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hügfel am Mirabellschloss überblickt man das Kunstwerk des 
architektonischen Mirabellgartens und in der Längenachse des 
Gartens jenseits der Stadt den wuchtigen Felsen mit der Hohen- 
veste als monumentalen Abschluss des machtvollen Bildes. Mit 
soviel künstlerischer Überlegenheit wusste der fürstliche Bauherr 
den Platz für die Anlage zu wählen, dass er mit einem Blick 
Stadt und Veste überschauen und zugleich als künstlerische 
Steigerung in sein Gesichtsfeld einbeziehen konnte. Nach ähn 
licher Rücksicht ist Hellbrunn angelegt. Es liegt in der Ver 
längerung der Achse von Mirabellgarten und Hohenveste nach 
Südosten. Auch in Hellbrunn bildet die Hohenveste den 
grössenhaften Abschluss der Perspektive. Wer dort vom Monats 
schlösschen gegen Salzburg blickt, hat ein Märchen gesehen. □ 
Der künstlerische Sinn der fürstlichen Bauherren gab der Stadt 
ein unschätzbares Gut, an dem sie auch in materieller Bedeu 
tung zehrt. Schöne Landschaften gibt es schliesslich überall, 
aber schöne Städte, deren blosses Sein das Leben dort ange 
nehm und leicht macht, und noch in der Ferne den Seelenschatz 
einer lichten Erinnerung gibt, sind leider selten. Der letzte 
Grund, warum man nach Salzburg geht, ist schliesslich doch 
die schöne Stadt. Alle, die sie gesehen haben — und wer sollte 
nicht? —, haben Ursache, sie zu lieben, und die Pflicht, über 
sie zu wachen; alle haben das Recht, zu fordern, dass die 
Schönheit nicht angetastet werde und dass nichts geschehe, 
was die künstlerische Wirkung beeinträchtige. Die Bürger dieser 
Stadt, deren Budget zum erheblichen Teil von den NICHT 
EINHEIMISCHEN bestritten wird, sind von dieser Rücksicht 
keineswegs frei. □ 
Je grösser die künstlerische Arbeit der Vergangenheit war, um 
so schwerer wiegt die Verantwortung der Nachfahren und der 
Fehler, der begangen wird. Das eindrucksvolle Bild der Stadt 
gibt auch in dieser Beziehung eindringliche Aufschlüsse. Es 
sollen nicht alle Bausünden der jüngeren Zeit auf gezählt wer 
den. Aber allzu schroff ist der Abstand, der die von keiner 
künstlerischen Einsicht geleitete jüngste Bautätigkeit von den 
älteren Epochen der Kultur trennt. Neue Häuserviertel und 
Cottageanlagen sind entstanden, deren trotz allen Fassaden 
schmucks nüchterne Bauweise dem charaktervollen Stadtganzen 
erheblich Abbruch tut. Die üblen Beispiele der grosstädtischen 
Häuserfabrikation haben auch in diesen kunstreichen Stadtgebiet 
verheerend gewirkt. Man braucht nur den alten Verkehrsweg, 
die Linzerstrasse, entlang zu gehen, um den furchtbaren Kontrast 
wahrzunehmen, der zwischen dem charakteristischen alten Strassen 
teil und der neuen Verlängerung, die trotz der Verbreiterung unsäglich 
öde ist, besteht. Die neuen Häuser im Bahnhofviertel, die 
Villen an der Salzach sind fast durchweg Belege dieses er 
schreckenden Niederganges. Alte Baudenkmäler, wie kürzlich 
das Linzertor, wurden unbekümmert um die Forderung eines 
künstlerisch empfindenden Teiles der Bevölkerung niedergelegt, und 
jüngst wurde, um ein anderes schweres Bauverbrechen zu ver 
zeichnen, der herrliche Stadtblick ins Nonntal, bezeichnender 
weise Salzburger Meran genannt, durch das neue Justizgebäude 
Wielemans’, eine öde Architekturmache, vermauert. Die Schmach 
wird nicht verlöschen. Für das Justizgebäude im alten Stadt 
gebiet erbaut, soll die Krämerrücksicht entscheidend gewesen 
sein, wonach das Landvolk, das im Gebäude zu tun hat, ge 
nötigt sein soll, den Weg durch die Geschäftsstadt zu nehmen, eine 
begreifliche Rücksicht. Zu begreifen ist nicht, dass die Stadt 
keine andere Lösung gefunden hat. Sie wäre gefunden worden, 
wenn man sie gesucht hätte. Es scheint, dass in der Bevöl 
kerung und in der Stadtvertretung der Trieb, künstlerische 
Fragen künstlerisch zu lösen, erstorben ist. □ 
Es wird sich rächen. Das Versäumnis geht ins Ungeheure, 
wenn man bedenkt, dass jede Baufrage, im grossen und kleinen, 
die die Stadt irgendwie berührt, eine Kunstfrage ist. Die 
Epochen der Kultur haben die Stadt von vornherein als 
Kunstwerk aufgefasst. □ 
Die Angelegenheit wird wieder lebendig, da die Stadt neuer 
dings in Gefahr schwebt, einem Irrtum zu unterliegen. Diesmal 
droht es dem Mirabellschloss. Es liegt in dem Teil, wo sich 
der Bahnhof befindet und ein neues Stadtviertel entstanden ist. 
