damit er erfüllt ist, niemals das Gefühl der Langweile erwecken
kann. Das unaufhörliche stumme Geschehen von Wundern der
Schönheit, das geheimnisvolle Weben und Werben der Liebes-
kräfte, die feierliche Haltung und die unbewegte Ergriffenheit
aller Dinge des Gartens verursachen eine tiefe Erregung der
Seele. Sie weiss sich in Gegenwart unwirklicher Erscheinungen,
die plötzlich sichtbar werden. Von den mystischen Gewalten
ergriffen, ist sie bereit, Offenbarungen zu vernehmen, die nie
mals möglich sind in Gegenwart einer Überfülle von ungeord
neten realen Dingen und am allerwenigsten in Anwesenheit
einer Gesellschaft von Menschen. Aus diesem Grunde verbindet
sich mit diesem Traumgarten, zu dessen Verwirklichung es nur
weniger Dinge bedarf, auch die Vorstellung, dass sich an Stelle
der seitlichen Mauer weisse Arkaden hinziehen und den Ein
druck der klösterlichen Abgeschlossenheit verstärken. Es wäre
möglich, den Kreis dieser Schöpfung um ein weiteres Element
zu vermehren. Die Gedanken, die in dieser unwirklichen
Gartenwirklichkeit verweilen, sind geschäftige Werkleute, die
das von ihnen erschaffene Reich noch sorgfältiger ausgestalten
und die Möglichkeit eines neuen und noch tieferen Eindruckes
in dem festen Bezirk dieses Gartens herstellen wollen. In der
Tat gehen die Schritte zwischen den Rosenbäumen hindurch
auf eine, die rückwärtige Wand abschliessende Laube zu, die
links und rechts von einem Laubengang als Seitenflügel ergänzt
wird und die eine neue Entdeckung bildet. Es führen einige
Stufen zu dem Sitz hinauf, von wo aus die ganze Anlage be
quem überblickt werden kann. Von diesem erhöhten Platze aus
gesehen, ist das Bild völlig neu. In Kugelgestalt reihen sich die
Lorbeeren aneinander, ein dunkler Saum, dazwischen das
Rosenlager gebettet ist. Dort oben ist es schön zu sitzen. Man
möchte dort lesen. Irgendein seltenes, altes Buch; aber man
würde bald das Buch weglegen und auf das Schweigen und
auf die Gedanken horchen, die durch die Seele sickern, gleich
jenen Wassertropfen, die dort in der Garteneinsamkeit auf
klingen. Und die Stunden verrinnen, während das lichte Träu
men der Rosen und das dunkle Träumen der Lorbeerbäume
durch die eigene Seele geht und ein Traum das Gleichnis und
die Erfüllung des anderen Traumes ist. Und die Stunden würden
verrinnen, man weiss nicht wie. □
Ich glaube, wenn solche Dinge geschaffen und erlebt würden,
dass sie einen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung und
den Gang des anderen Lebens haben müssten. Dieses Leben mit
seinen Arbeiten sollte in irgendeiner Beziehung mit dem Geiste
schöner Gärten Zusammenhängen. Ich habe mit besonderer
Absicht daran gedacht, diesen Rosen- und Lorbeergarten der
Hauptsache nach aus blossen Kübelpflanzen herzustellen. Nicht
nur weil die Lorbeerbäume bei uns nur in dieser Form ge
pflegt werden können, sondern weil ich auch eine besondere
Schönheit darin sehe. Darum würde ich auch die Rosenbäume
in solchen Kübeln ziehen. Die Schönheit des Kübelgartens
liegt in der architektonischen Ordnung und Strenge, in der die
Pflanzen aufgestellt werden müssten und die in dieser Form
stark betont ist. Es verbindet sich aber auch die Rücksicht
damit, die edlen Pflanzen mit Eintritt der schlechten Jahreszeit
aus dem Freien zu nehmen. Die Orangerie war eine sehr
zweckmässige Einrichtung eines früheren Zeitalters, dessen
künstlerischer Geschmack der heutigen Zeit um sehr viel über
legen war. Dieser bewegliche Garten ist leicht zu pflegen. Selbst
Grundriss zu vorstehenden Entwürfen
in den Zeiten, wo die Pflanzen ins Glashaus gestellt werden
und der Garten leer ist, wird dieser kein verwüstetes Antlitz
und das traurige Aussehen spätherbstlicher und winterlicher
Gärten zur Schau tragen. Er wird dann ein schöner, stiller
Gartenhof werden, ein leeres Gehäuse, das der Schönheit nach
träumt, nachdem die festlichen Gäste gegangen sind; oder aber,
der, wie man auch sagen könnte, von den Vorahnungen der
Herrlichkeit erfüllt ist, die mit jedem Frühling in seinem
heiligen Bezirk ersteht. Niemals, auch wenn der Schauplatz
leer ist, wird er seiner Feierlichkeit entkleidet sein; es gehört
mit zu dem Besten, was sich zugunsten dieses Gartens sagen
lässt, dass er niemals banal ist. L.
EIN GEWISSENHAFTER UNTERRICHT WIRD VOR
ALLEM OBJEKTIV SEIN. DER SCHÜLER SOLL DENKEN
LERNEN, ABER ES IST EIN TYRANNISCHER ÜBER
GRIFF, IHN LEHREN ZU WOLLEN, WAS ER DENKEN
SOLL. DER EHRLICHE PÄDAGOGE IST WIE DER ZAHN
ARZT, WELCHER SEINEN PATIENTEN BEFÄHIGT,
MIT KRÄFTIGEN ZÄHNEN ZU BEISSEN, OHNE DASS
ES IHM JEMALS EINFALLEN WÜRDE, DEM PATIENTEN
SEINE DIÄT VORZUSCHREIBEN. □
WAS WIR IN DER LITERATUR KLASSISCH NENNEN,
IST EIGENTLICH DAS VORWIEGEN DES GEISTES
ÜBER DAS TEMPERAMENT. OUCKAMA KNOOP.
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