes schmales Beet mit gelben Blumen. Komm’
ich im Frühling vor das Tor, so sind zu Füßen gelbe Krokus
ausgebreitet, während die anderen vier Beete die Keime
späteren Blühens tragen. In weiser Reihenfolge erfüllt somit
ein Beet nach dem anderen die Aufgabe, nach dem Verblühen
des einen mit der Blüte des anderen zu erfreuen. Und wenn
dann knapp vor der Mauer „Sonnenballen“ ihr goldenes
Herbstkleid entfalten, dann beneide ich im Herzen jenen
Mann, der so bescheiden königliche Freuden spenden kann.
Und ist auch dieses letzte Blühen vorbei, dann rötet sich
das Weinblatt an den Mauern und wie ein Feuerwall unv
schließt die farbige Glut das kleine graue Haus. Es liegt wie
letzter Abendsonnenschein in den Blättern — wie letzter Gruß
eines schön verglühenden Sommers.
Ein anderes Haus in dieser Straße ist fröhlicher als Grau
und Gelb. Dort blüht es blau vom Eingang bis zum weißen
Giebel, von Nachbar bis zu Nachbargrenze. Der Weg, der
gerade nach der grünumrankten Haustür führt, ist weiß
bekiest. Ein Ziegelstreifen grenzt ihn zu beiden Seiten ab.
Auf schmalem Langbeet knapp dahinter Leberbalsam und
Eisenkraut, dann Rittersporn und Sturmhut, Staudenastern
und Wasser Strauch. Gleich blauen Stufen steigen die Blumen
nebeneinander bis zur Nachbarmauer auf, längs welcher
eine blaublühende Klematispergola den Abschluß bildet. Auf
kleinen weißen Postamenten stehen Messingvasen, gold^
glänzend in den blauen Blüten.
So erfreue ich mich an allen Toren verschiedener in sich
geschlossener Bilder, die immer und immer wieder mich
lebendig und eigenartig anmuten. Eine Harmonie verbindet
die poesievollen Heimstätten mit den Blumen und Blüten
des Vaterlandes. Alles ergänzt und unterstützt sich zu dem
einen Zweck, Haus und Garten zu einem Ruhepunkt, zu
einer friedvollen Einheit im wechselvollen Leben zu machen.
So wie hinter Hecken farbenfrohe Bilder den Wanderer er^
freuen, so wirken auch längs des Weges farbige Schönheiten.
Im Schatten schlanker Birken steht eine weiße Bank, ein
grauer Sandsteinsitz unter dem grünen Nadeldach dunkler
Fichten, zu zierlichen Farbenstreifen bilden sich die Licht'
träger, zu farbigen Flecken die Wegweiser an den Ecken.
Eine frohe Ruhe ist in all dem Erschauten. Keine Mühsal
wird dann das Verweilen auf einer solchen Gartenstraße
und nur mit Wehmut gedenkt man an solchem Orte der
häßlichen, nüchternen Straßenbilder unserer Neustadt. Man
empfindet die ganze Gedankenarmut in dem Blumenschmuck
der Fenster und Baikone, die volle gleichgültige Geschmack'
losigkeit, die sich über ganze Fronten hinzieht. Ewig das
tötende Einerlei der Geranien, die spärliche nüchterne Ver'
teilung der Farben im Straßenbild. Und auch hier ließe sich
Erfreuliches, wenn auch vorerst nur einseitig, ausbilden. Wie
farbige Bänder könnten Blumen in Holzkasten die ganze
Breite eines Hauses unterhalb der Fenster durchziehen, an
kleinen Stützen daraus Copeen emporranken. An Baikonen
erhalte man das gute Gitterwerk und schmücke ausgiebig
Tür und Fenster, die nach dem Vorbau führen. Für jedes
Haus ließe sich ein eigener Wert erschaffen, für ein ganzes
Straßenbild der richtige Farbenausdruck finden. Wie praktisch
wäre es, wenn an Stelle der Blumen' und Vasenpreise die
Preisrichter der Blumenschmuckbewegung künstlerische Pläne
verteilen würden, welche dem blumenfreundlichen Haus'
besitzer helfen könnten, seine Freude erheblich zu vermehren
und die Lust am Schmücken in zielbewußte Bahnen zu leiten.
Ein künstlerischer Rat, eine farbige Skizze, wie segensreicher
könnte solche Hilfe wirken als eine Prämie in Vasem oder
Pflanzengestalt. In dem herrlichen Städtchen Stein am Rhein
ist nach meinem Empfinden noch immer das Ideal eines ein'
heitlichen Hausschmuckes zu finden. Im Verein mit den be'
malten Hausfassaden überwältigt die farbige Harmonie der
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