Das Bahnhofviertel ist ohne Leben, das Streben geht dahin, 
auch dort ein intensiveres Stadtwesen zu entwickeln. Der Ver 
kehr und städtisches Leben geht der Gewohnheit nach in der 
alten Linzerstrasse, die weit abliegt. □ 
Der Grundfehler war, dass dieser Fingerzeig nicht vor der 
Anlage des Bahnhofs, der in der Nähe der Linzerstrasse hätte 
errichtet werden sollen, beachtet wurde. Die Linzerstrasse war 
durch die bisherige Entwicklung von vornherein berufen, die 
Vermittlung von Bahnhof und Stadt herzustellen und den Ver 
kehr aufzunehmen. Die angrenzenden Gebiete hätten sich als 
stille Wohnstrassen entwickeln können. Die heutige Bahnhof 
strasse bietet eine Konkurrenz, die sie nicht halten kann. Nun 
ist der Plan, neben dem Mirabellschloss ein neues Kurhaus mit 
Hotel im „Mirabellstil“ zu errichten, ein Riesengebäude, das 
auf das Schloss drückend wirken muss und dem zuliebe sich 
der alte Bau noch einige Verstümmelungen gefallen lassen 
muss, wie die Niederlegung seiner Seitenflügel, die der alte 
Baukünstler als Ausklang des mächtigen Mittelbaues notwendig 
gebraucht hatte. Eine Baufirma ist in der Tat schon beauf 
tragt, ein „diesbezügliches Projekt auszuarbeiten“. □ 
Glücklicherweise beginnt sich in der Bevölkerung Widerspruch 
gegen diesen Vandalismus zu regen. Der diskutable Vorschlag 
wurde gemacht, dem Seitenflügel des Mirabellschlosses eine 
Kolonade bis zur Badeanstalt mit schönen Schauläden anzureihen 
und den Kurhausbau abseits in eine Seitenstrasse zu verlegen. 
Die Idee der Kolonade ist schön, wenn sie in gute Hände 
kommt, sie wird verunglücken, wenn es nicht der Fall ist. So 
geht es schliesslich mit allen Dingen. Es ist darum nicht 
erdenklich, warum die Stadt nicht den Weg der künstlerischen 
Preisausschreibung betritt und sich von vornherein der be 
rühmtesten und modernsten Künstler als Juroren versichert. 
Wenn sie nicht imstande ist, den geeigneten Künstler selbst zu 
finden, hat sie die Pficht, im herkömmlichen Konkurrenzweg 
unter guter künstlerischer Beratung zu erfahren, was gut ist 
und was gemacht werden darf. Die Stadt möge das Beispiel 
Karlsbads befolgen, wo der Stadtbaudirektor Drobny, dessen 
einstige Wirksamkeit in Salzburg heute schwer vermisst wird, 
eine öffentliche Stadtbaufrage durch ein glänzend redigiertes 
Preisausschreiben zum Ziele führt. □ 
Die Stadtvertretung wird diese Einsicht finden, sie kann nicht 
anders. Sie wird sich auf ihre Aufgabe besinnen und eine 
künstlerische Lösung ermöglichen. Die Angelegenheit gehört 
uns und allen, die Befolgung dieser Forderungen gehört der 
Stadtvertretung und der Entwurf und die Ausführung gehören 
dem Künstler. Aber nur diesem ! L. 
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